Schwarzer Schwan, weiße Katze

Report
zuerst erschienen am 12. Juli 2014 in Die Welt (Literarische Welt), S. 7
Fassung des Autors
Ist ein Roman, der sich ein paar tausend Mal verkauft, heute überhaupt als „veröffentlicht“ zu bezeichnen? Über die Logik des literarischen Blockbusters sprach Alexander Schimmelbusch mit führenden Literaturagenten, in New York und Berlin

In kaum einer Branche ist geschäftlicher Erfolg weniger planbar als im Verlegen von Literatur. Ein Artikel in der „New Republic“ ließ vor kurzem Parallelen zum Investieren von Wagniskapital erkennen: „Das Wetten auf neue Ideen ist ungeheuer riskant, sodass die Investitionen, die einen Wagniskapitalgeber profitabel machen, nur die ‚Einhörner‘ oder ‚Super-Einhörner‘ sein können, die Googles und Facebooks“ – im literarischen Kontext die Franzens und Kehlmanns. In beiden Branchen schicken die Akteure viele Gäule ins Rennen, in der Hoffnung, dass einer von diesen einen unerklärlichen, monströsen Schub entwickeln wird.

Natürlich ist verlockend, in der Vergangenheit nach Mustern zu suchen, um die verlegerischen Aussichten zu verbessern. Im deutschsprachigen Raum könnte man zum Beispiel das Modell Daniel Kehlmann analysieren, oder den überraschenden Bestsellererfolg von Ingo Schulze mit seinem Debüt „33 Augenblicke des Glücks“ von 1995. Oder man könnte sich den vom Gewinn des Deutschen Buchpreises befeuerten Erfolg von Uwe Tellkamps „Der Turm“ ansehen, den man, vom Kriterium der Lesbarkeit abgesehen, auf seine inhärente Bestsellertauglichkeit zurückführen könnte, wie sie der amerikanische Bestsellerautor Chad Harbach 2010 in seinem Essay „MFA vs. NYC“ definierte.

Um vom Schreiben in New York leben zu können, schrieb Harbach, der für sein Debüt „Die Kunst des Feldspiels“ einen Vorschuss von 650.000 Dollar einstrich, müsse man Romane schreiben, die lang und lesbar seien, die sich ebenso mit grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen befassten wie mit deren Auswirkungen auf das Individuum, oder die Familie, oder gleich mehrere Generationen einer Familie. Hilfreich seien zudem ein simpler Titel, eine Thematik, die sich in Rezensionen interessant und knapp zusammenfassen lässt, wie auch eine Vielzahl von Handlungssträngen, die der hoch professionelle Autor am Ende „fein säuberlich mit einer Schleife zusammenbindet.“

Sind diese Vorgaben nur folgerichtig? Hat Relevanz heute nicht mehr denn je mit Reichweite zu tun? Muss ein zeitgenössischer Romanautor nicht das Bedürfnis verspüren, wie es Harbach formuliert, „mit den Uninteressierten zu kommunizieren“? Kann man einen im deutschen Kontext normal erfolgreichen Roman, der von der Kritik gelobt wird und sich 10.000 Mal verkauft, im Zeitalter millionenfach geliketer Hundevideos überhaupt noch als „veröffentlicht“ bezeichnen? Gibt es, und womöglich zu Recht, einen Satz von Parametern, innerhalb derer sich der zeitgenössische literarische Publikumserfolg bewegt? Können in diesem begrenzten Raum nicht auch großartige Romane entstehen, Jonathan Franzens „Die Korrekturen“ zum Beispiel, den Bret Easton Ellis als den besten Roman seiner Generation bezeichnet („Damit müsst ihr fertigwerden, Jungs“), und der Harbach gar als Resultat einer „kollektiven Willensanstrengung der gesamten Kultur“ erscheint, „sich einen Roman zu erschaffen, den sie heute noch lesen möchte“?

