Völlig zufriedene Rentner in der Steppe

Reportage
zuerst erschienen im Oktober 2008 in Emotion, S. 90-96
Fassung des Autors

Der Himmel ist so blau, dass er gemalt wirkt. Die Schäfchenwolken scheinen künstlich, so weiß sind sie. Es riecht nach Schnittlauch und nach, mhhh, „das ist wilder Thymian, die Frauen waschen sich damit die Haare“, sagt Suchbataar und bittet in sein Ger, sein Zelt. Er wirkt drahtig und zäh, obwohl sein Gesicht rund ist, seine Augen lustig strahlen, er oft lächelt. Der Igelhaarschnitt und die strenge Metallbrille passen nicht zu der Gemütlichkeit, der Freundlichkeit und Ausgeglichenheit, die Suchbataar, braungebrannt, schwarzhaarig, zufrieden mit dem Leben, so deutlich ausstrahlt. 70 Jahre alt, Rentner seit knapp zehn Jahren, war er früher Chef des mongolischen Staatsfernsehens, „29 Jahre und sieben Monate habe ich insgesamt für die staatliche Filmgesellschaft gearbeitet.“ Er lacht, schüttelt den Kopf. Macht eine Pause und schüttelt wieder den Kopf. Als wundere er sich. „Ja, klar, heute wundere ich mich darüber.“

Er bereitet den Schnupftabak vor, so will es das Ritual der Gastfreundschaft in der Mongolei. Vor der Zeit beim Fernsehen war er, der aus der Wüste Gobi stammt, Student in Ulan Bator und somit war er fast die Hälfte seines Lebens Bürger der Hauptstadt. Nun lebt er in einem Meer der Zufriedenheit, ja, er sagt es, im Glück, in einem Zelt in der Steppe. Reduziert, glücklich. Seine Uhr hat er vor Jahren weggeworfen. Wenn er davon erzählt, klingt es so einfach. Als wäre es leicht zu machen, einfach wieder leben wie in der Kindheit, es sich weg von allem gemütlich zu machen, die unangenehmen Großstadtzeiten auszublenden. Es klingt zu einfach. Aber: Suchbataar, ein Intellektueller, kann es gut erklären. Und: er ist nicht der einzige mongolische Rentner, der aus der Stadt in die Steppe zog, sich ein Stückchen Boden suchte, um wieder zu leben wie früher. Viele machen das, immer mehr. Der Trend wird unterstützt durch die Landreform. Jede Familie kann 700 Quadratmeter Boden belegen und bekam, als die Kollektive aufgelöst wurden, zwei Kühe, zwei Kälber, zehn Schafe, acht Ziegen. Land, wo man wollte, man musste nur sein Ger aufstellen. Die Steppe ist gesprenkelt mit Zelten ehemaliger Städter, der zufriedenen Rentner. Der ehemalige Elektroingenieur, der Buchhalter, der Gefängniswärter, der Feuerwehrmann, der Schulleiter sagen, sie leben heute besser als früher.

Das Zelt, das korrekte Wort ist Ger, hat den Eingang nach Südosten, so ist es Tradition in der Mongolei. Oben in der Mitte ist eine Öffnung, durch die es regnen kann. Es gibt keinen Strom, kein fließend Wasser, die Toilette ist die Steppe. Die Einrichtung der Gers ist karg und ähnelt sich überall, Truhen für die Gewänder, eine Kommode, ein kleiner Altar, ein paar Säcke und zwei Betten, die auch als Couch dienen. In der Mitte meist ein schwarzer und roh wirkender Stahlgussofen. Im Winter kann es 40 Grad kalt werden, im Sommer 40 Grad heiß. „Der Winter ist die schönste Zeit, man muss nur vorbereitet sein“, sagt Suchbataar. Im Winter schreibt er Gedichte. Zwei Bücher hat er veröffentlicht. Er sucht sie in der Truhe als Badam, 69, seine Frau, mit dem hellen Milchtee in einem Topf hereinkommt, zubereitet im Küchen-Ger. Wie ihr Mann strahlt sie Zufriedenheit aus, betont mehrmals: „Hier draußen geht es uns besser.“

