Sabrina Setlur

von 
Interview
zuerst erschienen im November/Dezember 2003 in Alert Nr. 13

Die Frankfurter Rapperin Sabrina Setlur sitzt mit ihrer Schwester Yvonne in einer großen Suite des Hamburger Atlantic Hotels. Sie raucht Zigaretten und trinkt schwarzen Kaffee. „Das finde ich ja total geil, dass wir uns jetzt wieder sehen“, ruft Setlur aus, die sich noch „Schwester S“ nannte, als wir uns das letzte Mal getroffen haben. Damals, 1995, saß ihr Produzent Thomas Hofmann neben ihr und beantwortete jede zweite Frage, während er sich ansonsten auf eine Partie Backgammon konzentrierte, die er während des Interviews mit einem Kumpel spielte. Heute, an einem Spätherbstnachmittag redet Setlur selbst. Sie sitzt im Schneidersitz auf einem riesigen Sofa, ständig klingelt das Zimmertelefon, Yvonne ist sichtlich irritiert: „Das geht schon den ganzen Tag so, ich weiß auch nicht…?!“

In den vergangenen acht Jahren hat die Halbinderin mehr als zwei Millionen Tonträger verkauft und ist damit die erfolgreichste deutschsprachige Rapperin. Ihre Affäre mit Boris Becker katapultierte die heute 29jährige 2001 über Nacht auf die Titelseiten der Boulevardpresse. Einladungen in Talkshows und zuletzt ihre Berufung als Jurorin der Casting-Show »Popstars« sicherten Setlur, die ‚94 als junges Mädchen beim Rödelheim Hartreim Projekt erstmals von sich Reden machte, zuletzt eine breite Medienpräsenz. Anlass des Gesprächs ist die Veröffentlichung des vierten Albums von Sabrina Setlur, es trägt den Titel »sabs«.

Erinnern Sie sich noch, wie alles anfing? Es war Ende 1994, Sie wohnten in Frankfurt-Rödelheim, nannten sich „Schwester S“ und Freunde von Ihnen waren Popstars …

Nein, nein, nein. Hey, das ist jetzt harter Tobak, das liegt ja fast zehn Jahre zurück. Das passiert echt selten, dass mich einer danach fragt. Der Song hieß »Wenn es nicht hart ist« und stammte vom Rödelheim Hartreim Projekt. Das finde ich ja mega! Das ist ja wirklich supergeil! Ich war damals ganz normal in der Schule und Thomas Hofmann hat seinerzeit mit Moses Pelham zusammengearbeitet und das Projekt gemacht. Das waren Freunde von mir, und weil das Freunde waren, habe ich das von ganz nah beobachten können. Ich fand das einfach toll, dass ich Freunde hatte, die Musik machen. Ich kannte Moses damals schon seit fünf Jahren. Und ich dachte als junges Mädchen damals nur: „Boah! Krass! Wie der rappt“ Ich selber habe damals sehr viel Musik gehört und habe auch viel getanzt. Ich wollte das gar nicht professionell machen. Ich hatte einfach Freunde, die Musik gemacht haben. Und ich genoss deren Gesellschaft. Ein Song hat mein Leben verändert. Der hieß »Ain’t Nothing But A G-Thing« und war von Dr. Dre - das war mein Lieblingslied. Das habe ich 150 Mal gehört. Irgendwann hatte ich angefangen, das Eins zu Eins nachzurappen. Und der Thomas hat das einmal gehört und hat dem Moses das weitererzählt. Und dann kam Moses eines Tages bei mir an und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, eine halbe Strophe auf „Wenn es nicht hart ist (ist es nicht das Projekt)“ zu rappen.

Das war die perfekte Produkteinführung - Sie im Schlepptau der damals erfolgreichen RHP, Sie pöbelten als Newcomer über die deutsche HipHop-Szene, und prompt wurde aus Ihnen ein Star. Sie haben damals wie folgt gerappt: „Und jetzt willst du dich wundern / Warum S. dir in die Fresse haut? …“

„… Wir geh’n jetzt auf die Reise / Nur du und ich / Auf die rödelheimer Art und Weise / Dann gehen wir schwimmen / Dort, wo uns keiner kennt, das heißt: / Nur du und deine Schuhe aus Zement.“ Ja, so war das. So hat das alles begonnen. Moses kam bei mir an und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte zu rappen, und ich dachte: Du willst mich verarschen. Und ich sagte: „Ja klar…, ne!“

So hieß auch Ihre erste Single »Ja klar«. Die ging sofort auf Nummer Eins.