Fragen für Verleger, aber vor allem doch Fragen für Literaturagenten, für die „Abteilung Forschung & Entwicklung“ der Literaturbranche, wie die New Yorker Agentin Melissa Flashman ihre Gattung tituliert. In den letzten Jahrzehnten haben Agenten den Verlagen quasi-offiziell die literarische Vorauswahl abgenommen, sodass für sie von zentraler Bedeutung ist, wie es Flashman formuliert, die etwa David Graebers Welterfolg „Schulden“ lancierte, „ein aufrichtiges und tiefes Interesse an Popularität zu kultivieren.“

Kurz zusammengefasst, vertreten Agenten gegenüber Verlagen die Belange der Autoren, für die sie arbeiten, wofür sie im Normalfall mit 15% an deren Einnahmen beteiligt sind. Ihre ökonomischen Interessen sind mit jenen der Autoren demnach völlig deckungsgleich, was dazu beigetragen hat, Agenten nach dem Ende der Ära lebenslanger Verlagszugehörigkeiten immer mehr zur zentralen Konstante im Berufsleben von Schriftstellern zu machen – auch in Deutschland, wo es lange zum guten Ton gehörte, über das vermeintlich rein pekuniär orientierte Agentenvolk aus Prinzip die Nase zu rümpfen. Seit Karin Graf und Petra Eggers 1995 in Berlin nahezu zeitgleich ihre Agenturen eröffneten – mit den ehemaligen Verlegern Elisabeth Ruge und Günter Berg sind ihnen gerade zwei potentiell gewichtige Konkurrenten erwachsen –, ist der Schriftsteller ohne Agentur auch hierzulande zur Ausnahme geworden.

In den USA hatte sich das Phänomen Literaturagent schon Jahrzehnte früher etabliert, als Londoner Import, den die Amerikaner dann so lange auf New Yorker Format peitschten, bis die dortigen Agenten den Verlegern sogar in der Literaturbetriebsfolklore den Rang abgelaufen hatten. Ein gutes Beispiel hierfür ist Bill Clegg, Mitinhaber der New Yorker Edel-Agentur William Morris Endeavour, dem ich an einem verregneten Junitag in Manhattan in einem chinesischen Teehaus gegenübersitze. „Sie leben also in Berlin“, näselt er fröhlich, „fast wäre ich da einmal hingeflogen!“ Die entsprechende Episode ist in Cleggs amüsanter Crack-Beichte „Portrait eines Süchtigen als junger Mann“ nachzulesen: Sein damaliger Freund, der Regisseur Ira Sachs, zeigte einen Film auf der Berlinale, und Clegg hatte versprochen, ihm dort Gesellschaft zu leisten. Auf dem Weg zum Flughafen rief er dann aber Happy an, seinen Dealer, ließ sich für 800 Dollar Crack ins Airport Marriott kommen und endete schließlich auf der Rückbank eines geparkten Taxis hinter einem Spätsupermarkt, wo der Taxifahrer und er Crack rauchten und sich gegenseitig, wie soll man sagen, Erleichterung verschafften.

Nun ist Clegg aber schon seit Jahren clean, sodass wir nur Ding Dong Oolong trinken und uns mit elfenbeinfarbenen Stäbchen eine Portion delikater Garnelen-Dim Sum aus einem dampfenden Bastkörbchen teilen. Von der ganzen Weltuntergangsstimmung in der Branche halte er gar nichts, so der Agent, optisch eine Art Ralph Lauren-Männermodel. Die habe schon geherrscht, als er vor 20 Jahren in New York eingetroffen sei. Die Branche brauche immer einen Bösewicht, und damals sei der Bösewicht die Buchhandelskette Barnes & Noble gewesen. Nun sei Amazon der Bösewicht, und Barnes & Noble gelte als edler Märtyrer. Schon das Taschenbuch habe man für den Totengräber des Buches gehalten, das E-Book ebenfalls. Dabei seien dies einfach Veränderungen, Herausforderungen, wie sie jede Branche erlebe.

