Prunksters

Kolumne
zuerst erschienen 2004 und 2005 in der taz
Auf der Suche nach jungen Utopisten in den USA

Auf der Achse der Guten

Sie sind sich selbst Radikale. Sie sind Träumer, Spieler, Poeten und Utopisten. Sie kennen mehr als ein Gesicht ihrer Seele und brennen darauf, die anderen zu sehen. Ein neuer Tag ist ihnen ein neues Abenteuer. Dem schnellen Wahnsinn der Welt blinzeln sie ein Gedicht, ein Lied, eine Idee zwischen die Augen. Ihre Antwort beginnt mit einer Frage. Ihr Körper oder Geist ist jung. Sie wissen, das Schönste in der Frau oder dem Mann ist das Mädchen und der Junge in ihm. Sie heißen nicht George W. Bush, Michael Moore und Ivana Trump. Sie heißen River, Hunter und Scarlett. Vielleicht auch anders. Noch kenne ich ihre Namen nicht, aber ich habe mir vorgenommen, diese Menschen zu finden. Ich möchte sie Prunksters nennen, das steht ihnen gut.

Google findet dazu in 0,16 Sekunden nur 27 Treffer, allerdings aus acht Ländern, die alle nicht weiterhelfen. Ich glaube, sie verstehen mich trotzdem. Die Prunksters sind zu Hause auf der ganzen Welt. Ihre Wahrnemung ist so besonders sensibel, dass sie oft einsame Forscher sind. Deshalb schätzen sie den Wert wahrer Freunde als größtes Geschenk. Ich möchte sie dort suchen, wo man sie zurzeit wenig vermuten würde. In den Vereinigten Staaten von Amerika. Dem Land, das den unbegrenzten Möglichkeiten großartiger Gastgeber war und sich merkwürdig für immer mehr Köpfe zum Reich des Bösen wandelt. Vielleicht weil mehr bekannt ist über die Brüste von Janet Jackson und die Gedichte von Donald Rumsfeld. Aber wenig über den Jungen, der mit Aretha Franklin im Ohr U-Bahn fährt, und das Mädchen, das wahre Sätze von Antoine de Saint-Exupéry unterstreicht. Er wird später der Welt drei sehr wichtige Filme schenken. Sie wird die erste Präsidentin. Vielleicht wird er sich auch während eines Sonnenaufgangs die Pulsadern öffnen. Sie bei den Anonymen Alkoholikern reden. Prunksters tanzen auf einem schmalen Grat. Gekonnt, gefährdet. Vor allem: wertvoll.

Sie werden sehen. Während Sie lesen, packe ich in Berlin meinen Koffer. Leichtes Expeditions-Gepäck. Oben auf: Die E.T.-DVD, mein erster und liebster Kinofreund. Ein Autogramm von John F. Kennedy, das meinem Großvater ein Schatz war. Und ein Flachmann voll Johnny Walker. Ja ich bin etwas nervös, vor Langstreckenflügen. Aus den Boxen singen die Moldy Peaches. Einstimmung auf New York. Dort geht es nächste Woche los. Ich bin genauso gespannt wie Sie.

Freund aus dem Himmel

Der transatlantische Regen ist ein Fremder. Schwere Fäden, dicht an dicht, befreunden oben und unten. Dazu klatscht der Wind in Wellen. Mein neues Zuhause ist Brooklyn, aber in dieser Nacht steht das Haus am Meer. Wasser und etwas Kindheitssehnsucht ist nicht das Einzige, was vom Himmel fällt.

Ein aufrechter Schatten stolpert den Berg hinunter. Er sieht: Erste Häuser, eine aufblasbare Burg flattert havariert. Dem Ort in New Mexico gibt ein Schild den Namen Haneyville. Auf einer Bank streckt sich der aufrechte Schlaks. Seine Augen, das rechte blau-grün, das linke braun, suchen einen Stern. Es ist der Mann, der vom Himmel fiel. Er sitzt am Fluss, trinkt einen Schluck. Die Haare fallen ihm in die Sonnenbrille. Durch deren Gläser bricht sich das Licht golden im Drift der Strömung. Den Moment vollendeter Schönheit stehlen die rauschenden Gedanken an ferne Geliebte. Der Mann hat eine weite Reise hinter sich und vor sich. Er ist ein Suchender, ein Prunkster. Für die Erde gibt ihm ein britischer Pass den Namen Thomas Jerome Newton. Seinen fernen Heimatplaneten hat er verlassen, um den dort gebliebenen Vertrauten, Frau, Kindern, kostbares Wasser zu besorgen. Davon soll es hier reichlich geben, hat er gelernt aus dem Blick auf amerikanisches Fernsehen. Eine tückische Sendung, der er sich durchaus bewusst ist. Im Wissen, dass für ihn das mit Furcht verschmierte Wort Außerirdischer bereit steht, tauscht er geschickt ohne Öffentlichkeit neun neue Patente sagenhafter Erfindungen gegen Dollars. Die Menschen staunen über Fotografien, die sich selbst entwickeln und Newton ist seinem Rückflug näher. Mehr von sich offenbart er nur sorgsam einem kleinen Kreis. Freundschaft ist ihm (einzig richtig) ein großer Brocken. Mary-Lou wird eine dieser Eingeweihten. Da sitzen sie in einem Hotelzimmer, sie trinkt Wodka, er Wasser, und trotzdem sind sie sich nah. So muss, müsste es sein zwischen zweien.

Sie merken, ich schaue einen Film und freue mich an einem neuen Freund. The Man Who Fell to Earth von Nicolas Roeg. Thomas Newton wird dargestellt von David Bowie. Draußen immer noch Autobahnregen. Das Filmende soll ein trauriges sein, ich kann es nicht sehen, die DVD hat zu viele Kratzer. Vielleicht ein Glück. Ich freue mich auf nach dem Schlaf. Nichts duftet so fabelhaft wie der Morgen nach dem Regen.

Arcadia, Pleasure Beach

Was für eine unglaubliche Gräfin, schreit es mir durch den Kopf. Ich sitze am frühen Abend in einem Sofa auf dem Dach meines neuen Zuhauses in Williamsburg und beobachte, wie sich die Welt dreht. Tatsächlich dreht, ganz physikalisch. Die Sonne steht tief und trifft mich zwischen die Augen. Dann wird es dunkel und sofort merklich kühler. Der rote Planet verschwindet hinter einem hohen Haus in Downtown Manhattan, etwa dort, wo früher das World Trade Center stand. Die Skyline glüht rot in den ansonsten eisblauen wolkenlosen Horizont. Ich muss eine Zigarette rauchen, so fuzzy sensational scheint mir dieses Ereignis. Noch bevor ich damit fertig bin, leuchtete mir die Sonne erneut ins Gesicht. Die Dame ist eine unbeirrbare Sprinterin. Beeindruckt und verwirrt schwimmt meine Stimmung inmitten eines Lunalands aus weichen Sitzen, Schilfpflanzen und im Wind flatternden Fahnen. Ich gehe nach unten, an der schweren Eisentür steht: Arcadia.

Über der Schwelle drehen sich sanfte elektronische Loopings ins Ohr. Am Fenster sitzt Billy am Computer, trinkt ein Bier und komponiert seine Musik. William Basinski hat etwas Bewundernswertes geschafft, er hat sich seinen Traum aus der Nacht in den Tag geholt, als Hilfslinie, nicht als Manifest. Seit Jahrhunderten ist Arkadien, ein Landstrich auf dem Peloponnes in Griechenland, utopistischen Seelen ein Code für die bessere Parallelwelt - den pleasure beach. Eine gewaltige Discokugel wirft Sterne an die viktorianische Decke, unter der früher Arbeiter für die Industrie schufteten. An der Wand ticken hundert Uhren. In der Mitte des Raums steht eine gewaltige Tafel. Vor mehr als zwanzig Jahren kam Billy aus Texas. Auf seinem T-Shirt stand: Lost Boy. Seine Rettung trägt den schönen Namen der Liebe.

Wir gehen zurück aufs Dach. Sirenen heulen durch die Straßen. Über uns knattern News-Helikopter der lokalen Fernsehsender. Ein Brand in einem Gebäude unten am East River. Billy raucht Kette. Vor drei Jahren saß er hier und sah, wie das World Trade Center zusammenfiel. Er erzählt nicht viel von diesem endlos langen Tag, an dem tausende zu Fuß über die Brooklyn Bridge liefen. Vor dem Gestank der rauchenden Trümmer in den Wochen danach flüchtete er nach Kalifornien. Seitdem verbringt er dort den Winter. Dieses Jahr fährt er später. Am Tag nach der Wahl. „Das ist wichtig, sehr wichtig“. Der Himmel der Stadt leuchtet orange.