Sabrina Setlur: So habe ich ja auch immer geredet: „Ja, klar…!« Egal, was wer gesagt hat, ich: „Ja, klar…!“ Aber er gab mir die Strophe. Ich kann mich erinnern, als wäre es gestern. Ich nahm die Strophe und ging in mein Zimmer. Ich habe diese Strophe bestimmt 1.000 Mal geübt. Meine Schwester habe ich immer wieder zu mir ins Zimmer gerufen, um ihr die Strophe vorzurappen.

Yvonne Setlur: Ich dachte, die kann es nicht. Dachte ich wirklich.

Sabrina Setlur: Damals war deutsch rappen ja noch nicht so der Knaller. Das ging ja gar nicht. Das war ja eher so wie Schlager. Da gab es ja nur die Stuttgarter.

Sie haben zudem auf Hessisch, im Dialekt gerappt. Das war auch neu.

Rappen ist ja sprechen. Und ich habe so gerappt, wie ich spreche. Ich habe ja nach wie vor diese weiche Frankfurda Aussprache. Gut. Weiter. Moses hat mich zu Hause abgeholt, und wir sind dann ins Studio gefahren. Ich war super aufgeregt. Moses hatte da eine Kabine im Studio, da musste ich rein. Dann musste ich mir Kopfhörer aufsetzen. Vor mir ein Mikrofon. Man ist das alles ja nicht gewohnt. Ich habe zu Anfang nur geschrien. Und dann haben mich alle gefragt, warum ich denn so schreien würde. Und ich: „Ja, hört ihr mich denn?“ Und die: „Ja, logo. Also: Warum schreist du so?“ Und dann habe ich die Strophe gerappt und wollte gar nicht mehr aufhören, wollte noch einen Take machen, noch einen Take, das Rappen hat mich total geflasht. Ich wollte gar nicht mehr aufhören. Und irgendwann hörte ich, wie die sagten: „Das war ein Fehler. Die kriegen wir hier nie wieder raus.“ Und dann war das Ding gegessen, und eine Woche später ging ich wieder ins Studio und hörte den fertigen Track. Da fragte Moses mich geradeheraus, ob ich mit ihm nicht ein ganzes Album machen wollte. Und ich wieder: „Ja, klar…!„. Aber er meinte es ernst.

Der hat wahrscheinlich „die Klarheit und die Festigkeit eines Bergkristalls“ in Ihnen gesehen.

Das ist ja poetisch.

Das steht in Ihrem Horoskop. Da steht weiter: „Ihr disziplinierter Wille, Fleiß und Pflichtbewusstsein ermöglichen es Ihnen, im Leben viel zu erreichen.“

Das steht in meinem Horoskop?

Ja.

Das ist ja heftig. Echt?

Ja, da steht: „Sonne von Sabrina Setlur in Steinbock.“

Ich glaube ja nicht an Horoskope.

Es stimmt also nicht, was da über Sie im Horoskop geschrieben steht?

Ich sage mal so: Wenn ich irgendwas will, dann bin ich wie ein Löwe.

Also, wie das Raubtier?

Nein, Aszendent Löwe. Wenn ich etwas will, dann kämpfe ich dafür. Dann kämpfe ich ohne Rücksicht auf Verluste. Hart. Selbst wenn es irgendetwas Bescheuertes sein sollte. Wenn ich es will, dann erkämpfe ich es mir. Natürlich, weil ich mir einbilde, dass es mich glücklich machen wird.

Und diszipliniert?

Stimmt auch. Ja, denke ich schon. Ich bin ja auch Perfektionistin. Was nicht unbedingt für mich spricht. Oftmals stehe ich mir mit meinem Perfektionismus selbst im Weg, weil ich so lange an einem Ding rumknorze, obwohl es schon fertig ist. Eine Zeitlang bin ich den Leuten damit richtig auf die Nerven gegangen. Wenn ich etwas will, dann arbeite ich da sehr hart dran.

Meinen Sie, dass Moses Pelham das damals schon geahnt hat, dass Sie so durch die Decke gehen würden?

