Charles Bronson – „Ein Sitzbad mit Zinnkraut hilft gegen die Tobsucht“

von 
Innerer Dialog
zuerst erschienen im Sommer 1997 in SZ Magazin
Fassung des Autors

Mister Bronson, was bedeutet Ihnen Ihr Garten, die Pflanzen, die Bäume?

Das Gespräch mit der Natur hat mir oft über schwierige Phasen in meinem Leben hinweggeholfen. Besonders seit dem Tod meiner Frau Jill (Ireland) habe ich ein sehr inniges Verhältnis zur Gartenarbeit entwickelt.

Sie besitzen Häuser mit prächtigen Gärten in Malibu und in Florida. Was sind Ihre Lieblingspflanzen?

In meinem Haus in Malibu habe ich mich besonders auf Freiland-Subkulturen, Kakteen, Palmen und Heilkräutern spezialisiert. In Florida habe ich tropische Zierpflanzen, Aronstab-, Agaven- und Akanthusgewächse, Hülsenfrüchtler und Malvengewächse. Obwohl ich bei der Gartenarbeit von einer Hilfskraft unterstützt werde, verbringe ich mindestens zwei Stunden täglich mit meinen Pflanzen und Bäumen. Ich bin überzeugt, dass man mit der Natur kommunizieren kann. Alle Pflanzen strahlen ununterbrochen das Licht des Lebens aus, in dem eine Fülle von Informationen stecken. Besonders meine Palmen.

Welches sind Ihre Lieblingspalmen, es gibt ja bekanntlich über zweihundert Gattungen?

Die Blaue Palme und ihre Blüten mag ich sehr. Sie ist so anspruchslos, und doch so prächtig. Sie kennen bestimmt diese fünf Meter langen Rispen mit kleinen, elfenbeinweissen, zittrigen Blüten. Die kann ich stundenlang betrachten.

Was ist das Besondere an der großen Palmenfamilie?

Palmen spielen in der Religion, Mythologie und Brauchtum des Vorderen Orients und der Indianer im tropischen Regenwald eine große Rolle. Besonders wegen ihrer Zweigeschlechtigkeit, wird die Palme gerne vermenschlicht und damit den Menschen gleichgestellt.

Und welche Zierpflanze ist Ihre liebste?

Die Keulenlilie. In Hawaii wird sie zum Dachdecken und zur Gewinnung medizinischer Getränke genutzt. Was ich aber besonders schätze, ist ihre schützende Kraft.

Daran glauben Sie?

Ich kenne ihre Wirkung. Als es mir nach dem Tod von Jill dreckig ging, hat mir besonders der Anblick der Keulenlilie sehr gut getan.

Mit welchen Problemen waren Sie konfrontiert?

Der Verlust, die Einsamkeit, die Unlust weiterzuleben. Und dann diese Fragen: Wie kann ich wieder von vorne anfangen und meinen Instinkten trauen? Die Antwort bestand, wie die meisten verlässlichen Antworten, aus mehreren Teilen. Ich begann, die Dinge einfacher und direkter zu sehen, nicht zu viele Gedanken an die Komplexität der Dinge zu verschwenden. Der starke Glaube an die schützenden Kräfte von Pflanzen hat mir geholfen, einfach zu genießen und alles andere zu vergessen.

Können Sie mir ein Beispiel dafür geben, wie Sie dank Ihren Pflanzen die Dinge anders sehen als früher?

Es ist wie der Unterschied zwischen zwei Männern, die beide ihren Job aufgegeben und ihre Frauen verloren haben. Sie stehen täglich ziemlich einsam neben der Gartensprenganlage und geniessen Pflanzen, Sträucher und Bäume beim Sonnenuntergang. Der eine wird sich in dieser Situation einfach bewusst, wie froh er ist, mehr nicht. Der andere, der ich nicht mehr bin, fühlt sich in der gleichen Situation ebenfalls sehr glücklich, denkt aber gleichzeitig, sein Garten könnte eigentlich noch einige neue Orchideen-Züchtungen vertragen, oder sollte es etwa ein Korallenstrauch sein? Und die Gartensprenganlage müsste eigentlich durch eine etwas modernere ersetzen werden, und er denkt auch gleich daran, wo er diese Anlage sehr günstig bekommen kann. Meine Pflanzen haben mich gelernt, einfacher, bescheidener und klarer zu empfinden.

Mit was hat das zu tun?

Ich glaube, ich verstehe die Sprache der Pflanzen. Seit Jahrtausenden wird in verschiedenen Kulturen von der Aura der Pflanzen berichtet. Dort steckt der Schlüssel zur Kommunikation. Das haben die Schamanen schon immer gewusst. Jetzt weiß ich es auch. Es ist zum Beispiel längst bewiesen, dass wenn Holzfäller den ersten Baum ansägen, dann wissen die umliegenden Bäume, was ihnen blüht.