Der Colette die Bühne

Willkommen am einsamsten Ort der Welt, der westlichen. Es ist Nacht, Beschleunigung zieht und bremst durch den Magen. Der Schleuderer trägt den Namen Airtrain. Ein Magnetgleiter, der die neun Terminals des John-F.-Kennedy-Flughafens verbindet. Rundherum immer im Kreis. Ich fahre schon die dritte Partie. Das Innendesign ist foltergrau. Mir gegenüber eine schlafende Asiatin in Pucci. Ein Mann mit Cowboy-Hut schreit in sein Handy. Draußen wirrer Lichterkrieg. Um einen El-Al-Jumbo stehen Panzer. Rot blinkende Positionslichter ziehen Diagonalen durch den Himmel. Nancy Sinatra spielt ins Ohr. Es fühlt sich an, als drücken ihre valiumkühlen Hände an meinen Hals. Raus hier, Halt an Terminal 5. Eine kühn geschwungene Betonmuschel, Kathedrale des Jet-Zeitalters, durch die Leonardo DiCaprio in Catch Me If You Can in den Horizont spazierte. Jetzt roter Teppich, Blitzlichtgewitter, kreischende Hula-Damen. Eine Party des Visionaire-Magazins anlässlich einer Ausstellungseröffnung in dem inzwischen unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen TWA-Abfertigungsgebäude. Irgendwo steht Kunst von Jenny Holzer, Douglas Coupland, den McCoy’s. Es ist kurz nach zehn und niemand interessiert sich dafür. Die Gäste, Marianne Faithfull-Mädchen und Comme-des-Garçons-Jungen, sind wild entschlossen, den fernen Morgen in goldene Scherben zu splittern. Die Nacht trägt die Farben Schwarz und Weiß. An der Bar schlägt mir eine kleine bleiche Hand den Cristal aus der Hand. „Champagner verdirbt den Atem“, spricht der Mund eines Mädchens. Über den Brüsten trägt sie auf das schwarze Shirt gedruckt ihren Namen: Colette. Um den Hals liegt ein toter Fuchs. Sie reicht Ersatz, einen Scotch-Soda, und verschwindet. „Yo eh, have ‚u seen the grace’s stage.“ Die Worte spielt Moses, der gerade aus San Diego angekommen ist und dem ein goldenes Alien um den Hals blitzt. Wir kreuzen den Confidential Club, früher plüschig roter Warteraum der Vielflieger, jetzt nach Mensch duftender Dunkelraum. Rennen durch eine weiße Röhre hellem Flatliner-Licht entgegen. Wiedersehen mit der Colette. Eine weiße Gitarre um die schmale Hüfte, die Augen zu weiten Kometen verdreht, steht da ein heiliges Ungeheuer. Sie schreit: „I’m a sheep, a black black sheep, my feet are diamonds.“ Fotografen blitzen. Moses öffnet seine Überlebens-Handgelenktasche. Schnappt ein Schwefelholz an den Daumennagel und verbrennt ein kopiertes Madonna-Autogramm.

Frauen, verehrtes Fieber

Überraschend stellt das Leben an manchen Tagen ganz ungeheuerliche Forderungen. Zum Beispiel an einer verstopften Kreuzung in Chelsea seine Verabredung zu entdecken. „Dreh den Kopf nach links, dann einfach geradeaus“, versuche ich einen Wink übers Telefon. Und natürlich läuft, rennt Blake, der gerade auch wegen dieser lebensabgewandten Verträumtheit ein gewaltiger Prunkster ist, sofort gegen das rote Licht über den falschen Zebrastreifen. Zwei Taxis hupen ohne zu bremsen. Sein roter Schal flattert im Wind. Nach einer langen Weile: „Hi there“.

Unter den Arm seines schwarzweiß karierten Jacketts geklemmt eine Stalin-Biografie. Auf der Stirn etwas Seiden-Schweiß. „Aus meinem Bett ist heute Morgen eine alte Frau aufgestanden“, entschuldigt sich der 21-Jährige, graue Höhlen unter den Augen. Sein Körper so zitterdünn, dass ihm fremde Frauen im Central Park ihren Nerz andrängen wollen. Sowieso die Frauen, sie sind Blakes verehrtes Fieber. Den Stalin liest er für Sowjetona. Heroin einer im Gulag lebenden Familie und die Hauptperson des Drehbuches, an dem er in der Nacht schreibt, Marschmusik im Ohr. Jetzt erzählt er hochgestimmt von Sybille Schmitz, ehemals UFA-Star, in der jungen Bundesrepublik von einer kühlen Nervenärztin mit Morphium in den Tod therapiert. Fassbinder hat ihr unter dem Namen Veronika Voss mit seinem besten Film einen Stein gesetzt. Blake, der in Neuseeland geboren wurde, wo seine Eltern den Nachtclub „The Powerhouse“ betrieben, spürt seinem verwunderten Interesse am weiblichen Geschlecht aber auch so nach: „Wusstest du, dass Frauen den Höhepunkt ihrer sexuellen Leistungsfähigkeit mit 32, also 14 Jahre später als Männer, erreichen? Ein ziemlich aufregendes Drama“, stellt er fest. In diesem Moment stehen wir vor der Daniel Reich Gallery, in der wir uns die verhexten Synthesizer der Performancekünstler Delia Gonzales und Gavin Russom anschauen wollen.

Aus der Türe rennt eine Frau in ihren Mann. Es ist Glenn Close, ihr blass-blondes Haar kürzer ans markante Gesicht gelegt, rosa auf den Backen. „Der erste Rolls Royce des Tages“, freut sich Blake. Später, wir sitzen im Pastis, gerade fertig mit dem Dinner, schreckt ihn ein Uhrblick. Er entschuldigt sich, stürzt auf die Straße, einem Taxi in den Weg. In Kürze beginnt Nocturnal Admission, seine wöchentliche Call-in-Show im College-Radio. Das Thema heute: Lähmungssymptome Älterer Frauen.

Beautify America

Winterstern leuchtet über dem Rockefeller Center. Auf der Lower Plaza liegt frischer Schneekristall. Hübsche Mädchen schliddern, geschützt von Pelzmützen und sanft getönten Sonnenbrillen, eine erste Runde. An den Flanken: Ein sanft wogendes Sternenbanner-Meer, Passanten, die versuchen, den Augenblick mit einem Fotoblitz zu fangen.

Auf einer Großbildleinwand Bill Clinton, der sagt: „Nichts an Amerika ist so falsch, dass es nicht von dem, was gut ist an Amerika, geheilt werden kann.“ NBC zeigt bis zum Wahltag ein Best-of großer amerikanischer Demokratiemomente.

Gegen die Bande vor der golden Prometheus-Statue lehnt Hung. Bis auf die weißen Schlittschuhe ganz in Schwarz. Steht da, beobachtet. Nutzt dann eine Lücke, zieht einen rasanten Slalom um die Eisprinzessinnen, libellenhaft seine Bewegungen. DJ Keoki, zeigt er später, als wir vor dem Rock Center Cafe sitzen, auf der Playlist seines iPod. „Geht direkt in Arsch und Taille.“ Der 24-Jährige, der als er elf war mit seiner Familie aus Ho-Chi-Minh-Stadt einwanderte, studiert Design. Seiner Obsession entsprechend.

Hung ist ein Astronaut der Farben. Die Worte galoppieren ihm davon, spricht er von „Beautify America“. Eine Idee, geborgt von Lady Bird Johnson, Ehefrau des 36. Präsidenten. Die Texanerin lies Highways im ganzen Land mit Wildblumen bepflanzen. „Wer das lächerlich findet, verhöhnt die Poesie“, glaubt Hung. „Die mächtigste Gewalt der Stimmung sind die Farben. Schafft man die richtige Abmischung, ist das d-i-e gute Droge.“

In diesem Moment: Stille. Wie auf Kommando. Auf dem ganzen Platz. Selbst die laut um die Schönheit ihrer Puppen streitenden Schwestern stehen gebannt, Mund leicht geöffnet. Die große Leinwand zeigt Jackie Kennedy, ein Ausschnitt aus der White House Tour. „Das ist so kompliziert.“ Ihre Stimme stolpert. Pause. Nach einer langen Weile: „Ich weiß es nicht.“ Die Tonanlage transportiert ihre Unsicherheit perfekt abgemischt. Wir sehen eine liebenswert labile Seele.

Hung beißt auf den Knöchel seines Fingers. „Sie ist Miss Golightlys Sister-in-Crime“. Holly, die in Tiffanys verliebt ist, und Jackie, beide flackernde Sterne, immer an der Kante balancierend. Auch Hung, dieser große Idealist und Prunkster, wandelt so. Um die Rechnungen zu bezahlen, arbeitet er bei Starbucks. 8,90 Dollar pro Stunde plus Tips. McDonald’s bezahlt drei Dollar weniger. Die Müdigkeit raucht er durch eine Pfeife. Und meint mit einem leichten Lächeln: „Schlafen ist doch nur schlechte Schminke.“

In dir das Schlachtfeld

Es ist der Geburtstag der Mutter. Um den Tisch sitzt ein Clan und applaudiert den frisch ausgeblasenen Kerzen. In die folgende Sekunde der Stille sagt eine fremde Stimme deutlich: „Ich möchte Anna sehen.“ Die, erstaunt, fragt: „Wer bist du?“ Er: „Lass uns in die Küche gehen.“ Sie: „Ist das ein Scherz?“ „Nein.“ Sie gehen in die Küche, Anna stellt sich sicher entfernt ihm gegenüber, wiederholt: „Was möchtest du?“

- Dich

- Du möchtest mich, hast du das gerade gesagt?

- Du bist meine Frau. Ich bin Sean.

Es schauen sich in die Augen: Anna, ihr Gesicht schmal und eisschön. Der Mund silbermatt geschminkt, Glanz in den Augen, die Nase ein schmaler Strich, braune Haarsträhnen fallen ihr in die Stirn. Sie ist eine hübsche Frau Mitte dreißig, die an der Upper East Side zu Hause ist. Ihr Mann, Sean, ist vor zehn Jahren beim Joggen gestorben. Gegenüber steht Sean, einen Strich durch die Augenbraue rasiert, roter Hauch an den Backen. Er trägt das Gesicht eines Jungen.