Glaube ich nicht. Von dem Projekt namens „Schwester S“ konnte damals niemand ahnen, ob das erfolgreich sein würde. Wir haben es gehofft. Wir haben hart dafür gearbeitet. Und dann stand ich im Mittelpunkt, und das hat mich gefreut. Das war dann auch ziemlich bald der Punkt, dass ich mir gesagt habe: Von jetzt an entferne ich mich aber von dem Projekt. Von jetzt an bin ich Sabrina Setlur und nicht mehr die kleine Schwester.

Inwiefern war „Schwester S“ ein Projekt?

Es war ein Seitenprojekt des Rödelheim Hartreim Projekts. Die Texte waren nicht von mir. Mit Sabrina Setlur fing das an, dass ich meine Texte selbst geschrieben habe.

War das schwer Texte zu schreiben?

Man schreibt ja öfters auch mal was auf. Aber das dann in Rhymes zu schreiben, auf Beats zu schreiben, das ist was anderes. Das habe ich lernen müssen. Mit Lernen meine ich: Meine Liebe dazu gefunden. Und ich habe immer mehr gelernt, ehrlicher zu mir zu sein und zu meinen Gefühlen zu stehen. Es ist ja seltsamerweise manchmal am schwierigsten ehrlich zu sich selbst zu sein und einfach nur aufzuschreiben, was man aufrichtig fühlt. Man versucht ja immer irgendwie seine Gefühle schön zu schreiben. Aber da muss man ehrlich bleiben. Das ist doch etwas das Du als Schreiber auch kennst. Du musst doch auch ehrlich bleiben.

Ja, ein Autor sollte ehrlich bleiben. Aber Autoren haben in der Regel weniger ein Problem mit der Ehrlichkeit. Sie haben ein Problem mit benutzten Gefühlen. Sie schreiben in Klischees, weil sie denken, es wären ihre Gefühle.

Sabrina Setlur: Das ist ja mit Büchern nicht anders. Da merkt man ja auch immer die Abklatsche. (gießt sich aus Versehen eine Tasse schwarzen Tee in die Kaffeetasse) Ach was? Das ist ja schwarzer Tee. Ich dachte, das sei Kaffee, na ja, egal.

Yvonne Setlur: Willst Du Kaffee? Soll ich Kaffee bestellen an der Rezeption?

Sabrina Setlur: Ja, ich hätte gerne einen Kaffee. (Yvonne verlässt das Zimmer). Ich hatte am Anfang schon Probleme ehrlich zu meinen Gefühlen zu stehen und das unverblümt zu schreiben. Das ist mir jetzt mit meinem neuen Album »sabs« gelungen. Das ist viel direkter als das letzte Album »Aus der Sicht und mit den Worten von…«. Dieses Mal geht es: Bäm! Ins Gesicht.

Aber Ihre Texte hatten schon immer etwas autobiographisches. Zumindest taten die so.

Natürlich. Ich stehe hinter jeder Zeile. Aber man entwickelt sich ja weiter mit der Zeit. Deswegen muss man ja ehrlich sein.

Heute schreiben Sie: „Ich bin so / Dass die Bild-Zeitung über mich schreiben will.“ Das ist doch eine Reflexion Ihres Status‘ als öffentlicher Mensch.

Natürlich. Ich bin immer ein Mensch gewesen, der sehr direkt und manchmal auch verletzend gewesen ist. Why around the bush, wenn man es auch klar sagen kann? Das ist besser, als wenn du ewig nach Worten suchst und nicht zum Punkt kommst. Je schneller man auf den Punkt kommt, desto deutlicher wird man auch verstanden.

Da ist was dran. Aber wenn Sie sagen: „Ich bin so / Dass die Bild-Zeitung über mich schreiben will.“ Finden Sie das dann toll, ist das wie ein Orden, wie eine Auszeichnung für Sie, dass die Bild-Zeitung über Sie schreiben will? Oder ist das der Preis des Erfolgs? Dass Ihre Verhältnisse mit berühmten Leuten auf der Bild-Zeitung Seite Eins verhandelt werden.

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde: „Ich finde es nicht toll in den Medien zu stehen.“ Jetzt kommt aber das große Aber: Ich mache jetzt seit zehn Jahren Platten. »sabs« ist bereits mein viertes Album. Ich habe über zwei Millionen Tonträger verkauft. Verdammt noch mal: Darüber soll geschrieben werden! Ich bin es so satt, dass sich irgendwelche wildfremden Leute in mein Leben drängen und nach Sachen graben und dann Sachen schreiben, von denen du nur noch denkst: „Bääh. Das nervt mich.“ Das finde ich nicht toll. Nein.