Der Kontrast, die Großstadt, Ulan Bator, mehr als eine Million Einwohner offiziell, dazu Hunderttausende unangemeldete Mongolen. Knapp zwei von drei Mongolen leben dort. Das gilt inzwischen als vorsichtige Schätzung, denn lange drängten alle dahin, wo modernes Leben, Geld, Neues ist, Chancen zu sein scheinen. Die Landflucht dauert an. Wer jung ist, zieht in die Stadt. „Oft ins Elend“, sagt Badam. Aber, was lange ein Naturgesetz zu sein schien, ändert sich. Wer kann, komme zurück. Es gibt in der Hauptstadt der Mongolei Hochhäuser, Geldautomaten, viele Autos und Staus, zwei Kohlekraftwerke, die Wärme, Strom und schlechte Luft liefern, fließend Wasser, Discos, Fast Food, Hollywood-Kino, Arbeitslosigkeit, Armut, Kriminalität. Ulan Bator wirkt, auch wenn die Sonne scheint, hart und anstrengend. Der Himmel nicht blau, die Wolken grau wegen der Kraftwerke.

Wieder 70 Kilometer weiter westlich, die man teilweise auf asphaltierten Straßen zurücklegen kann, zu einem Teil auf Pisten muss, um die letzten Kilometer einfach über Grasflächen zu fahren, beobachtet von Murmeltierscharen, wieder bei Suchbataar und Badam. Die beiden lachen, sie lachen oft und sie sagt: „Ja, es ist eine Rückkehr in die Kindheit und Jugend. Das Gefühl der Nostalgie, es ist schön. Es zu leben erst recht.“ Sie stammen beide aus der Mittel-Gobi, aus Nachbardörfern, lernten sich auf der Weide als Jugendliche beim Ziegen- und Schafehüten kennen, heirateten, bekamen Kinder. Da kam der Ruf. Suchbataar, gerade 28 Jahre alt geworden, war in der Jugendorganisation der kommunistischen Partei der Mongolei aktiv, wurde herausgepickt: Studium in der Stadt, Neues, Zukunft. „Abenteuer, ja Abenteuer“, sagt er. „Es war eine Ehre, etwas Besonderes. Das konnte man nicht ablehnen, also, man hätte schon können, aber das wollte niemand. Es war die große Chance.“ Pause. Lange Pause. „Damals.“ Und: „Es war passend zu der Zeit, wir wollten Abstand zu den Tieren.“ Die Herden der Eltern waren kollektiviert worden. Jede Familie durfte nur eigene 16 Tiere halten. „Das hat nur für die Eltern gereicht.“

Also ging die junge Familie, zwei Kinder hatten sie damals, nach Ulan Bator. Plattenbau ohne, später mit Balkon, fließend Wasser, Elektrizität, modernes Leben. Er studierte, sie arbeitete in der staatlichen Presseagentur, organisierte nach ein paar Jahren eine Druckerei. „Jahrelang musste ich sie morgens zur Arbeit bringen, weil sie den Weg allein nicht gefunden hätte.“ Sie lächelt. Er lächelt. Er machte Karriere, sie bekamen noch zwei Kinder, sie arbeiteten vor sich hin, erzogen die Kinder zu Stadtkindern. Irgendwann wurden sie Rentner. Rentner und Nomaden. Sofort hätten sie die Chance ergriffen, sagt er, „sofort“. Sie wollten raus aus dem Moloch.

Er bekommt 130000 Tukrik, das sind nicht ganz 100 Euro, sie 80000. Das ist in diesem Land relativ viel Rente. „Nur, die Miete hätte schon 100000 Tukrik gekostet. Die Mieten steigen schnell seit es keinen Sozialismus mehr gibt. Es wäre schwer, in Ulan Bator zu leben.“ Sie kamen mit einem Pferd und vier Kühen hierher. Hierher? „Nun, wir sind jetzt Nomaden, wir haben die Gers oft woanders aufgestellt.“ Angefangen haben sie weiter westlich, „hinter dem Berg da“. Im Winter steht ihr Ger immer an dem Berg noch weiter westlich, windgeschützt. Im Sommer immer in Gegenden mit Salz und Salpeter, „die Tiere brauchen das“. Die vier Kühe? „Wir haben heute 1000 Schafe und Ziegen, ungefähr. 140 Pferde. 40 Rinder, davon sind neun Milchkühe.“ Das klingt nach viel. „Ja, wir sind reich geworden. Ging ganz leicht.“