Es ist eine frostig einsame Nacht, im Hals sitzt ein Schmerz, die Stimmung flackert unverständlich. Ich kann das Haus nicht verlassen und sitze auf meinem Bett. Ein Hurra auf die modernen Zeiten, die mich trotzdem zwei Prunksters treffen lassen. Auf dem iBook spannen die Bilder von Birth. Das ist ein großer New-York-Film, der zudem die Ehre hat, erstes großes Werk von Nicole Kidman zu sein. Und sie verdankt es Cameron Bright, zwölf Jahre, aus British Columbia, ein frischer Schiller am Kinderstar-Himmel. Er trägt gerne lila Latex-Anzüge und nennt sein Hobby „Counter-Strike spielen“.

Was zwischen Anna und Sean passiert, ist ein extremer Einbruch in die Psyche eines anderen Menschen. Sicher ist

beiden: „Du bist nicht mein Mann.“ „Du bist meine Frau.“ Doch offenbar ist dieser kleine Junge so sehr Sean, dass beide bald in einer Kutsche durch den Central Park fahren und Anna fragt: „Hast du es schon einmal gemacht?“ Sean antwortet klug: „Du wirst die Erste sein.“ Er zieht in ihr Apartment.

Annas Mutter droht mit der Polizei, aber Anna steigt mit dem Jungen in die Badewanne. Sie küssen sich. Die Fragen sind: Was liebst du an deinem Geliebten, Körper, Geist? Welche Beziehung ist zulässig, eine Frau und ein kleiner Junge? Das Schlachtfeld ist nicht die Gesellschaft, sondern das Bild von dir in dir. Am Schluss steht eine Braut in den Wellen. Ob sie ertrinkt, man weiß es nicht.

Mein Schild, die Kamera

Jonathans Geschichte beginnt im Kino. Da ist er sechs und sein Großvater nimmt ihn in einem Vorort von Houston, Texas mit ins Lichtspielhaus. Sie sehen Charlie und die Schokoladenfabrik und er trägt auf seinem Kassettenrecorder die Soundspur mit nach Hause. Dort malt er, den Ton im Ohr, Szenenbilder auf Papier. So läuft der Film im Kopf weiter und lenkt ab von dem schaurigen Streifen, der um ihn flimmert. Mit elf hat er seine eigene Kamera, sie wurde ihm „dritter Arm, Waffe und Schild“ zugleich, sagt er.

Wir sitzen im Hochhaus-Büro von Wellspring-Productions, draußen flitzt ein wilder Premieren-Lichtblitz über das Empire State Building und Jonathan Caouette gibt gerade sein 431stes Interview. Er war in der ganzen Welt auf Festivals. Im Kino läuft sein erster Film, Tarnation (auf Deutsch: Verdammt). Es ist die Geschichte seines Lebens und die seiner Mutter.

Renee LeBlanc war ein normales Mädchen. Bis sie vom Dach fällt. Sie ist etwas verwirrt, gedämpft, ihre Eltern stimmen unbedarft einem fatalen Fehler zu. Die Elektroschock-Therapie drückt Renees Stimmung radikal, bis heute. Sie kann sich nicht um ihr Kind kümmern. Jonathan wächst bei Pflegeeltern auf, „sehr viel Vernachlässigung und Missbrauch“, sagt er.

Später bei seinen Großeltern ist es besser, doch anders abseitig. Er kleidet sich als Gothic-Girl und geht aus in New-Wave-Clubs, da ist er dreizehn. Zehn Jahre danach zieht er nach New York, arbeitet als Schauspieler, Kellner und Portier eines Juweliers, liebt seinen Freund. Neustart ist eine leichte Blume. Familie eine schwere Wurzel.

Als eine Krankenschwester anruft und von der Lithium-Überdosis seiner Mutter berichtet, bricht er zusammen, die Tränen schwimmen. So fängt Tarnation an. Szenen aus dem Videotagebuch, Interviews mit Familienmitgliedern, Fetzen aus einflussreichen Filmen und Popsongs, schnell geschnitten, erzählen den Trudel der 31 Jahre zuvor. Jonathan hat ihn nicht betäubt, sondern erforscht. Filmkritiker sagen, er habe den Dokumentarfilm neu erfunden. Auch weil der Film 218 Dollar gekostet hat und auf iMovie geschnitten wurde. Tarnation ist das Ergreifendste, was ich seit Harmony Korines Gummo gesehen habe.

Es fällt Jonathan noch immer schwer, darüber zu sprechen. Bald zieht er für ein halbes Jahr zu seiner Mutter nach Texas, er arbeitet an seinem nächsten Film. Danach möchte er mit seinem neunjährigen Sohn, dessen Mutter und seinem Freund in einem großen Haus wohnen.

Von Zoo zu Zoo

New York ist ein großer Zoo. Viele Tiere leben in der Stadt, mein Freund David hat einen Mops, Jamie führt reiche Rottweiler Gassi durch den Central Park und verdient zehn Dollar die Stunde. Zum klassischen Zoo aber fährt die Subway in die Bronx. Es regnet leichte Tropfen. Auf der Straße liegen gefallene Blätter in bunt, Sterne zum Greifen. Ein kleiner Junge, der mit seinen Eltern entgegenkommt, hat schon einen Strauß in der Hand. Ein großer Junge mit dicken Kopfhörern fragt im Vorbeigehen nach einer Zigarette, ist ganz verzückt, als ich ihm die Schachtel hinstrecke und erstaunt mich mit seinem: „Thank you brother“.

Das Mädchen an der Kasse bläst ihren Kaugummi. Dahinter totale Einsamkeit. Kein Mensch, kein Tier. Ich laufe vorbei an geschlossenen Buden, einem Schild hinterher, das verspricht: Jungle World. Ein unübersichtlicher Betonbau, hinter der Tür gönne ich mir eine Ankomm-Minute für die Augen.

Es ist feucht-dunkel, Urwald, na klar. Hinter Glas hängen auf Bäumen, ineinander vergraben, schlafende Tiere, die sehen affenähnlich aus. Einer sitzt allein in seinem bunt ausgemalten Fake-Urwald. Das ist das Masupial und ein Freund, weil das Masupial ganz offensichtlich verwandt ist mit dem Marsupilami, dem Prunkster der Comic-Tiere, und Freunde von Freunden sind Freunde.

Das Masupial schaut starr in die Ferne. Was es sieht? Ratloses Rätsel. Die Verwandtschaft zum gelb-schwarzen Supertrotzkopf legt aber nahe, dass hier gerade einer Kraft sammelt. In irgendeiner Lieblings-Sekunde den Schwanz auf volle acht Meter ausfährt, zu einer Feder spannt und einen gewaltigen Sprung macht. Nach Hause in den palumbianischen Urwald, wo Gattin, süsse Kinder und Findelkind, Bambus futternder Königspanda, im federgepolsterten Nest unter rosa Riesenblume warten auf die Rückkehr des Abenteurers. So war das immer, als ich kleiner war und fest überzeugt, alles wäre so viel besser, wäre mein bester Freund ein kluger Hund oder das Marsupilami. Draußen tickt eine Uhr.

Der Schwan hat die Macht

Das Rätsel beginnt spät in der Nacht. Da sitzt vor unserer Türe neben dem Hinterrad eines geparkten Taxis ein Schwan. Sein Kleid verrät eine Menschenmutter. Hundert rosa Federn kleben auf einem Körper aus brauner Pappe. An der Flanke auch zwei schwarze. Die Brust trägt mit schwarzem Filzstift gemalt den Namen: Firebird. Wie aus einem Märchen gefallen sitzt er da, schön und verloren im leichten Tröpfelregen. Ich adoptiere ihn. Vielleicht freut sich auch unser neuer Hausgenosse Cubs, der kranke Kater der Brooklyn Brauerei.

Das neue Heim scheint dem Feuervogel zu gefallen. Er sitzt in meinem Zimmer auf dem ausgeschlachteten Howardflügel und wiegt den Kopf im warmen Luftstrahl der Heizung. Cubs lässt sich nicht sehen. Einen Tag später hängt unten neben dem Eingang ein Plakat: „RUNAWAY SWAN - Who has seen my beloved firebird?“ Darunter ein Foto, der Schwan zwischen Schaumwolken in einer Badewanne. „Contact me: runawayswan@hotmail.com“. Ist das ein Spiel, Kunst, ein verrückter Schatten in meinem Gehirn?

Ich schreibe eine E-Mail: „Lieber Unbekannter, dein Schwan ist bei mir. Willst du ihn zurück?“ Nichts passiert, tagelang. Schon fast hatte ich den Vogel vergessen, so unauffällig sitzt er da und schaut stillstolz aus dem Fenster. Dann kommt Antwort: „Der Schwan hat die Macht. Er verwandelt Steine in Seelen. Bitte gib ihn mir zurück. Heute Abend, 20 Uhr, North 7th. Street, Dead End“. Die Nachricht ist unterzeichnet mit Coco und Igor.

Ich gehe an den Ort, runter zum East River, den Schwan unterm Arm, in der Tasche den Gasrevolver meiner Mitbewohnerin Rekah. Hinter dem Schild „Dead End“ führt der Weg weiter, am Ende eine Trafostation, ein ausgetretener Weg an der Seite vorbei zu einer schmalen Kaimauer. Zwei Nachtangler sitzen rauchend da und weiter hinten ein halbes dutzend grinsende Gesichter. Alle haben sie einen Feuervogel. Coco und Igor will niemand sein. Keiner kennt den anderen. Shona schenkt Wein in Becher. Adam erzählt griechische Mythologie. Der Junge, der sich Strawberry Jay nennt, klebt seine Worte in schnellen Rap.