Wollen Sie damit sagen, dass über Sie viele Lügen veröffentlicht worden sind?

Ja, meistens Lügen.

Kann man damit nicht umgehen lernen?

Aber denk doch mal: Du rechnest doch nicht damit. Du rechnest doch nicht damit, dass es böswillige Menschen gibt, die so etwas schreiben. Ich gehe eigentlich immer davon aus, dass da draußen gute Menschen sind. Und dann liest man so einen Dreck. Natürlich geht mir das an die Leber. Ich fühle mich auch unfair behandelt. Und ich frage mich: Warum ist das so? Warum schreibt der nicht über mein Konzert, das so geil war, wo 10.000 Leute abgegangen sind? Aber ich sage dir eins: Solange es mich nicht beeinträchtigt in dem was ich tue, solange es nicht das zerstört, woran ich glaube, muss es eine Nebensache sein. Ich muss es akzeptieren. Aber ich bin nicht einer von denen, die das schreiben. Ich lebe ja nicht davon. Sondern ich lebe davon Platten zu machen. Und wenn die sich verkaufen, bin ich glücklich. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass die Leute, die die Bild-Zeitung und andere Boulevardzeitungen lesen, dass das nicht meine Käufer sind. Die sind nicht an mir interessiert und ich bin nicht an denen interessiert.

Aber können Sie das jetzt, wo Sie so bekannt sind, überhaupt noch steuern?

Nee, kann ich nicht. Wenn du einmal in der Öffentlichkeit stehst, kannst du das nicht mehr steuern. Wenn ich heute abend in Hamburg alleine eine Pizza essen gehen würde, irgendwo, in einer Pizzeria, und mir würde so ein windiger Journalist von einem Waschblatt folgen - dann steht morgen in der Zeitung: „Sabrina Setlur am Ende: Einsam isst sie eine Pizza. Es fehlte sogar der Käse!“ Who the fuck cares. Aber was soll ich machen?

Ja, was macht man da?

Ja, weiß ich nicht. Ich war mal mit zwei Kumpels essen, zwei befreundeten Produzenten, die auch für 3p produzieren. Abends. Über deren Studio gab es so ein Bar-Restaurant. Da saß bereits eine Redakteurin von einer Boulevardzeitung. Die wollte die ganze Zeit Fotos machen und mit mir labern. Und die Jungs haben mich abgeschirmt und der Frau gesagt, dass sie abhauen soll. Sogar der Restaurant-Mensch hat sich eingeschaltet und gesagt: „Belästigen Sie hier nicht unseren Gast.“ Sie ging aber nicht. Und ich habe mich über diese Situation totgelacht und nur mal so an mein Auge gefasst, weil ich da irgendeinen Fussel oder so drin hatte. (schließt ein Auge, reibt sich das Auge mit dem Finger). Und was steht am nächsten Tag in der Zeitung? (Kunstpause) „Saß heulend im Soundso-Café mit ihren Freunden.“ Und dann rief mein einer Kumpel an: „Der hau‘ ich in die Fresse.“ Und ich: „Vergiss es, Alter. Vergiss es einfach.“

Weil es nichts bringen würde?

Gießt du Benzin ins Feuer? Ich finde, das Beispiel illustriert ganz gut, worum es geht: Ich lache mich halbtot über die Situation, und die Frau schreibt: „trauernd“. Schreibt: „saß heulend.“ Schreibt: „weinte sich bei einem Freund aus.“ Aber, ey! Wenn ich mich darüber aufregen würde, würde ich an einem Magengeschwür sterben. Deshalb habe ich zu meinem Freund auch gesagt: „Vergiss es einfach. Es bringt nichts.“

Sie haben also einen Schutzmechanismus entwickelt. Sie lassen solche Sachen - und ganz andere Sachen - nicht mehr an sich heran. Beim ersten Mal sind Sie sicherlich nicht so cool gewesen.