Pflanzen können also fühlen, davon sind Sie überzeugt?

Bestimmt. Es gibt dafür so viele Beweise. Und wir Menschen können mit ihnen sprechen. Auch dafür gibt es genügend Beweise. Aber ich brauche gar nichts zu beweisen. Ich muss auch nicht laut mit meinen Pflanzen sprechen. Es kann alles über Gedanken ablaufen.

Wie erleben Sie im Gartenalltag die Kommunikation mit Ihren Pflanzen?

Meine Hilfskraft und ich hatten vor zwei Jahren einen Versuch mit Hakenlilien unternommen, kurz nach dem verherrenden Malibu-Feuer. Die Hakenlilie ist eine wunderbare Zierpflanze. Aber richtig befreundet habe ich mich nie mit ihr. Also missbrauchte ich sie für einen Test. Eine der Blüten, die ich markierte, schrie ich jeden Morgen an. Ich tat dies während meiner Yogaübungen. Ich beschimpfte diese Lilie: dass sie kaputtgehen möge, dass sie hässlich sei. Ein Lilien-Schwesterchen dagegen lobte ich: Du bist die Schönste, ich brauche dich, dein Gelb glänzt schöner als Gold.

Und das haben die Pflanzen verstanden?

Schon nach zehn Tagen war ein Unterschied zu erkennen. Die Lilie, die ich beschimpft hatte, zeigte Schwächen. Obwohl ich sie gleich gegossen hatte, wurden die Blüten nicht so groß. Sie wurde trockener und sie ließ ihre Blätter hängen. Dem Schwesterchen ging es dagegen prächtig.

Haben Sie dann die beschimpfte Lilie ganz aufgegeben?

Nein, ich habe mich einige Tage ganz besonders um sie gekümmert. Durch gutes, liebevolles Zureden war der Unterschied dann bald nicht mehr vorhanden. Dann passierte etwas Außergewöhnliches. Die beschimpfte und dann wieder geliebte Pflanze lebte länger, ihre Blüten wurden kräftiger, gesünder und schöner als die vorher von mir so verwöhnte Pflanze.

Sehen Sie da etwa Parallelen zu uns Menschen?

Das brauche ich ja wohl nicht zu betonen. Der Garten ist wie ein Spiegelbild für uns Menschen. Wer durch Leid gegangen ist, wer die Krisen als Chance zum Wachsen begriffen hat, der ist auf seinem Weg reifer geworden und lebt intensiver und schöner.

Mister Bronson, 1994 bedrohte das große Malibu-Feuer Ihren Garten. Das muss ein furchtbares Erlebnis gewesen sein.

Es war sehr schlimm. Ich hatte sehr viel Glück.

Als das Feuer einen Viertel Ihres Gartens schluckte, spürten Sie da Lust auf Selbstjustiz wie der von Ihnen so perfekt verkörperte Paul Kersey in „Death Wish“.

Wie meinen Sie das?

Revanche gegen die Unsitten der Natur, gegen die Ungerechtigkeit. Wie ein Privatmann, der Rot sieht, eben fühlt, und entsprechend erbarmungslos handelt.

Ich bin kein Revanchist. Das ist Blödsinn. Mir tat es wirklich weh, als alles in Flammen aufging. Besonders meine Nachtschattengewächse, eine ganz junge Stechapfel-Familie.

Wie war Ihre Reaktion nach dem verheerenden Feuer?

Ich habe mich mehr auf Heilkräuter spezialisiert. Und auf Steingartenpartien, mit sukkulenten Freilandpflanzen wie Sempervivum, den Hauswurz oder Bitterwurz, verschiedene Kakteen. Phyllokakteen, große Säulenkakteen und Yucca.

Welches sind Ihre liebsten Sorten unter den Sempervivum?

Black Prince. Es ist eine mittelgroße auffällige Rosette von dunkler, schwarzpurpurner Farbe. Die äußeren Blätter haben eine grünliche Spitze. Sie sind glatt, lang und dünn und stark gespitzt. Ich bin richtig vernarrt in sie. Die silbrigen Randwimpern kontrastieren gut zur Blattfarbe. Sie benötigt leider sehr gute Düngung, die muss man einhalten. Dafür bleibt die Färbung auch außerhalb der Vegetationsperiode gut erhalten.

Was fasziniert Sie so an den Sempervivum?

Auf Torbögen alter Häuser in Italien und Südfrankreich habe ich immer wieder diese Hauswurznester gesehen. Die haben mich sehr fasziniert. Viele Jahrzehnte, oft Jahrhunderte wachsen sie dort. Und sie zehren nur von ihrem eigenen Mist. Ist das nicht unglaublich.