So sitzen wir da, in dieser vielleicht letzten windstillen Nacht vor dem ersten Blizzard. Ein Wasserflugzeug landet auf dem East River. Mike schickt seinen Vogel auf große Reise, ewig treibt er in die Ferne. Das Empire State Building leuchtet rot am Kopf, grün an der Spitze und scheint zum Greifen nah. Es bleibt ein schönes Rätsel.

Seit vor zwanzig Jahren das Urwaldhaus in der Bronx gebaut wurde, ist die Hälfte des echten Urwalds verschwunden. 60 Hektar pro Minute. Dann haben meine Schulhefte aus Recycling-Papier wohl doch nicht so nachhaltig geholfen, wie der Hersteller behauptete. Im Dancing Crane Café drehen sich elektrische Plastikweihnachtsbäume. Eine lange Tafel kleiner Jungs weiß genau, was jetzt gutes Laune-Essen ist: Pommes gold.

Liebling: Welt schauen

Glück scheint an diesem Sonntag eine Massenbewegung. Vater und Sohn schlagen Bälle. Jessica-Simpson-Mädchen hüpfen auf hohen Schuhen zum Tee in „Tavern on the Green“. Bernhardiner von der Upper East Side ziehen zwei bekiffte Dogwalker hinter sich her. Auf „The Lake“ rudern irgendwie Vertraute in Nussschalen. Der Central Park ist eine Villa Honigmond. Nur Antoines Gesicht weint tränenlos. Er schaut in den Himmel. Düsenflieger kreuzen da durchs Blau. In einem von denen sitzt sie jetzt.

Antoine spielt an einem Gummiband in seinem Haar. Vorher war er am Flughafen, da hat er zwei schwere Koffer

getragen. Victorias Ticket ist One-Way. Nach Monserrat zur Mutter. „Stell sie dir vor wie das Wunder zu meinem Stevie.“ Er sucht nach besseren Worten. Schnappt dann sein Nokia auf und zeigt Bilder. Ein radikal hübsches Mädchen. Schwarzes T-Shirt, weißer Print: „child of our revolution“. Sie sieht aus wie die junge Aaliyah.

Als die Polizei hinter Antoine rennt, weil er das Fenster im Haus seines Freundes einschlägt, lügt sie für ihn. Zuvor hatte er das Gas am Herd angelassen und den Schlüssel verloren. Ihr Geburtstag ist einen Tag vor seinem. Er ist 18, sie zwei Jahre jünger. Auf der Fahrt mit den Freunden durch die Nacht zurück von Long Island schläft sie auf seinen Beinen. In Las Vegas kauft sie Cowboy-Hüte. „Welt schauen“ ist ihr Liebling. Und jetzt? „Chaos“, bestimmt Antoine seine Stimmung. „In meinem Kopf schlagen sich die Gedanken.“

Es gibt einen Grund, warum Victorias Mutter auf den Rückflug in die Karibik bestand. Der Bruder ihres geschiedenen Mannes hat seinem Sohn, Victorias Cousin, eine Kugel in den Bauch geschossen. Er ist nicht tot, aber der Onkel trinkt sich tot. Es ist eine gefährliche Gegend, die Nord-Bronx, „da wohne ich mit meinen Siblings“. Vier kleine Brüder, zwei kleine Schwestern, die Mutter, zwei Hunde, eine Katze. Alle groß geliebt. Antoine ist keiner, der sich in den Finger schneidet um etwas zu spüren. Er will Tierarzt werden. Arbeitet in den Ferien im Community Center. Aber jetzt ist es nur: Scheiß Schmerz. Das verdammte Fragezeichen. „Glaubst du, ich seh sie wieder?“ So eine Frage, auf die ein schnelles Ja genauso falsch wie keine Antwort ist.

Neben uns auf dem Felsen streckt sich eine Chanel-Lady lang, bräunt ihren dicken Lippenstift. „Wie meine Großmutter“, sagt Antoine, seine Lippen schieben sich zum ersten Mal zu einem Lachen.

Schreiben ist Schweben

Er ist ein scheues Wesen. Immer noch versuche ich ihm nicht direkt in die Augen zu schauen, aus Angst, das könnte verletzen. In seinem Gebaren Gefühle zu lesen ist wie der Versuch, den Anfang eines Regenbogens zu entdecken. Leicht verteilt er Zuneigung nur mit geschenkten Zigaretten. „Möchtest du rauchen?“, ist lange Zeit sein meist gesprochener Satz.

Wir trafen uns zum ersten Mal vor Ewigkeiten, es war meine erste Woche in New York. Zufall setzte uns zusammen in den Kofferraum eines Ford Explorer. Der unbekannte Fahrer raste begeistert vom Spiel mit dem Turbolader zurück von einer zerstörten Party am Flughafen nach Manhattan. Er, neben mir, trug die Maske, die er immer trägt. Der Kopf verhüllt von einer Pelzmütze, die Augen geschützt durch schwarze Gläser in pinker Fassung. Stillstarr schauten wir durch das Heckfenster in die von den Lichtern des Long Island Expressways orange glühende Luft.

Im Stau auf der Brooklyn Bridge legte er kurz seinen Hand um meinen Fußknöchel. Sie war kalt wie Wasser im Winter. Seit dieser Nacht sahen wir uns immer wieder auf der Straße. Oft war er in seltsamer Eile. Dann fragte er nur: „Magst du eine Zigarette“, und verschwand. Manchmal rauchten wir auch, gegen eine Hauswand gelehnt, und beobachteten die Pfeife paffenden Mädchen auf der Bedford Avenue. Jetzt ist er wie verwandelt. Er trägt einen neuen Namen. Der ist mit einem Pin an die Brust geheftet: „Dr. Dodge“.

Er redet leise und schnell: „Das Feuer hat mich geheilt.“ Sein Vermieter hat warm saniert. Das neue Zuhause ist ein Hotel, St. George in Brooklyn Heights: „Lange wollte ich Falsches“, Freunde, ein Film, eine Factory: „Man muss sprechen können, aber nach einer Stunde habe ich schlimme Schmerzen.“

Er lädt mich auf sein Zimmer. Es ist ein gewaltiger Bau aus dem 18. Jahrhundert. Marilyn Monroe hat hier gewohnt, dann kam Crack, heute Studenten. 10.000 Dollar im Jahr, für New York ist das gut. Und jetzt? „Ich schreibe. Schreiben ist Schweben.“

Vor dem Fenster schwarzer Stoff. Licht kommt von einem Computermonitor, über den sich wilde Wellen schieben. Der Trick ist ein Programm von Apple. Es zeichnet, abhängig von der Musik, psychedelische Figuren: „Nico ist wie LSD.“ Es inspiriert ihn beim Schreiben. Science-Fiction über Tiere. Ich glaube, Dr. Dodge wird ein Großer. Vielleicht werden wir Freunde. Nach einer Dreiviertelstunde bin ich weg.

Falsch und wunderschön

Es ist Weihnachten, und schaue ich aus meinem Fenster, dann ist es ein weißes Weihnachten. Auf der Straße liegt eine dicke Schicht Streusalz. Von hier oben sieht das schön aus. Ruth, die über mir wohnt und eine verwitwete Hippie-Frau ist, spielt sehr laut Mariah Carey, All I Want For Christmas.

Antoines Stimme am Telefon schlägt Salti. Er hat sich einen Robosapien zum Geschenk gemacht. „Tanzt wie King Michael, ich bring ihm alles bei.“ Seine vergessliche Großmutter hat die Goldfische verhungern lassen. Hung sprüht seinen Weihnachtsbaum aus Plastik um. „Purpur ist das neue Pink.“ In Kalifornien liegt Billy unter einem Orangenbaum. Er erzählt eine lustige Weihnachtsgeschichte, passiert an einem Heiligabend in den frühen Achtzigern. Billy arbeitete für den Telefonservice im Studio 54. „Brauche meine Nasenmedizin. Schick UPS overnight.“ Die Nachricht war von Truman Capote für Steven Rubell. Auf Hawaii am Secret Beach liegen Jacob und Serge, lachen. Neben uns filmt eine Frau ihren Ehemann. Ihm haben wir vor „ ‚ner Stunde Deep Purple verkauft“. Moses dreht in Tijuana einen Weihnachtsfilm, seine Rolle: Maria, die aber „mehr wie Holly Golightly angelegt ist“. Dr. Dodge trägt einen schwarz-weißen Mantel im Café Schiller und schreibt in sein Notizbuch. Alberto spielt Roulette in Atlantic City. Blake hat sich rosa Kontaktlinsen gekauft. Coco und Igor mailen für den Abend eine Einladung ins „Happy Ending“. In der Post ein Geschenk von Jonathan. Von der Schallplatte singt Nick Drake. Cameron Bright wird in seinem neuen Film von Milla Jovovich beschützt.

Aus Amsterdam eingeflogen ist mein Freund Sebastian, er malt mir ein Bild. Wir schauen das Geschenk des großen Prunksters Charles M. Schulz. A Charlie Brown Christmas von 1965, der erste Film. Lucy beauftragt Charlie, für ihr Krippenspiel einen Baum zu besorgen. Er stellt wie immer die großen guten Fragen: „Worum geht es eigentlich an Weihnachten?“ Linus hat eine kluge Antwort, er zitiert aus der Bibel Lukas 2, 10-11. Übersetzt: Wir feiern die Geburt eines Kindes, das den Menschen Hoffnung gibt. Dann steckt er einen Finger in den Mund und kuschelt an seiner Schmusedecke.

Von oben singt noch immer Mariah Carey, Autorepeat. Ich wünsche mir, dass jeder eine Schmusedecke hat. Weihnachten ist falsch, gefährlich und wunderschön.