Nein. Da haben Sie recht. Ich muss sagen: Die Produktion meiner Platte hat mich stark gemacht. Meine Arbeit. Ich weiß, was wichtig für mich ist. Dass ich weiß, dass ich mit meinen eigenen Händen etwas Großartiges erschaffen habe, hat diesen Dreck an mir abperlen lassen. Jeden Tag, den ich an meiner Platte gearbeitet habe, hast du einen Zahn mehr von mir gesehen. Im Sinne eines Lächelns. Im Sinne von: stark sein - und alles andere ist mir egal.

Sie meinen: Nichts erfüllt so sehr wie die Arbeit, die man liebt?

Ja. Ich höre mein Album sehr gerne. Ich habe die Platte für mich gemacht und für alle, die sie in ihrem Leben haben wollen. Aber in erster Linie für mich, weil ich mich an ihr festhalten kann. Die Musik und das Schreiben geben mir meine Kraft. Solange man den Fokus nicht verliert und seine Prioritäten nicht falsch setzt, kann eigentlich nichts schief laufen.

Was sind Ihre Prioritäten?

Ich selber sein. Ich habe immer gesagt: Solange ich morgens in den Spiegel gucken kann und weiß, wen ich da angucke, ist alles noch auf der safe side.

War das mal anders?

Nein, nein, nein. Ich finde es zum Beispiel auch wunderschön, wenn es regnet. Man denkt immer: Wenn ich vielleicht etwas ruhiger bin, dann habe ich Depressionen. So ein Schwachsinn. Ich ziehe mir aus allem, aus jedem Schritt, den ich gegangen bin, eine Lehre. Ich bereue nichts.

Über Dinge, die man nicht beeinflussen kann, regt man sich nicht auf. Grundregel.

Und genauso ist es, wenn ich über eine Straße gehe und von einem Bus erfasst werde. Das kann ich auch nicht beeinflussen. Oder wenn mir jetzt ein Ziegelstein auf den Kopf fallen würde.

Das wäre hart - und unwahrscheinlich. In einem Luxushotel wie diesem.

Das wäre vor allem teuer für die. (lach). Nee, im Ernst: Also wirklich dieses carpe diem. Das muss man sich mal vor Augen halten. Mich haben viele Leute gefragt, ob ich irgendwas bereue. Nein. Ich bereue nichts. Weil ich auch aus Schritten, die in die falsche Richtung gegangen bin, gelernt habe. Ich will auch dazu lernen. Ich will auch kritisiert werden. Kritik hat in unserer Gesellschaft einen negativen Ruf. Weil die Leute nicht kritisiert werden wollen. Was habe ich davon, wenn ich nur Ja-Sager um mich herum habe? Ich habe zum Beispiel sehr viel von Moses gelernt. Weil er ein harter Kritiker ist und eine Meinung hat.

Was haben Sie zum Beispiel von Moses Pelham gelernt?

Moses macht seit 17 Jahren Musik. Er lebt für die Musik. Sein Ehrgeiz, seine Liebe zur Musik. Sein: „Ey, was wollt ihr denn? Ich mache, was ich mache. Is‘ mir doch egal, was ihr denkt.“ - das habe ich von ihm. Den Glauben habe ich von ihm. Dass ich hier stehe, verdanke ich ihm. Aber auch seine Skills. Wie er Sachen schreibt. Seine Texte.

Wie schreibt er denn? Schreibt er in der Küche? In der Kneipe? Im Studio?

Nein, der schreibt schon für sich selber. Da bin ich nicht dabei. Aber wenn man auch seine Beats hört. Ich bin seit zehn Jahren in seinem Team. Warum? Weil ich mich verstanden fühle. Weil ich mich da wohl fühle. Ich habe Rückendeckung.

Vor allem hat Moses Pelham ein Gespür für Vermarktung. Ob ein Album von Ihnen nun »Die neue S-Klasse« hieß, als Mercedes-Benz gerade eine neue S-Klasse auf den Markt gebracht hatte, oder ob Sie heute im Fernsehen ständig zu sehen sind, wo Ihr neues Album jetzt erscheint.

Auf jeden Fall. Wir haben »sabs« von A bis Z durchkonzeptioniert. Wir haben uns damals zusammengesetzt und überlegt, wo wir hin wollen: Schnellere Beats, direkt, auf den Punkt, in die Fresse. Aus. Basta. Und natürlich konzeptioniert man dann auch den Künstler. Aber Moses würde nie versuchen mich umzudrehen. Er würde nie sagen: Du ziehst jetzt Latzhosen an.

