Verkehr zwischen Menschen

Feuilleton
1896 veröffentlicht in: Wie ich es sehe

Die beiden wohlbestallten Künstler saßen im kleinen Nachtcafé und besprachen es emsig, wie brutal der Ichismus der Nebenmenschen wäre! Das Wort „Ichismus“ sprachen sie so aus, wie wenn sie sagten: Die übrige Menschheit sagt nämlich „Egoismus“!

Da sagte das junge Fräulein: „Was redt’s denn da für an Unsinn zusammen, hm?! Hat das an Sinn?! Hört’s zu, meine Frau hat mich heute gepfändet! Gibt’s das, eine eigenhändige Pfändung?! Das gibt’s nicht! Was?!“

„Bitte, wir sind keine Advokaten – – –.“

„Keine Advokaten?! Da schau her! Ein jeder gebildete Mensch muß wissen, daß es eine eigenhändige Pfändung niemals nicht gibt! Wie stellt’s ihr euch das vor?! Da möchte die ganze Welt nichts tun als pfänden! Nur ein bissel nachdenken, meine Herren, ja?!“

Die Künstler besprachen es nun, daß der aufgeblasene Herr B. so erfüllt sei von sich selbst, daß er nichts höre und nichts sehe, wie der Auerhahn auf dem Fichtenaste. Nur habe er nicht immer die Entschuldigung sexueller Erregung für sich wie das Biest!

Das Mädchen begann zu weinen über die eigenhändige Pfändung von seiten der Frau. Sie erklärte nochmals den Herren, daß es eine eigenhändige Pfändung niemals nicht gebe.

Die Herren sagten nun, daß sie es auch für ausgeschlossen hielten, und begannen daher das Mädchen ein wenig abzuküssen, da sie sie infolge ihrer Zustimmung für ziemlich getröstet wähnten.

Dieselbige war aber noch nicht soweit. Die Herren sagten ihr nun, daß sie ihren Beruf verfehlt habe, sie sei eine Trauer-Dirne. Damit werde sie keinen Hund hinterm Ofen hervorlocken.

Das Mädchen starrte vor sich hin und sagte: „Eine eigenhändige Pfändung gibt’s nicht!“

Die Künstler nahmen nunmehr eine teilnehmende Haltung an und sagten: „Wieviel bist du ihr denn eigentlich schuldig? Was wird es denn weiter sein?!“

Das Mädchen erwiderte hoffnungsvoll: „35 Gulden!“

Die Künstler: „Was?! So eine Bagatelle?! Und da plärrt sie! Das kannst du ihr ja leicht in Raten abzahlen!“

Das Mädchen fühlte: „Bagage, hängt euch auf!“

Die Künstler berechneten es nun, daß bei Wochenraten von nur 5 Gulden sie in sieben Wochen damit komplett fertig sein könne. Komplett. Oder sie solle Monatsraten à 20 Gulden zahlen. Oder, noch besser, täglich einen Gulden. Sie einigten sich auf täglich einen Gulden.

Das Mädchen saß da und weinte bitterlich.

Die Künstler wurden böse und gingen weg.

Draußen sagten sie: „Soll man sich für jemanden einsetzen?! Da rechnet man sich den Kopf heraus für fremde Leute! Was hat man davon?! Undank!“

Der arme Kellner trat nun zu dem Mädchen hin: „Sie, Fräul’n, heute um 8 Uhr früh fahren wir beide zusammen zu Gericht! Eine eigenhändige Pfändung gibt es niemals nicht! Wir leben in einem Rechtsstaate!“

Sie gingen miteinander nach Hause, um die Details zu präzisieren.

Es waren noch drei Stunden bis acht Uhr früh, welche Zeit sie ziemlich ausnutzten.

Um acht Uhr früh sagte ihr Ritter: „Weißt was, Mizerl, mit die Gerichte soll man nix anfangen. Die Frau wird’s nicht so bös gemeint haben. Weißt was, Mizerl, zahl’s in Raten ab!“

Das Mädchen war schon ganz ermattet, und wieder einschlummernd, sagte sie sanft: „Eine eigenhändige Pfändung gibt es niemals nicht. Was Schurschl?!“