Von A nach B und zurück: Das Jahr 2005

Zuerst das Wichtigste: Liebe, Frieden und Freunde. Und jetzt 67 weitere Wünsche, Ideen, Vorsätze und Zeitvertreib für morgen, übermorgen und die restlichen Tage:

Dich neu erfinden - Tag und Nacht vertauschen - Radikal sein - LESEN - Weitere erste Male verbrauchen - Fan sein - Eine Blume retten - Nie ohne Notizbuch unterwegs sein - Ein neues Gesicht entdecken - Aufstehen - Schöne Schmerzen haben - Einen Eisberg schmelzen - Den Körper als Werbefläche nutzen - Besser essen - Eine neue Phobie studieren - Erste(r) und Letzte(r) sein - Regen schauen - Ein Chelsea Girl suchen - Hasch-mich mit dem Schlaf spielen - In einer Kutsche fahren - Keine Angst vor dem schwarzen Mann haben - REISEN - Harmony Korine ein Bier kaufen - Melatonin  erforschen - Gabelstapler fahren - Einem Stern einen Namen geben - Unabhängig von Geld werden - Ein heiliges Ungeheuer sein - Einladungen verschicken - Ein Fest aller mit allen feiern - In einem Bild versinken - Am Morgen danach Mangosaft trinken - Graceland suchen - Ins Exil gehen - BEOBACHTEN - Ein Graffiti malen - Mit einem Atlas träumen - In ein Baumhaus ziehen - Cagney und Lacy schauen - Ehrlich sagen: Du bist der/die Erste - Ein Magazin schreiben - Schwitzen - Studio 25 - www.babyshambles.com - Raven - Die Perspektive wechseln - Regen schauen - Den Teddy zurückholen - Mit den Großeltern beten - Für ein Foto auf den Boden liegen - Deine Schuhe lieben - www.patrickwolf.com - Koffer durch die Stadt tragen - Aus Methusalem-Flaschen trinken - In der Ecke stehen und sich schämen - Einen Namen für unser Jahrzehnt finden - Die Vorsilbe „Post“ streichen - Eine Killerfrucht vernaschen - www.yellowarrow.org - Hinter einem Hund rennen - Vor Tower Records in der Schlange stehen - Freunde im Altersheim haben - Die Augen umfärben - Eine Factory gründen - MEHR LESEN - Eine Prinzessin lieben - Einen Prinzen lieben - Rituale pflegen

Ruhm aus dem Strohhalm

Im Dunkeln brennen Lichter. Nebel dampft sie orange. Sicht von einem Dach in Queens. „Großer Überblick“, lacht Malik. Er trägt einen schmalen Anzug, beißt auf einer Zigarette, rappt zum Text. Die Musik spielt die Königin von New York, Concetta Kirschner, Princess Superstar. „I’m the chick who drops sick flows fill bowls with ill flows“. Jets donnern oben von und nach La Guardia. Unten blutet die Party. Die Feuerwehr heult zum Einsatz. „Of course I’m getting lost ran into Kate Moss“.

Malik wirft einen Ball gegen die Wand. Redet von seiner Arbeit in der Kaviar-Bar. Heute war Harvey Weinstein sein Gast. Malik ist Schauspieler. Harvey wollte Weißwein, war fröhlich getrunken. Malik hat ihm die Karte seiner Mutter in den Mantel gesteckt. Vielleicht ruft er die in Denver an. Vielleicht wird sie ein Star? „Let me ask u the question of the day“. Malik setzt den Lauf einer Pistole an seine Lippen. „Tot wirst du schneller berühmt, richtig?“ Seine Finger umspannen den Abzug. Der Knall klingt wie im Film. „I’m playin but, um next year that advance needs to be bigger“.

Im Dunkeln brennt ein Licht. Die Glotze ist riesig. Es läuft Dick Tracy. Madonna ist im Bild. Sie ist weiß im Gesicht, macht auf Marilyn. Im Sofa liegt Sam, das Von-Dutch-Cap bis zu den Augen gezogen. Rose trägt schwarze Flügel auf dem Rücken. Das Shirt von Clif weiß in rot: „I licked

Chloë

Sevigny“. Darunter hat das kleine Mädchen ihre Hand. Dosen stellen den Tisch voll, Red Bull, Budwiser, Sunkist. Sole trinkt durch einen Strohhalm aus der Absolut-Flasche. Mini mahlt mit Wachsstiften. Gotham-Grace heißt ihr Gemälde. Es ist warm wie in einem Schwimmbad. Alle hängen zwischen den Zeiten. „Ich brauch Licht“, fordert Malik. Zielt mit seinem Spielzeug „Super Gun“ auf Sam, seinen kleinen Bruder.

Der schnippt das Feuerzeug. Es zündet den Kopf an. Sein Atem fährt in die Bong. Chillum weg. Der weiße Rauch saugt sich in einem Zug in die Lunge. Er fällt nach hinten. Sam nimmt ihm das Glas aus der Hand. Sole legt ihren Kopf zwischen seine Beine. Alle hängen zwischen den Zeiten. Vor der Tür steht der Asiat mit dem Essen. Chicken in allen Farben. Pommes. Eine frische Palette Sunkist. „Welcome to my world“, rappt die Princess.

Freier Mann im Moment

Abschied ist Asbest. Andererseits ist es der Abend vor dem Aufbruch und Romantik der schönste Luxus des Tages. An der Bar im „Relish“, meinem liebsten Diner in den letzten vier Monaten: Das Licht ist rot, spiegelt sich im Silber des an den Straßenrand geparkten Trailers. Leere Red Bull ohne Zucker stehen da, Wodka im Glas. Rechts und links Brüder der Flatterstimmung. Sprechen ist schwieriges Silber. Der im Parka hat einen guten Start. Er mag The Ataris, eine Punk-Band, deren Namen über meine Brust gedruckt ist. Wir kriegen neue Gläser. Yehuda ist sein Name, „Judas“ sagt er, zieht seine Lippe hinter die Zähne. Im letzten Jahr haben wir ohne Wissen in der gleichen Berliner Straße gewohnt. Kennen gleiche Gesichter. Er kann lustige David-Geffen-Geschichten erzählen. Über den Venen an seinem Handgelenk frische Stiche.

Ein Totenkopf in Blaugrün. Souvenir aus Haifa, da ist er aufgewachsen und gerade zurück von Freunden und Familie. Wir sind einig, Reisen, Weiterziehen ist schick. Frei wird der Mensch im Moment. „Trotzdem bekomme ich jedes Mal einen Tumor aus Furcht, nicht mehr zurückzukommen.“ Beide haben wir Angst vor dem größten Risiko jeden Tages, dem Sterben. Beide sind wir angekratzt. Yehudas Telefon leuchtet. Der Mann wartet draußen im Wagen.

Ansagen ist Ankommen. Yehuda ist offenbar ein Meister darin. Der Mann gibt uns einen Lift. Yehuda wohnt neben Adam Green, Lorimer Stop. Seine Wohnung ist riesig und fast leer. Der schöne Schmetterling der Liebe, der ihn vor zwei Jahren nach New York gezogen hat, hat ihm jetzt die Wohnung ausgeräumt. Bett, Computer, Stereo, alles weg. Egal, „Beziehungen sterben, Liebe nicht.“ Wir sitzen in der Küche, hören Punk auf Hebräisch. Unter dem Parka trägt Yehuda ein Hemd von den Brooks Brothers, Stoffhose, italienische Schuhe. „Judas lebt zwei Leben.“ Die Rechnungen bezahlen Deals mit Wohnungen. Die Freunde treffen sich an Orten, wo man von Revolution träumt. Er legt Platten für sie auf. „Manchmal kann ich nicht mal das Hemd wechseln.“ Yehuda rollt das Papier lang, schlank um den Tabak. Wir bestaunen ein wie von Jackson Pollock gemaltes Bild an der Wand. „Siehst du, was ich sehe?“ Nach zehn und einer Minute zeichnet sich zwischen die blau-roten Kleckse ein Gesicht. Es könnte das von David Geffen sein.

Kiffen mit Chloë Sevigny

Er war der kaputte Junge in Kids. Als Leo Fitzpatrick 16 war, spielte er Telly, der durch New York skateboardet und heile Mädchen überredet, ihre Jungfräulichkeit gegen etwas Schweiß zu tauschen. Jetzt sitzt er im Restaurant „Terrace Room“ in Park City, vorletzter Tag des Sundance- Filmfestivals, und erzählt: „Kids war meine erste Rolle. Ich war 16 und kam aus einer ziemlich funktionsgestörten Vorortfamilie. Skateboarden war und ist bis heute meine größte Liebe und das reinste Gefühl, das ich empfunden habe. Stehst du auf dem Brett, schaust du nicht von einem Punkt auf die Welt. Du bewegst dich konstant durch sie hindurch. Du rollst, du gleitest. Isoliert vom Wahnsinn um dich herum, der dann nur noch wie ein Film wirkt. Das hat mich gerettet.

Nach Kids habe ich gemerkt, wie ratlos die Realität ist oder wie mächtig gute Filme sind. Viele wollten dem Schauspieler, der Telly gespielt und Chloë Sevigny mit HIV infiziert hat, ins Gesicht schlagen. Ein paar Jungs haben das auch gemacht.

Ich bin für eine Weile nach London und habe fünf Jahre in kaum einem Film mitgespielt. Chloë sehe ich immer mal wieder. Sie hat eine schöne Wohnung in Williamsburg. Man darf bei ihr nicht rauchen, aber kiffen in der Küche.