Ihren Song »Frei sein« hat damals statt Ihnen der noch unbekannte Xavier Naidoo eingesungen. Das war ziemlich clever.

Xavier? Der hat ja damals meinen Background gesungen. Ich habe den Song zwar geschrieben, aber ich hätte ihn nicht singen können. Daher war es naheliegend, einfach den Xavier zu nehmen.

Sie sagen: „den zu nehmen.“ Sie haben den Naidoo ja quasi im Markt eingeführt, so wie das Rödel Hartreim Projekt Jahre zuvor Sie eingeführt hatte.

Ja, aber sein Album kam ja viel später als meins. Erst einmal war er ja nur mein Backgroundsänger. Wenn du jemanden hast in deinen Reihen, der sich als eigenes Talent entpuppt - warum soll man dem im Weg stehen? Warum nicht helfen? Keiner sagt: Du bist jetzt hier bei uns gepachtet. Nein, ich freue mich darüber, wenn Menschen talentiert sind. Die Landschaft ist mit so wenig Talenten besetzt, da ist es doch schön, wenn man mal eins entdeckt.

Es gibt jetzt eine neue Generation von erfolgreichen Musikerinnen, die auch die Frauenrolle neu definieren: Peaches, Chicks On Speed, Jewel… Kennen Sie die? Verfolgen Sie das?

Ich muss ganz ehrlich sagen: dieses Frauending, nee. Ich kann doch nur als Frau auf dieser Welt leben. Ich kann doch nicht sagen: Morgen bin ich ein Mann oder ich war gestern ein Mann und bin heute eine Frau. Ich kann die Welt doch nur aus meiner Perspektive sehen. Ich beurteile solche Frauen auch nur als Künstlerinnen, nur als Menschen, nicht, ob sie Frauen sind oder Männer. Ich sage auch nicht: Boah, die Frauenbewegung finde ich toll. Wenn ein Künstler gute Kunst macht, dann finde ich das gut.

Sie leben nach wie vor in Frankfurt?

Ja.

Andere Leute, die erfolgreich sind, ziehen in Steuerparadiese wie Monaco. Warum sind Sie in Frankfurt geblieben?

Oft habe ich mir gedacht, dass ich auch woanders leben könnte. Aber das Studio ist in Frankfurt. Das Büro ist in Frankfurt. Ich will das Ganze stressfrei halten. Wenn ich jetzt in Buxtehude wohnen würde, dann immer das Flugzeug zu nehmen, um nach Frankfurt zu fahren, das wäre mir echt zu stressig gewesen. Wenn ich hier in Hamburg ein schönes Häuschen an der Alster oder am Harvesterhuder Weg hätte, du, dann würde ich auch nach Hamburg ziehen. Aber solange das nicht so ist, bleibe ich dort, wo auch das Büro ist und wo das Studio ist.

Man sagt immer: Wer Geld hat, hat die Freiheit …

(unterbricht) … man sagt aber auch: More money, more problems.

Was für Probleme haben Sie?

Ich war nie arm. Ich bin auch nicht reich. Es gibt wesentlich reichere Menschen als mich. Die Frage lautet doch: Macht mich Geld glücklich? Da sage ich: Es erleichtert vieles. Logo. Aber das ist ja nicht das einzige Tool.

Als Jurorin der Sendung »Popstars« urteilen Sie über Erfolg oder Nicht-Erfolg von Leuten, denen man eingeredet hat, dass Geld glücklich macht.

Zuerst einmal: Das ist etwas ganz anderes als alles, was ich in meiner Karriere erlebt habe. Ich musste nie durch so eine Maschinerie gehen. Ich sehe mich als Künstler und nicht als Popstar. Diese Menschen, die da in die Show kommen sind sehr jung und wollen so sein wie Bro’Sis oder die No Angels. Die wollen genau das haben. Ich weiß auch nicht, inwiefern denen bewusst ist, was das für eine Mühle ist, durch die sie da gehen müssen. Ich glaube, dass die schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Oder aber die gehen so steil ab, dass sie dann irgendwann auch fallen. Was ich denen nicht wünsche, denn im Endeffekt haben wir ja die Talentiertesten zusammengesucht. Ich gehe zumindest davon aus, dass sie Talent haben. Wenn die das nicht hätten… Also, was ich sagen will: Wenn wir da vier oder fünf Schwachsinnige zusammengesetzt hätten, das wäre nicht so toll. Nein, wir haben uns da sehr viel Mühe gegeben, die richtigen zusammenzusuchen. Aber nachvollziehen, was in deren Köpfen vorgeht, kann ich nicht, einfach, weil ich selber nie in so einer Sache drin war.