Die erste Ziege kaufte er mit seinem Sohn, damals schon erwachsen, als der sie erstmals besuchte. Sie gingen zu Fuß, fast einen halben Tag hin, einen halben, mit der Ziege, zurück. „Die Ziege war sehr nett, sie kooperierte und sie gefiel den Enkeln. Eigentlich wollten wir sie ja schlachten.“ Nach ein paar Tagen ging er allein los, noch eine Ziege holen, als Gesellschaft für die erste. Die Enkel, die, das ist in der Mongolei inzwischen so, im Sommer bei den aufs Land gezogenen Großeltern, raus aus dem Smog, sind, wollten mit. Aber der Weg war zu weit. „Zwei Ziegen, das war der Beginn unserer Herde.“

Die wuchs, weil sie sahen: Kashmir ist wertvoll, da ist ein Markt. So kauften sie mehr Ziegen, kämmten die im Herbst, wurden reich vor lauter „Kashmirgeld“. Doch, sagt er, es heißt „kämmen“ bei Ziegen, bei Schafen „scheren“. Schafe hätten sie, um nicht abhängig zu sein vom Kashmir-Preis. Zum Wohlstand bei trugen auch noch die Milch- und Fleischpreise. Weil immer mehr Leute nach Ulan Bator ziehen, dort aber kaum Vieh halten, also kaufen müssen. „Wir melken zweimal am Tag. Lassen die Milch in die Stadt bringen. Vergorene Pferdemilch bringt viel.“ Zwei Millionen Tukrik im Jahr.

Aha, ein Business-Mann. „Nein, das geht ganz ruhig. Wir könnten mehr rausholen, aber dann müsste ich öfter in die Stadt. Aber jedes Mal, wenn ich dort bin, bekomme ich Sorge um die Tiere, will sofort wieder zurück. Hier ist es schön, hier ist Heimat. Es ist das schlimmste, in der Stadt zu wohnen.“ Er schweigt, sagt dann: „Ich bin Kind von Nomaden, in einer Gegend wie dieser aufgewachsen, es ist wie eine Heimkehr. Schön.“

Sie machen Mittagsschlaf, „manchmal recht lange“. Sie gönnen sich Luxus, „wir haben so einen chinesischen Sonnenkollektor gekauft, um Radio zu hören. Nur: den haben wir schon drei Monate, aber noch nicht angeschlossen.“ Eile gebe es nicht. Er wache morgens um 4 Uhr auf, von allein, „wir haben keine Uhr hier, das ist Instinkt“. Um 5 Uhr im Sommer werden die Kühe gemolken, die Stuten, die Ziegen, Nachbarn helfen. „Die Nachbarschaft ist gut hier.“ Welche denn? „Da, Richtung Osten, man sieht es nicht, lebt eine Familie, ein bisschen weiter noch eine.“ Es ist flach hier, das muss weit sein. „Entfernungen sind anders als in der Stadt. Zeit auch.“ Im Winter wird nicht gemolken. Er dichtet. Badam kocht, backt, besucht Nachbarn. Stress sei Anfang April bis Anfang Mai. Da kämmen sie Ziegen. Zehn kann einer täglich kämmen. Sie heuern Helfer an. Im November wird geschlachtet, Fleisch für den Winter getrocknet.

Suchbataar geht zum Brunnen, dem Loch im Steppenboden, 300 Meter entfernt vom Ger. Als Behälter dient ein halber Traktorreifen am Seil. 500 Meter weiter zum Fluss. Hier wird das Vieh getränkt. Von weitem sieht man ihr Wohn-Ger und ihr Küchen-Ger. „Wir bekamen das Ger, in dem wir gerade saßen, 1966 geschenkt, vor der Hochzeit, Stützkreuz und Dachkreuz sind original, den Stoff haben wir ausgetauscht. Gers sind praktisch, auf zwei Kamelen zu transportieren. Wichtig ist die Truhe, die gab es zur Hochzeit. Sitte. Für die Gewänder für das Filzfest und das Haarschnittfest.“ Das Leben sei ruhig. Scheint Idylle pur.

