Soap-Fanzines

von 
Essay
zuerst erschienen im April 1997 im jetzt-Magazin

Roland sitzt in einem Straßencafé in der Ehrenstraße in Köln und lächelt in die Kamera. Ich blättere in den „Offiziellen Magazinen” und schaue ihn an. Und zwar im gleichen Café, am gleichen Tisch, einige Monate später. Während Roland in dem Magazin vierfarbig vor mir im Jeansladen steht und dabei von seiner Lieblingslederjacke erzählt, die ihm geklaut worden sei.

Deshalb blättere ich so gerne in diesen Zeitschriften. Im gleichen Jeansladen. Ohne etwas zu kaufen. Auch weil Christian auf der nächsten Seite Gedichte schreibt und sich dagegen verwehrt, daß Jungs keine Gefühle zeigen können. Folgerichtig sitzt Christian in einem gelblichen Blumenmeer und hält einen Dichterstift weit vor sich, und deshalb blättere ich so gerne in diesen Zeitschriften. Und ich blättere schon wieder seit Stunden.

Diese „Offiziellen Magazine” heißen „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten”, „Verbotene Liebe” und „Unter Uns” und sie haben konsequent nur die Schauspieler der gleichnamigen Serien und deren Alltag zum Thema. Wo diese Schaupieler in ihrem richtigen Leben also einkaufen, wo sie in ihrer Freizeit Kaffee trinken, wo sie ihre richtigen Hosen und Hemden reinigen lassen und mit welcher Handschrift sie richtige Gedichte schreiben. Letztlich geht es dabei auch im richtigen Leben der Schauspieler meist um Liebe. Das ist auch gut so, denn über Liebe kann man nie genug wissen. Liebe steckt voller Geheimnisse. Und in den Fernsehseifengeschichten geht es ja nur um Herzensverstrickungen und Leidensverirrungen, um plumpen Haß und wirren Streit. Das Schöne ist dabei, daß ich während jeder Folge so ein bißchen spüre, doch etwas über Liebe verstanden zu haben. Weil Roland und Jessi, Sabine und alle die anderen so viel falsch machen.

Dieses Gefühl, etwas gelernt zu haben, ist gut, weil ich heimlich in eine Seifenschauspielerin verliebt bin. Auch aus diesem Grund muß ich regelmäßig in den Offiziellen Magazinen blättern, um mich zu erkundigen, was sie tut. Manchmal trinkt sie Kaffee, lese ich, richtig aus einer weißen Tasse, in genau dem gleichen Straßencafé, in dem ich gestern gesessen habe. Manchmal kauft sie auch Jeans ein, lese ich, und am Abend geht sie manchmal tanzen. Dorthin, wo ich auch schon getanzt habe. Wenn sie nicht im Urlaub ist. An einem Ort, wo ich noch nicht gewesen bin. Ich blättere schon wieder seit Stunden.

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ich ihr einmal über den Weg laufe, weil sie schließlich eine ganz normale Frau sein soll, die gerne einkauft und Kaffee trinkt. Seitdem ich die Offiziellen Magazine lese, weiß ich, worüber wir uns unterhalten werden. Über den Frieden in der Welt und die Wichtigkeit von Liebe. Es stimmt übrigens nicht, daß sie mit dem ekligen Schmierling aus der Konkurrenz-Soap befreundet ist, lese ich gerade, in dem Café sitzend, wo ihre anderen Serienfreunde brunchen. Gleich werde ich mir eine neue Hose kaufen.

Seitdem ich die Offiziellen Magazine lese, ist Köln viel aufregender geworden. Meine Geliebte kann mir ständig über den Weg laufen. Deshalb fühle ich auch den Alltag nicht mehr so stark. Ich sitze immerhin in dem gleichen Café, in dem ihre Fernsehfreunde sonst lachen, und die Barriere ist dadurch kleiner geworden. Ich lese, daß Schauspieler sensibel sind und manchmal Gedichte schreiben. An ihren drehfreien Tagen treiben meine Schauspieler Sport. Sie gehen in richtige Kneipen und sie kaufen Jeanshosen. Morgen werde ich übrigens ein neues T-Shirt kaufen. In einer Boutique. Meine Geliebte ist angeblich dort Stammgast, lese ich.