Mit 23 schlief ich immer noch in Squats und auf Sofas von Freunden. Ich war mir sicher, das Reisen hatte mich zu einer besseren Person gemacht, und wollte meinem Talent und dem Schauspielen noch eine Chance geben. Ein Agent hat mich dann in diese Fernsehserie gebracht. Weißt du, was meine Rolle war? Ein Junkie mit Aids.

Statt immer das gleiche Gesicht zu geben, arbeite ich jetzt lieber in zwei Berufen und lege auf Partys Platten auf. Letztes Jahr habe ich ein paar Monate in Kreuzberg gelebt, das spart auch Geld. Ich bin 27 und fange langsam an, mich in meiner Haut wohl zu fühlen. In Hal Hartleys neuem Sciencefiction The Girl from Monday bin ich der Anführer einer Revolutionsbewegung. Der Film ist sehr klug und wird auf DVD veröffentlicht.

Ich will nicht einfach für Geld spielen. Ich will stolz sein auf das, was ich tue. Low-Budget-Filme zu drehen, das kommt der Bewegung des Skateboardens ziemlich nahe. Lieber springe ich mal als Beleuchter ein, als drei Tage in meinem Trailer auf die nächste Szene zu warten. Wenn’s eng wird, kann ich immer noch den spielen, der Aids hat.“

Warm im wahren Schmerz

Schleier auf die Sinne. Das Mädchen sieht aus wie die junge Tatum O’Neal. Im Haar ein Gänseblümchen. Ihre Augen atemloses Flackern. Aus den heruntergezogenen Kopfhörern singt ein Engel: „It’s intriguing“.

Vor uns das große Bild von Los Angeles. „Now I’m sliding“. Rechts funkelt ein Fleck Pazifik. „Die Stimme gehört Dot Allison“, sagt das Mädchen, klar und großartig. Wir sprechen. „You’re in heaven“. Helikopter huschen durch den Himmel. Links die Türme von Downtown. Autoschlange auf dem Sunset.

„So young yet“. Die Luft glitzert. „The summer is the thirst“. Über allem leuchtet der Smog in schrecklich schönen Farben. Wir sitzen im Staub des Runyon Canyons, Hollywood Hills.

Tatum heißt Trish. Das Sprechen verdanken wir unseren Hunden Bascha und Buddy - und dem Knochen, den Trish an einem Lederband um den Hals hängt. Bascha ist mein (geliehener) Labrador-Retriver-Pit Bull. Buddy ihr Baby-Rottweiler. Sie schnüffeln, schlecken sich zwischen den Beinen. In einer Welt ohne Menschen wäre es gut, ein Hund zu sein. Der Knochen war in einem Waschbär, bevor der von einem Auto totgefahren wurde. Es ist ein Penisknochen. Er bringt Glück. Er ist ein Geschenk des Schriftstellers Jeremiah Terminator LeRoy, der von allen nur J. T. genannt wird. J. T. jedenfalls ist einer der Prunkster, von denen ich schon lange erzählen möchte.

Wir trafen uns letztes Jahr im New Yorker Tribeca Grand Hotel. J. T. hielt sich an einer Flasche Jack Daniels fest, das Gesicht wie immer von dunklen Gläsern und einer tief sitzenden blonden Perücke vor aufdringlichen Blicken geschützt. Sein schmaler Körper erschüttert zitternd. Die Party war zu seinen Ehren. Lou Reed war da und hunderte von hübschen Mädchen.

Die New York Times hatte ihn an diesem Tag auf zwei Seiten porträtiert. LeRoy ist der Autor der sehr guten Romane Sarah und Jeremiah. Er hat das Drehbuch zu Gus Van Sants High-School-Drama Elephant geschrieben. Gerade ist eine neue Geschichte erschienen, Harolds End. Darin erzählt er von einem Straßenjungen in San Francisco und dessen geliebtem Haustier, einer Schnecke. Seine schnellen Sätze schaffen das Größte: ein Gefühl der Wärme in wahrem Schmerz.

Mit 24 Jahren ist J. T. ein Star. Madonna und Courtney Love schreiben ihm Fanbriefe. Die Szene-Magazine ID und Index drucken seine Interviews. Mit fünfzehn war sein Held das Heroin. Auf Truck-Stop-Parkplätzen in West Virginia tauschte er, als Mädchen verkleidet, seinen Körper gegen Dollarscheine. „Glücklich?“, fragte ich ihn. „Bald werde ich bewusstlos sein.“ Dann küsste ihn Nancy Sinatra feucht auf die Wange. Menschen wie J. T. ist das Beste zu wünschen.

Hab dich! Versteh dich!

In allen Bildern ein fremder Planet, so ist Los Angeles. Da ist dieses kleine Mädchen, fünf vielleicht, strohblonde Haare. Einzige Farbe im schneeweißen Gesicht ist das Tiefrot der Lippen. In der Hand Gin Tonic mit rosa Röhrchen, geborgt von der Mutter (die dreht sich gerade um ein älteres Ehepaar in weißen Donatella-Anzügen). Die vernachlässigte Ballerina wechselt ihre blau-silber-metallic glänzende Sonnenbrille gegen ein Modell mit 3-D-Gläsern und starrt gebannt auf die gewaltige Videowand, über die psychedelische Farben laufen.

„Verloren geborgen in sich, sie versteht das perfekt“, sagt Francis, mein Begleiter, der für „L. A. Models“ die Dollars eintreibt. Im Grund sind wir bei einer Ausstellungseröffnung. „Visual Music“ im Atrium des Museums für zeitgenössische Kunst. Ein japanischer DJ komponiert ambient klingende Musik. Tausende drehen sich umeinander, sprechen miteinander, küssen sich. Eine Bar in der Mitte schenkt Feuerwasser aus. Hinter der Bühne ragen die Hochhäuser von Downtown in den Himmel. Über allem leuchten Sterne am nie dunkel werdenden Himmel. Tatsächlich stehen wir auf einer eleganten Schaubühne. Alle sind Meister in der Kunst der Kommunikation, kennen die Regeln der Anziehungskräfte. Das populärste Wort: Gotcha. Heißt: Hab dich, versteh dich.

Jedes Treffen beginnt mit Euphorie. Küssen. Gleitet in freundliche, interessante Sätze. Ist schon vorbei mit einer klugen Entschuldigung - in seiner Perfektion faszinierend. In den Untergrund gebaut sind riesige weiße Museumsräume, gefüllt mit Videokunst. Weitere tausende hier, im „Dandy Darkroom“. Francis und ich stehen vor „SWELL“. Alle Farben gleiten in Flecken. Es ist, als explodiere das Universum. Die Sinne spielen Synästhesie. Schweren Damen in Gold geht es ähnlich. Eine schreit in ihr Blackberry, den allgegenwärtigen Hummer unter den Mobiltelefonen: „Es ist wie auf Meskalin!“

„Texas“, meint Francis, der übrigens den zartesten Iro dieses Planeten auf dem Kopf trägt. Seit letzter Woche gekürzt auf zweieinhalb Zentimeter. „Meine Großmutter ist gestorben.“

Er trägt die Frisur Mohawk, seit er ein kleiner Junge ist, in immer neuen Variationen. Tim aus Tim und Struppi war sein Vorbild: „Reporter und Weltreisender“. Haare spiegeln die Seele. Oben liegt das Ballerina-Mädchen unter einem Stehtisch. Über den Augen den Schutz ihrer Sonnenbrille.

Tanzen auf der Flanke

Rasender Regen seit Tagen, Thunderstorm. In den Hills rutschen hübsche Häuser. Auf der Straße ist ein Porsche Cayenne gegen eine Palme geknallt. Rettungslichter flackern rot. Ein Helikopter hält sich mühsam im Sturm. Blitze leuchten in den nie dunklen Himmel über Los Angeles. Donner vibriert die Glastüre zum Balkon. Erst jetzt deutlich: Meine gemietete Wohnung ist weiß in allem, Boden, Decke, Wände, kaum Möbel, ein Fernseher. VH1 verschwindet, das Bild wird schwarz. Ein roter Streifen warnt vor der Flut: „Schalten Sie um zu Ihrer lokalen Station.“

Im Nachbar-Appartement drehen sie einen „Adult“-Film. Die Damen auf dem Gang haben Brüste groß wie Ballone. Durch die Klimaanlage duftet es nach frisch gerauchtem Marihuana. Bereiteter Boden für Stimmungswanken. Aber da ist Besuch. Aus Reno rangeflogen: Mein Freund Jake, mit dem ich vor eineinhalb Jahren beim Burning Man Festival im Thunderdome hing. 21 jetzt, die Haare nun lang gewachsen, nach wie vor strahlend starke Sinndroge.

Jake spricht seine eigene Sprache, die Wörter gedoppelt und gedehnt. Den Job im Casino hat er gekündigt. Baut jetzt Häuser mit seinem Vater, kurz: JR. Bald wird er Schauspieler. Sonst, wie war, geht es? „Tanzen auf der Flanke.“ Wir hören Falco und zünden eine Kerze für Hunter S. Thompson an. Schauen ein bisschen in die Doku Breakfast with Hunter. Im Bild ein älterer, aufgedrehten Mann im Hawai-Hemd, der vom Establishment der Literatur als Held devot durchs Land gefeiert wird. Er flucht mit rauem Rachen. Feuert mit einem Löscher weißen Schaum auf die Sekretärin der Rolling Stone-Chefredaktion. Das Selbst verborgen hinter seiner pinken Sonnenbrille. Am Set zu Fear and Loathing in Las Vegas behandelt ihn der Regisseur wie einen schlechten Statisten. Eine Wahrheit über gute Texte, von Hunter grandios gepflegt: Der letzte Satz wie der erste ein Knaller. Und, im Text wie Leben, mächtiger und wahrer als alles andere.