Und wie war das für Sie als Jurorin? Sie haben nie singen können müssen. Sie haben nie tanzen können müssen. Aber Sie teilen richtig aus.

Ich kann das Tanzen nicht beurteilen, aber ich kann beurteilen, ob jemand schief singt. Ich kann auch die Glaubwürdigkeit eines Kandidaten in Frage stellen. Es kann doch nicht angehen, dass da einer vor mir steht und sich da was zusammenlallt und ich frage mich nur: Was willst du eigentlich von mir? Nein, einer muss glaubwürdig sein. Dann frage ich mich das auch nicht. Ich kann beurteilen, ob einer Bock hat oder keinen Bock hat. Boah! Hast du das gesehen? (Guckt aus dem Fenster, hat was gesehen).

Was denn?

Da ist eben ein Konvoi aus S-Klassen vorbeigefahren. Auf den Nummernschildern stand: „P 1“, „P 2“, „P 3“ und so weiter. Und jede Menge Bullenwagen.Solche Autos fahren nur Politiker.

Vielleicht der Bürgermeister?

Ich finde das immer toll, wenn man so viele Polizeiautos sieht. Das sieht immer so gefährlich aus.

Es ist auch schön, in der Nähe eines Bahnhofs zu leben, mit Blick auf die Gleise, da ist immer was los.

Sie werden lachen: Wir hatten in der Schule einmal die Aufgabe, einen Tag aus der Sicht einer Straßenlampe, eines Straßenschildes, eines Papierkorbs, einer Ampel am Bahnhof zu beschreiben. Das hat so viel Spaß gemacht.

Und was waren Sie?

Ich war eine Ampel am Bahnhof.

Und was hatten Sie so erlebt?

Ich weiß noch, dass ich auf Rot war und ein Auto anhalten musste, um zu warten, bis es Grün wurde. Und darin saß ein Pärchen und stritt sich. Und eine alte Oma ging über die Straße und fiel um. Ich finde: Es gibt nichts Schöneres als am Fenster zu sitzen und rauszugucken und die Leute zu beobachten. Also, bei uns in Frankfurt, da gibt es die Fressgass‘. Ich war mit meiner Schwester neulich mal da, und wir haben einfach nur die Leute beobachtet. Das war irgendwie schön. Man sieht: Jeder hat seine eigene Geschichte.

Die Fressgass‘ ist aber nicht die Schweizer Straße, in der mit dem Germanischen Haus und Apfelwein Wagner zwei der Frankfurter Traditionsrestaurants liegen?

Yvonne Setlur: Aber ähnlich. Fressgass‘ heißt auf gut Deutsch: Fressgässchen. Da waren früher ganz, ganz viele kleine Gourmetläden. Daher der Name.

Sabrina Setlur: Das ist aber Slang. Eigentlich heißt die Straße: Große Bockenheimer.

Apfelwein Wagner ist doch ein toller Laden, oder? Gehen Sie da hin?

Sabrina Setlur: Ja, das Wagner ist gut. Das ist halt meistens so voll, dass man da keinen Tisch mehr bekommt.

Yvonne Setlur: Die eine Bedienung ist auch toll - wenn man die abkriegt.

Sabrina Setlur: Melitta heißt die, stimmt, die ist krass. Die ist sehr alt, die gehört dazu, die ist schon fast Inventar.

Das heißt: Sie gehen oft zu Wagner?

Nee, nee. Nicht öfters. Einmal in zwei Jahren. Das letzte Mal war ich vor drei Jahren da. Das ist das gleiche, wie wenn du hier in Hamburg wohnst, dann gehst du auch nicht unbedingt morgens auf den Fischmarkt, sondern schläfst lieber aus. So ist das auch mit Wagner. So, und jetzt bin ich heiser. Ich hatte mal ein Problem mit meinen Stimmbändern, da war ich total heiser, da musste ich meinen Hals stillhalten.

Und das hilft? Hals stillhalten?

Nee, nicht den Hals stillhalten. Nicht reden. Das hilft.