Sie leben also vom Mist, den sie selbst produzieren?

Ja, und das über Jahrhunderte.

Diese Art von Selbsterhaltung fasziniert Sie?

Es ist die Genügsamkeit, die mich an den Pflanzen beeindruckt. Ich habe lange genug versucht, die Menschen zu verstehen. Es ist mir nicht gelungen.

Mister Bronson, vor genau fünfundzwanzig Jahren - nach dem Film „The Mechanic“ - galten Sie als der weltweit beliebteste Schauspieler…

Das glaube ich nicht. Das ist alles viel zu lange her…

Eine damalige Meinungsumfrage von Reuters setzte sie neben Sean Connery auf Platz eins.

Connery war wegen der James-Bond-Serie beliebt. Ich dagegen trug die ganze Last meiner Filme auf meinen Schultern. Aber das interessiert mich eigentlich überhaupt nicht mehr.

Sie waren in Frankreich beliebter als Belmondo und Delon, in Italien beliebter als Mastroiani, in Japan beliebter als Toshiro Mifune, in Spanien versprühten Sie mehr Sexappeal als der damalige Star-Torrero El Cordobes, in Südamerika wurden Sie zum Sexsymbol 1972 erklärt. Nur in den USA hat man sie nicht richtig ernstgenommen…

Amerika hat mich nie richtig geliebt. Das stimmt. Aber das war mir damals so egal wie heute. Die Schauspielerei habe ich immer nur als Beruf verstanden, um meine Rechnungen zu bezahlen. Das war alles.

Robert Mitchum hat einmal über ihre schauspielerischen Qualitäten gesagt: Der Mann weiß, wie man eine Knarre in der Hand hält.

Ich mag wirklich nicht über meine Karriere sprechen, das war nicht ausgemacht. Es gibt nichts zu sagen.

Der Regisseur Quentin Tarantino behauptet, für ihn gäbe es stilitisch keinen dramatischeren Film als „Spiel mir das Lied vom Tod“. Sie genießen heute Kultstatus.

Wer soll das gesagt haben?

Tarantino, ein junger Hollywood-Regisseur. Ein Liebhaber fast aller Ihrer Filme.

Na und? Wer soll das sein? Können wir von was anderem reden?

Ich halte „Das dreckige Dutzend“ noch heute für einen der besten „Männer-auf-Mission“-Filme. Sind Sie immer noch stolz darauf?

„Das dreckige Dutzend“? Habe ich dreißig Jahre nicht mehr gesehen. Hat da nicht Robert Aldrich Regie geührt? Ich hab einen Polnisch-Amerikaner gespielt, der Deutsch spricht. Jetzt kann ich mich daran erinnern. Ob ich stolz darauf bin, haben Sie gefragt. Wissen Sie, „stolz“ ist ein Wort, das ich nicht kenne. Haben Sie sonst noch einen Lieblingsfilm?

„Cold Sweat“ mit Liv Ullmann und James Mason. Der bizarrste Côte-d’Azur-Film aller Zeiten. Sie tragen während des gesamten Films die gleiche Jeans und das gleiche T-Shirt.

Das fanden Sie gut? Sehr seltsam. Das Thema Pflanzen ist mir wirklich sehr viel lieber. Wo sind wir stehengeblieben?

Wir haben vom Malibufeuer gesprochen. Und wie Sie danach in ihrem Garten auf Sempervivum-Pflanzungen, Kakteen und Heilkräuter gesetzt haben…

Beim Pflanzen von Kakteen gibt es viele Missverständnisse.

Und das wären?

Viele Hobbygärtner glauben, es müsse ein steriler Boden sein. Das ist aber falsch. Ein fast steriler Mineralboden bringt kein Optimum an Wachstum. Kakteen sind sehr empfänglich für nährstoffreichen Boden. Ein leicht kalkhaltiger, lehmiger, poröser, bröckeliger Verwitterungsboden ist ideal.

Auf was sollte man beim Pflanzen von Kakteen besonders achten?

Kakteen brauchen möglichst viel Wärme und Sonne, und wenig Feuchtigkeit. Und dann ist natürlich große Vorsicht beim Pflanzen geboten. Nicht wegen dem Anwachsen, sondern wegen den Stacheln. Davon kann ich ein Lied singen.

Sie haben sich an Kakteen gestochen, wie ist sowas möglich?

Das passiert jedem Hobbygärtner, der sich mit Kakteen und Glochiden einlässt. Die Folgen sind entzündete Stellen an den Händen, langdauerndes Jucken der Finger. Darum ist es wichtig, die Pflanzen mit speziellen Kakteenzangen zu bearbeiten. Bei größeren Pflanzen bewährt sich auch eine Grillzange, wie sie zum Wenden von Schweinsrippchen benutzt wird. Dicke Lederhandschuhe gehören ebenfalls zur Grundausrüstung.