Jake feuert die Laser-Gun. „Fire“. Wir bestellen einen Fahrer. Der hört Elvis Costello. Gleiten im schwarzen Lincoln runter zum Santa Monica Boulevard. Im Parlour Club rotes Licht. Dichtes Drängen, alle in feiner Kleidung, Hut, Spitze, Goldknauf-Gehstock. Vaginal Davis lädt zum „Weimar Berlin“. Tatsächlich sehr Cabaret, mehr als in Berlin je gesehen. An die Wand gestrahlt rhythmische Paare aus den Dreißigern in Schwarz und Weiß. Dann in Farbe Popeye. Mädchen tanzen in Bananen-Kostümen. Wir hüpfen. Happy Endings für heute.

Fuck you right back

Ein schöner Tag. Die paar Wolken pastellfarben in den Himmel gemalt. Wir rauschen über den Sunset Boulevard, raus aus der Hyperwelt Hollywood, runter zum Meer. Aus den Boxen spielt Bauhaus, She’s in Parties. Letzte Woche, als ich noch selbst fuhr, dachte ich, Los Angeles sei Gleiten. Konstante 35 Meilen, etwa 55 Kilometer pro Stunde. Aber jetzt heißt mein Fahrer Jake und seine Regeln sind: „Go with the flow“. Er gibt unserem geliehenen, goldenen BMW viel Gas an der Ampel, schlängelt über die Spuren, füllt Lücken, sanft, wenn Cops cruisen. Entspannt mit einem Wodka Cranberry im Blut. Sehr wie in Stuttgart. Auch die Kurven stimmen. Ab der Hälfte von Beverly Hills ist der Sunset über Hügel eine hübsche Achterbahn. Das ist unser Weg.

Dann stehen wir in Venice auf dem Ocean Front Walk. Promenade unter Palmen, Kinder auf Skateboards, Basketball-Gangs, der Pazifik ein großes Glitzern. Vor allem: Meine Nike Terminator’s stehen mitten in einem bunten Streifen Hippie-Staat. Künstler verkaufen ihre Werke, zahnlose Damen schämen sich ihres Joints nicht, schwarze Jungen haben Sonnenblumen im Haar. Gern vergessen, das alles wurde hier erfunden. Im Hintergrund hoch gestellt eine Wand. Weiß auf Rot steht: „Stadt der Engel“. Was mir bisher am besten gefällt an diesem Land: Amerika ist das Material Girl der Welt. Jake, der in der sechsten Klasse Highschool zum am besten gekleideten Schüler gewählt wurde und allein schon deshalb ein prima Prunkster ist, zieht zu „Aardvarks“, einem Atlantis der neuen Kleider. Wir probieren, kaufen, packen ein, weiße Engelsflügel, riesige Plateauschuhe in schwarz-weißen Streifen, Sonnenbrillen in allen Stimmungs-Farben, japanische Roboter und rosa Armbänder zu Gunsten der Brustkrebs-Forschung. Die Kinks spielen Set me Free. Draußen fällt die Sonne ins Meer.

Draußen kommt auch einer, der seinen Körper in einem Kleid aus T-Shirt versteckt, nicht mit den Flügeln klar. Für einen Moment ist die Welt böse, aber es interessiert mich nicht wirklich und ich denke: aus den Augen, aus dem Sinn. Aber Jake schreit: „Fuck you right back“ und fängt an mit dem Typen Worte hin und her zu werfen. Und das ist vielleicht sehr amerikanisch oder einfach klug. Später sitzen wir am Strand in der ersten Reihe, schauen in die rote Sonne. Taylor kann elegant schlanke Joints bauen und Steine über das Wasser springen lassen. Um die Santa Monica Mountains liegt blauer Nebel. Es ist gut.

Wo Bush stolz auf uns ist

Auf seinem Autos klebt die gelbe Schleife, steht für „Support our Troops“. Es ist früher Abend. Wir sitzen oben im Runyon Canyon und schauen über Los Angeles. Justin ist sehr klein und schmal, sein Kopf verschwindet fast unter dem blauen “Van Dutch“-Cap. Die Stadt dämmert in dickem Smog. Seine Freunde nennen ihn JR, er ist zwanzig, die Worte stürzen ihm aus dem Mund: “Es gibt einen Senior, meinen Vater, aber der ist ein Verräter. Ich bin in Manila aufgewachsen, das ist auf den Philippinen. Auch eine Stadt im ständigen Smog. Als ich fünfzehn war, sind wir nach Los Angeles umgezogen. Mein Senior hat sich sofort eine neue Frau gesucht. Ich wurde stumm, das Leben in dieser Stadt war ein totaler Schock für mich. Die Highschool Horror. Ich konnte kein Wort Englisch. Ein halbes Jahr sprach ich kein Wort, auch nicht mit meiner Mutter oder meinem Bruder. Aber ich hab’s geschafft, es wurde gut.

An meinem 18. Geburtstag dachte ich, jetzt bist du da. Meine Noten waren prima, ich hatte eine eigene Wohnung im San Fernando Valley zusammen mit meinem Freund Jason. Eine sehr talentierte, kluge Person, seine Eltern wohlhabend, weiß. Nachts habe ich gearbeitet, als Tänzer auf der „Tigerheat“-Party. Die Blicke auf deinen Körper fühlen sich gut an, wie Küsse. An Weihnachten bin ich aus dem Irak zurückgekommen. Eigentlich wollte ich zur Air Force, aber meine Augen waren zu schlecht. Zum Glück habe ich es in die Logistik-Einheit geschafft. Da ist das Sterben etwas unwahrscheinlicher. Meinem besten Freund hat eine Bombe den Bauch aufgerissen, in der ersten Woche. Es bringt nichts, darüber zu sprechen, du kannst es sowieso nicht verstehen.

Seit zwei Jahren bin ich bei der Truppe, drei muss ich noch. Warum, fragst du? Es gibt nur einen Grund, für alle: Geld. Auf einmal war alles weg. Aber ich weiß, dass ich es wieder schaffen kann. Zur Wahl stand: Armee oder die Straße. Jason hat sich neu verliebt, in Heroin. Er hat mein Geld mitgenommen, sehr viel Geld. Keine Ahnung, wo er ist, ob er noch lebt.

Die meisten meiner Kollegen sind Schwarze, Latinos, Asiaten, alles Kids. Rasse spielt eine Rolle, das habe ich in Amerika gelernt. Auf dem Santa Monica Boulevard schütteln die Türsteher den Kopf, wenn du schmale Augen hast. In Bagdad ist Bush stolz auf uns.

Die Angst vor dem Tod ist raus aus meinem Körper, ich lebe jeden Tag wie den letzten. Hast du mal eine Zigarette? Gerade wohne ich auf einem Stützpunkt in Nevada, zusammen mit meiner Frau. Ja, ich bin verheiratet, seit letztem Jahr. Es ist nur zum Schein. Sie braucht die Green Card. Am Wochenende fahren wir meistens nach Los Angeles. Sie kauft gerade mit einer Freundin ein. Wir haben in Las Vegas geheiratet, in der gleichen Kapelle wie Britney Spears. Sie trug ein rotes Kleid, ich meine Uniform. Es ging schnell. Frag nicht nach der Hochzeitsnacht. Wir waren in einem Club. Es war schön, in Bagdad ihre Briefe zu lesen. Sie kocht für mich.

Scheiße, ich hab schreckliche Angst zurück zu müssen. Nein, du kannst mich natürlich nicht fotografieren.“

Hallo, hört ihr mich?

Gute Städte machen Schmerzen. So kann Los Angeles sein. Sich selbst verlieren ist die einfache Übung. Es hilft: Red Bull zuckerfrei. Die Dose treibt mich aus der Wohnung mit den weißen Wänden, bevor die Frösche von der Decke stürzen. Draußen treibt der fast vergessene Falco in die Ohren, ein kluger Prunkster: „Hallo Deutschland, hört ihr mich?“ Laufe den Sunset entlang. „Maschine brennt. Wo ist mein Fallschirm nur?“

An der Kreuzung Highland leuchtet ein Turm. Amoeba Music, der beste Plattenladen der westlichen Welt. Alles, in endlosen Reihen. Stile, Formate, neu und gebraucht. Eine großartige Masse Material. Der Deal: Kaufen, auf iTunes laden, innerhalb einer Woche zurückbringen und mit den 75 Prozent Retour neue Klänge aussuchen. Im Korb und fein: Gary Numan, The Kinks, Patrick Wolf, Violent Femmes, The Donnas, Daft Punk. Der Laden ist besser als jede Universität, schluckt Stunden. Merkwürdig: Nur unser Jahrzehnt hat noch keinen Namen und keine Musikbewegung, zum ersten Mal seit hundert Jahren.