Weiter westlich, noch einmal 40 Kilometer weiter weg von Ulan Bator. Im Ger von Khaltar, 66 und seiner Frau Tungalag, 68, ist das Schnupftabak-Ritual erledigt, der Milchtee steht auf dem flachen Tisch. Seit 2000 ist er in Rente, so früh, weil er beim Innenministerium angestellt war. Tungalag war Hausfrau. „Wir könnten von der Rente in der Stadt kaum leben“, sagt der Mann mit dem faltigen, dem tieffaltigen Gesicht, das nach hartem Leben aussieht. Sie sagt: „Wir könnten es gar nicht, überhaupt nicht.“ Er hat einen tieftraurigen Blick. Wenn er lacht, wirkt es, als hätte er es noch nie gemacht. „Früher war das Gesundheitswesen staatlich, kostenlos. Heute … es ist teuer, krank zu sein.“ Er trägt schwarze Reitstiefel, pelzgefüttert, ist stolz, seine Orden zeigen zu können. „Ich kam 1960 allein nach Ulan Bator, wollte studieren, durfte nicht, wurde Feuerwehrmann. 1965 fing ich beim Militär an als Gefängniswärter.“ Wurde Buchhalter eines Gefängnisses, „ich konnte das gut, am Ende war ich Buchhalter aller 14 Gefängnisse.“

Vor ein paar Wochen habe er die Tochter in Ulan Bator besucht. „Die Stadt verändert sich schnell, sehr unangenehm, viel zu viel Verkehr. Diese Luft.“ Er verdreht die Augen, schafft es, noch mehr, noch tiefere Falten auf die Stirn zu zwingen. Wichtig sei, das wiederholt er öfters: „In der Stadt in diesen Zeiten hätten sich die Kinder verpflichtet gefühlt, uns zu unterstützen. Da hätten wir uns nicht wohl gefühlt. Jetzt kommen Kinder und Enkel zu uns. Wir helfen mit Fleisch und Milch. Ein gutes Gefühl für einen Nomaden wie mich.“ Die zwei Enkel sind drei Monate im Sommer hier, auch Freunde von denen, Kinder, die keine Großeltern auf dem Land haben. Er sei sehr zufrieden. Klingt komisch, als er das sagt, mit seinem tristen Blick, dem traurigen Tonfall. Man könne „hier seinen Stolz erhalten beim Altwerden“. Kashmir, Milch und Fleisch, es hat vergangenes Jahr gereicht, ein Auto zu kaufen.

„300 Stück Kleinvieh und 25 Rinder, sieben Pferde, ich liebe Pferde, hatte das ein Leben lang vergessen. Heute reite ich jeden Tag. Es ist mein Glück.“ Das Ger ist uralt, „habe ich als junger Mann gekauft, alles noch von damals, auch der Ofen.“ Der steht in der Mitte, daneben eine Wanne mit Dung zum feuern. Das Auto nutzen auch die Nachbarn. „Leute aus der Nachbarschaft helfen, dafür helfe ich mit dem Auto.“ Das Gemeinschaftsgefühl sei schön. „Auf dem Land ist Zusammengehörigkeit, in der Stadt habe ich das nie erlebt, nie. Hier bin ich nicht ärmer als andere, nicht reicher. Man hilft sich, respektiert sich.“ Während er das Festgewand anzieht, erzählt seine Frau Tungalag: „Ich bin geboren in Ulan Bator, habe erst nach dem Umzug alles gelernt, melken, schlachten. Inzwischen bin ich echte Nomadin. Hey, ich kann melken.“ Im Vergleich zu ihm wirkt sie humorvoll. „Riechst du das?“ Schnittlauch? „Und Thymian und Beifuß. In Ulan Bator? Diesel.“ Ihr Mann reitet hin und her, im Festgewand mit Orden an der Brust. Er lacht anders, hat noch Falten auf der Stirn, aber keine melancholischen Augen mehr.