Können Sie eigentlich auch mit Kakteen sprechen?

Habe ich nie versucht.

Mister Bronson, welche Heilpflanze aus ihrem Garten würden Sie jemandem empfehlen, der den Drang verspürt, mit einer Waffe in der Hand draußen in der Welt für Ordnung zu sorgen?

Zinnkraut. Am besten ein Sitzbad mit Zinnkraut. Das hilft gegen die Tobsucht.

Und wie bereite ich so ein Bad vor?

Ich will jetzt nichts versprechen. Aber sie können versuchen, einen Zwei-Gallonen-Eimer mit frischem Zinnkraut in einem Zwei-Gallonen-Eimer mit kaltem Wasser einzuweichen. Anschließend wird der Kaltansatz erwähmt und dem Badewasser zugegossen. Die Badedauer beträgt etwa 20 Minuten, anschließend nicht abtrocknen, sondern in einem Bademantel gehüllt im Bett einige Stunden nachschwitzen.

Haben Sie wirklich Zinnkraut in Ihrem Garten angepflanzt?

Ja, aber das ist sehr schwierig, weil Zinnkraut eigentlich nur auf feuchten Sandböden, Äckern, Bachufern, am besten auf lehmigen Böden wächst. Trotzdem hat es bei mir geklappt. Beim Ernten sollte man beachten, dass man nur zwei Drittel der Pflanze schneidet, ein Drittel lässt man über dem Boden stehen.

Was würden Sie einem Mitmenschen mit Wahnvorstellungen empfehlen?

Ein gutes Mittel ist der Brennessel-Tee. Ich habe keine Brennesseln in meinem Garten. Aber ich kenne ihre Wirkungskraft. Trotzdem halte ich die geduldsame Kommunikation mit einem Venusschuh für das bessere Mittel gegen paranoide Anfälle.

Dann sollten wir abschließend nochmals über die heilenden Gespräche mit Pflanzen reden. Sie sind ein großer Orchideen-Fan. Mit welcher Orchidee spricht es sich denn am leidenschaftlichsten?

Sehen Sie, mein Vater war Kohlearbeiter in Ehrenfeld, Pennsylvania. Dort bin ich aufgewachsen. Mein Vater arbeitete unter unvorstellbaren Bedingungen. Er wurde nicht pro Stunde bezahlt, sondern nach der Kohlemenge, die er lieferte. Er schuftete 16 Stunden am Tag, sah nur selten die Sonne, das Licht, und trotzdem hat er zehn gesunde Kinder durchgebracht. Die Familie war seine Oase. Mein Vater erzählte mir manchmal von seinen Träumen, und darin kamen sehr oft Orchideen vor, obwohl ich das damals noch nicht wusste. Er erzählte meistens von einer Pflanze mit einer helmförmigen Lippe, dunkelbronze-farbig, die an beiden Seitenlappen große schwarze Warzen trägt. Und er sprach von einer nach vorne geneigten Fahne, die wachsartig aussehe. Es war sehr geheimnisvoll, wie mein Vater diese magische Pflanze beschrieb. Erst viel später habe ich entdeckt, dass mein Vater vielleicht von einer Orchideenfamilie geträumt hat, die man Venusschuh nennt. Heute habe ich in Florida eine recht ansehnliche Venusschuh-Familie gepflanzt. Darauf bin ich sehr stolz.

Und mit dem Venusschuh lässt sich am eindringlichsten kommunizieren.

Sie verfügt über außergewöhnliche chemische Signale. Sie kann durch ganz bestimmte Düfte, ganz bestimmte Insekten anziehen. Es ist ein aufregendes Phänomen, das ich immer wieder im Garten beobachte. Wie die Venusschuh-Orchidee zum Beispiel die Bienenmännchen geradezu betören. Es ist ein höchst kompliziertes Betrugsmanöver, ein Fall von verführerischen Düften, Sex und Betrug.

Faszinierend. Aber um eine wirkliche Kommunikation mit seinen Pflanzen aufzubauen, muss der Hobbygärtner doch eine persönliche Bindung, einen Glauben entwickeln.

Das ist sehr wichtig. Leute, die Pflanzen für Laborobjekte halten, bekommen keine Ergebnisse. Das Gespräch mit den Pflanzen ist eine Kommunikation mit unserem Bewusstsein.

Ist die Natur beseelt?

Aber sicher, das hat schließlich schon Goethe erkannt.

Wollen Sie Ihre beseelten Gärten überhaupt noch jemals verlassen?

Nur ungern. Ich habe alles erlebt, was es unter Menschen zu erleben gibt. Die Seelen der Pflanzen sind reiner und empfindsamer. Dort fühlte ich mich zuhause.