In meiner Hose klingelt My Way. Am Telefon James St. James, Einladung auf seine Gästeliste. Ja? Klar. Club Synthetic spielt NuWave, Indie, Punk, Elektro. Feiert Clubkids, Supermodels, Trannies und Freaks. Riesige Halle, schon gut gepackt. Alle sind extrem dressed up, dekoriert mit Gloria-Material. Auf gewaltigen Schirmen Fashion TV. Ins Bild starrt Anna Wintour. Unten klatschen ihr in echt ein paar Jungs Käsekuchen ins Gesicht. Sie ist ein gutes Double mit Nehmerqualität. Auf der Bühne gibt Cazwell den MC. Der New Yorker, polnische Eltern, trägt nicht viel, Shorts mit „Capri“-Print, Pelz über den Schultern, Stiefel. Seine Zeilen erzählen: „I buy my socks on 14th. Street.“ Bald kommt das erste Soloalbum, es wird groß. Der Schlacks zertrümmert alle Regeln des HipHop. Sein Sidekick jetzt: Eine Lady, die Lolo Ferraris Schwester sein könnte. Trägt nichts außer einer Schnur, die alle delikaten Punkte streift. Sie heißt Amanda Lepore, in ihrem Körper ist ein Kerl beerdigt. Sie singt: „Champagne“, endlos. Sie wird totgeblitzt. Es geht in Ordnung. „I love it.“ Sagt, immer wollte sie sein, was sie jetzt ist: „Ein lebendiges Kunstwerk“. Bis dahin waren es viele Schmerzen.

Fetisch, Rauchen und Sex

Ein anderer Abend bei Amoeba-Music. Auf dem Boden sortiert Leon Alben. Will unbedingt, dass ich etwas von den Beach Boys mitnehme. Weil: „Niemand hat die Farben von Kalifornien besser gemalt.“ Leon ist zwanzig und selbst ziemlich bunt, sein weißes Hemd voll mit Klecksen, rot, grün, gelb. Er trägt Jeans, selbstverständlich zerrissen an den Stellen, und schwarze Kopfhörer um den Hals. Die Augen leuchten groß wie Teller, sein Kiefer kaut Stress. Der junge Mann will was erzählen. Aber erst kaufen wir.

Der Supermarkt heißt Whole Foods, grünes Essen. Die Auswahl wie allerorten endlos. Peroni ist gut. Créme Brulée auch. Ein Taxi fährt uns runter an den Handcock-Park. Wir sitzen auf dem Dach einer Apartmentburg, das Jacuzzi blubbert. Orange reflektiert das Licht der Stadt in den dunstigen Himmel. Hören Musik aus dem iBook. Macy Playground spielt Sex and Candy.

„Ist das die Hölle?“, fragt, sagt Leon und zieht gierig am Filter seiner Newport zwischen den Lippen. „Aus L. A. raus gibt es keinen Weg. Der Himmel hängt so tief und dicht, wie eine Decke. Wie auch immer, klar kommen oder springen.“ Was Leon zu einem Helden macht, unter anderem, ist sein großer Musikgeschmack. Velvet Underground, Bob Dylan, Pink Floyd und die Beach Boys sind seine Ersten. Sein Apartment verlässt er kaum. „Nur um schnell Geld zu verdienen. Draußen ist für mich ein permanentes Scary Movie.“ Sonst hört er Musik. Die Klänge kämpfen ihn durch den Tag. Er könnte ein guter Musikproduzent werden.

Es ist Leons erstes Jahr Los Angeles. Aufgewachsen ist er eine Stunde nördlich, in einer kleinen Stadt. „Meine Eltern bauen da gerade ein Zwei-Millionen-Dollar-Haus in einem bewachten Viertel. Sie kommen mit meinem Lebensstil nicht klar. Ich meine, heterosexuell ist so 90er. Aber die beiden sind Mormonen, und mich zu vergessen, schmerzt sie offenbar weniger.“ Elliot Smith singt Miss Misery. Leon ist am Telefon, diskutiert über Musik. Spricht aber mit einem Klienten. „Du weißt jetzt, was ich arbeite? Nein, Rent-Boys arbeiten auf der Straße, ich bin ein Profi.“ Der Kunde aus Little Rock möchte ihn für das Wochenende einfliegen. „Hat mich in einem Film gesehen. Fetisch, Rauchen und Sex. Du sitzt da, rauchst, zwischen deinen Beinen ein Typ, manchmal auch Frauen. Im Winter ist es schrecklich kalt, gedreht wird in Garagen. Übler als Burger King ist es nicht“. Leons Lieblingswort heißt „Perspicacity“. Klingt schön und bedeutet: Scharfsinn.

Krieg war und ist falsch

Eine Turbo-Prop fliegt rauf nach Reno, Nevada. Lichterlache in der Wüste, weit gestreut. Nachts am besten. „Dann sieht man den ganzen Müll nicht“, sagt Jake und schiebt einen lahmen Subaru mit der Lichthupe von der Spur. Breite Blöcke ragen aus der Horizontlinie, blinken in den Himmel, die Casinos. Grüne Streifen wandern über das Circus Circus, das Atlantis flackert pink. Die Stadt leuchtet wie nervöses Weihnachten.

Durch den Tag malen wir Menschen wie hübsche Monster an die weißen Wände in Jakes Haus. Marianne Faithfull singt. Im Fernsehbild die Jetstones. Bald haben wir Farbe zwischen den Augen. Am Abend fiebert Jake seinen Pontiac über den Freeway - hoch zu Wal-Mart. Da ist gerade mit der Arbeit fertig: Emelie, Jakes Freundin, 17, Lolli in der Backe. Sagt: „Ich bin dumm gearbeitet“, und dreht an einer rötlichen Locke. Vertragliche Freundlichkeit ist nicht so schlimm, fies aber: Unter dem gewaltigen Strahler in der Einkaufshalle gibt es keinen Handy-Empfang. „I love it.“ Das war ironisch. „Wal-Mart isoliert dich von der Welt“, sagt Emelie, weiß aber, dass sie die Bezahlung bald in die weite Welt befördert. Im Sommer nach Irland, wo Vorfahren gelebt haben. Es scheint ihr wichtig.

Emelie ist Jakes Komplizin für eine Konstante der Nacht. „Zum Hilton“, die Losung. Weit glänzen die messingfarbenen Fenster in die Nacht. Vor dem Hauptgebäude eine bunkerartige Betonwanne, darin Spiel ohne Stopp, Pferderennen. Wir kreisen langsam über den menschenverlassenen Parkplatz. Ziemlich genau die Mitte von Nirgendwo. Aus den Boxen spielen Visitor, gebastelt von Freund Luomo. Dann tritt Emelie auf die Bremse, Jake springt aus der Türe, an den Rücken eines Dodge Dakota 4 x 4. Kommt zurück mit zwei unterarmgroßen Schleifen, „Support our Troups“ in Gelb und Khaki, magnetisch festgeheftet.

Jake, warum machst du das? „Ärger und Trotz. Es ist wie eine Seuche, alle haben diese Schleifen auf dem Auto.

Wahrscheinlich, weil sie an der Supermarktkasse neben den Kaugummis liegen, Made in China, für drei Dollar. Niemand merkt, wie ein Symbol, das für den Kampf gegen Aids stand, vom Militär geklaut wurde. Außerdem war und ist der Krieg falsch. In Wahrheit kleben sich die Leute den Stolz wegen dem Nachbarn auf den Wagen. Den Soldaten, die im Irak sterben, aber hier noch kein Bier kaufen dürfen, hilft das kein bisschen“.

Zu Hause klackt Jake die Beute an seinen Kühlschrank. Bald ist er voll.

Spiel und Brote

Aus und raus. Die Sonne am frühen Morgen spielt ihren Trick, spiegelt Hollywood herrlich hübsch. An der Ampel hält Joe, der Taxifahrer, eine Quick-Snap über die Schulter. Will plaudern, sammelt Gesichter. Kein Karma, höre auf die Ohren. „Fragt nicht nach neuen alten Werten. Seht weißes Licht, seht nur Gefühl. Das Tun kommt aus dem Sein allein. Allein aus Dimensionen, die Illusionen und Sensationen lohnen“, singt, sagt Falco. Der hat zwei Wochen an vier Sätzen geschrieben. Dann LAX. Am Schalter eine dicke schwarze Mami. Sie sagt nein und ich frage was. Das Gepäck ist zu schwer. Sie schreit, ich schreie, verlange nach dem Supervisor, aber das ist sie. Wie immer, mit Geld ist alles lösbar, leicht. Sie macht Ritsch-Ratsch und ich fahre mit dem Taxi ein paar hundert Meter ins „Encounter“ und trinke ein Brot.

An Bord der Delta, die Wolken fliegen. Links neben mir: eine russische Pam Grier, Stella-Sonnenschutz vor den Augen. Sie scannt einen Stapel Visitenkarten in ihren Palm. Trinkt den dritten Jackie O. Schleudert, als ihr der nächste verweigert wird, an den Steward: „Smart is shit“. Daneben ein schmaler Schlacks im Fiorucci-Pullover, liest Dennis Cooper. Schreibt Sätze auf eine Karte. „Schwimm nicht nach fremden Seelen“. Ich denke, alles ist sehr Spiel und Brote. Manchmal mag ich es. Unten der Grand Canyon. Die Maschine krault durch ein paar Luftkrater. Anschnallen. Die Babys schreien schon. Falco singt: „Der letzte Engel rennt“. Dann geht es nur noch nach unten. Wir fallen, weiter. Becher, Schminke, Brillen fliegen durch die Luft.

Stunden später Stopp in New York. Wenn’s vorbei ist, ist’s vorbei, dann kommt der Ruhm. Im nächsten Leben vielleicht lieber ein Oktopus. Mein Bauch bollert noch betrunken. Tatsächlich sitze ich und schaue Mommie Dearest auf dem iBook. Wahr ist, Kommunikation ist krass kaputt, Schreiben das lautere Sprechen. Die Welt ist nicht Prunkster-Land und ist es doch.

Es ist 2005, und das Jahrzehnt hat immer noch keinen Namen. Vielleicht gut: „Die Teens“. Ganz Berlin wartet auf den Abramovich-Anruf. Über dem Palast der Republik steht „ZWEIFEL“. Aufschwung, Anarchie. Weiter, g’scheiter.