Der Beinkick

von 
Portrait
zuerst erschienen im September 1998 in jetzt-Magazin

Besonders vorbereitet hat sich Derya Torun, 18, aus Hamburg nicht auf das große Turnier in Kirchheim bei Stuttgart. Sie fährt am Samstag einfach hin, zieht sich Fuß-, Faust- und Kopfschutz über, legt sich Tief-, Brust- und Schienbeinschutz an, versetzt ihren Gegnerinnen ein paar Tritte und fährt als Deutsche Meisterin im Kickboxen wieder zurück. „Es gibt kaum gute Gegnerinnen”, sagt sie, „wenn ich verliere, dann bin ich selbst schuld.” Derya kämpft in der Gewichtsklasse bis 55 Kilo, Semi-Kontakt: Es zählen Schnelligkeit und leichte Treffer. Derya ist darin bereits Hamburger Meisterin, Deutsche Meisterin und kämpft seit einem Jahr in der türkischen Nationalmannschaft – bei ihrer ersten Weltmeisterschaft wurde sie dritte. Ihre Spezialität sind Beinkicks. Auch gesprungene Kicks zum Kopf – die geben immerhin die Höchstwertung von drei Punkten. Bis vor kurzem hat sie mit Männern trainiert. Jetzt macht sie alleine weiter, weil die Gruppe sie nicht mehr weiterbringt. Drei- bis viermal trainiert sie, unterrichtet zweimal die Woche eine Kindergruppe. Seit vier Jahren boxt sie noch nebenbei. Ein Leben ohne Kampfsport wäre für sie ein Leben ohne Spaß. Angefangen hat sie, weil ihr älterer Bruder sie vor neun Jahren mit zum Probetraining nahm. „Die Bewegungen sind so elegant und fließend”, sagt sie, „das hat mir gefallen”. Derya hat sich gerade bei der Polizei beworben. Weil ihr Bruder sich auch beworben hatte, der will jetzt aber lieber Profi-Boxer werden. Und Derya später mal Trainerin. Aber jetzt kommen erst mal Stuttgart und die Kicks zum Kopf.