Im Norden, vier Stunden von Ulan Bator, im Ger von Bayansan und Dashnyam, beide 68 Jahre. Auf dem Altar ist ein Foto des Dalai Lhamas. Eine Tüte mit deutscher KDW-Werbung verdeckt ein Loch im Filz. Eines ihrer sechs Kinder lebt in Berlin. Von den Enkeln sind gerade vier hier. Bayansan war Elektroingenieur, Dashnyam Ärztin. Beide kamen zum Studieren nach Ulan Bator. 1968 lernten sie sich kennen beim Tanz. Elektroingenieur heißt: Elektro-Wasserkocher, Fernseher, Radio, Radiowecker, Elektro-Kochtopf. „Nun, das habe ich studiert, mein Leben lang gearbeitet, ich konnte es nicht einfach so lassen“, so Bayansan. „Ich mag Strom.“ Das Ger steht nahe der Umspannstation, die er leitete. „Wir haben das Ger 1998 gekauft, es steht für Tradition, für Erbe, für Herkunft. Wir sind in Gers aufgewachsen“.

Dashnyam bringt Milchtee. Sie arbeitet noch nebenbei als Schulärztin. Jede Schule muss einen Arzt haben, kann sich aber niemanden vollangestellt leisten. So sind Arztrentner auf dem Land hochwillkommen, können die Rente aufbessern. Das, erklärt Dashnyam, sei gar nicht nötig. Auch bei ihnen haben sich die Tiere, die sie nach der Reform bekamen, vermehrt. Kashmirgeld hätte möglich gemacht, weitere Tiere zu kaufen. Kashmirgeld ist ein fester Ausdruck der mongolischen Sprache geworden. Sie haben 100 Ziegen und Schafe bei einem Lohnhirten, 20 Kilometer im Osten. Ein Mann aus dem Dorf sei im Sommer mit 700 Tieren verschiedener Rentner auf der Weide. Bekomme dafür einige Jungtiere, das Milchgeld, schlachte ab und zu ein Tier.

Sie fahren heute hin, gemeinsam mit Losol und seiner Frau Dolgor, Freunde, beide 64 Jahre alt, er Schulleiter in Pension, sie Apothekerin in Rente. Wie Dashnyam und Bayansan loben sie das Leben außerhalb der Stadt, wie die sind sie keine echten Nomaden. Sie haben vier Kühe und vier Kälber bei ihrem Ger, wegen der Milch. Der Rest der Tiere ist den Sommer über beim Lohnhirten auf Boden mit besserem Gras, Salz und Salpeter. „Wir sind zu faul, wie echte Nomaden das Ger ab- und woanders wieder aufzubauen.“

Dem Hirten bringen sie einen Sack Mehl und einen Sack Reis. „Wer Vieh hütet, dem soll es nicht schlecht gehen“, sagt ein Sprichwort. Über den drei Gers, der Hirte lebt hier mit Frau, drei Kindern, den Eltern, der Schwiegermutter, kreist ein Milan. Der Vogel weiß, es wurde geschlachtet, und wartet auf die Chance, herabzustürzen und was zu erbeuten. An den Hängen grasen Ziegen, Schafe, Pferde, Rinder. Hunde liegen im Schatten. Hühner gackern herum. Ein Solarkollektor liefert Strom für Fernsehen und Radio und die Heizdecke der Oma. Der Laster des Händlers fährt weg, er hat Milch geholt. Jamsran, der Hirte, arbeitete zwölf Jahre in Ulan Bator in einer Baufirma. „Da hatte ich die Idee.“ Er deutet auf die Tiere. „Wir hüten für andere, können davon ehrenvoll leben, in Tradition, draußen.“ Jamsran ist 39 Jahre alt, nicht gerade im Rentenalter. „Ich habe mich früh für besseres Leben entschieden.“ Für helles Blau, reine, weiße Wolken, den Geruch von Schnittlauch, Bärlauch, Beifuß.