Was die Blockbuster-Mentalität angehe: Er spüre eine übertriebene Besorgnis in den Verlagen, die ein alles-oder-nichts-Gebaren bei Akquisitionen nach sich ziehe. Wenn man also ein Buch habe, das viele Verlage wollten, könne der Vorschuss schon ein wenig ins Irrationale abdriften. Und ja, wenn man sich als Verleger eine Logik zurechtzimmere, nach der man für ein Buch viel Geld ausgeben könne, spielten natürlich Präzedenzfälle eine Rolle. Man orientiere sich daran, was schon einmal funktioniert habe. Wenn man zum Beispiel den Bestseller von Chad Harbach nehme: Da habe man einen Bildungsroman, da habe man Baseball und das Setting auf einem College-Campus, und wenn jetzt zwei dieser drei Elemente in einem neuen Buch auftauchten, könnte ein Ankäufer sagen: Aha, darauf wette ich jetzt mal. Aber die Phänomene, die schwarzen Schwäne, so Clegg, seien die Unvorhergesehenen. Es sei unmöglich, die spätere Popularität eines Romans vorherzusagen, und das sei gut so. Sonst würden alle Autoren auf irgendein Modell hinschreiben, mit der Folge, dass alle Bücher langweilig wären.

Eine letzte Frage habe ich: Ob es ihm unter all den Freibiergesichtern im Literaturbetrieb mit dem Nüchternbleiben nicht besonders schwerfalle? Clegg verneint: Als er gesoffen und Drogen genommen habe, sei dies eher nicht mit Buchleuten gewesen, wenn ich verstünde, was er meine. „Wenn ich während der Buchmesse bis morgens im Frankfurter Hof herumhinge, wäre die Gefahr eher, dass ich mich allein auf den Weg in ein Crack House machen würde.“ Ein Crack House in Frankfurt? „Dazu verweigere ich jetzt mal den Kommentar“, lächelt Clegg.

Während dieser damals also „in einer dichten Wolke aus Crack-Qualm“ in seiner Fifth Avenue-Wohnung saß, die er nur noch verließ, um sich Wodka, Geld und Feuerzeuge zu holen, saß in seiner strauchelnden Agentur ein Praktikant aus North Carolina, der sich Sorgen um seine Zukunft machte – ohne Not, wie sich herausstellen sollte. Heute ist Chris Parris-Lamb ein junger Star-Agent bei The Gernert Company, wo er 2010 zum Beispiel den bereits erwähnten Vorschuss für den Erstling Chad Harbachs aushandelte. Vor kurzem hat er für „City on Fire“, den 900seitigen Debütroman des Kritikers Garth Risk Hallberg, sogar einen Vorschuss von 2 Millionen Dollar ausgehandelt. Als ich ihn in seinem Büro aufsuche, ist Parris-Lamb gerade damit beschäftigt, weltweit die Übersetzungsrechte zu verkaufen. In Deutschland habe er sie schon bei Friederike Schilbach vom S. Fischer Verlag platziert – Frau Schilbach scheint ein schönes Akquisitionsbudget zu haben.

Ein amerikanischer Verleger habe das monumentale Werk begeistert mit einer „HBO-Serien-Box“ verglichen, was ihm aber nicht ganz geheuer sei, sagt Parris-Lamb. Da stimme die Richtung nicht, es sei ihm doch lieber gewesen, als man „The Wire“ noch mit Charles Dickens verglichen habe. Aber natürlich seien Bücher heute nur noch ein Gericht unter vielen auf der kulturellen Speisekarte. Immer weniger Leute verstünden sich explizit als Leser. Der Käufer von zwei Büchern im Monat, der immer ein Buch auf seinem Nachttisch liegen habe und jeden Monat zum Buchhändler gehe, um sich beraten zu lassen, sei am Aussterben, leider. Dies hänge natürlich auch damit zusammen, dass ein immer größerer Prozentsatz der Bevölkerung mit Büchern nur noch online konfrontiert werde. Es ginge also, was Leser betreffe, heute eher um Menschen, die durchaus noch ein Buch lesen würden, wenn sie genug darüber gehört hätten, wenn das Buch medial gerade sehr präsent sei, so Parris-Lamb, die aber danach ohne Probleme sechs Monate lang wieder nur online Serien schauen könnten.

Was Parameter für Bestseller angehe: Es sei tatsächlich so, dass er bei relevanten zeitgenössischen Schriftstellern kein ausgeprägtes Interesse an formaler Innovation beobachte. Jeffrey Eugenides, Jonathan Franzen, Zadie Smith, Rachel Kushner – all diese seien sehr lesbare Schriftsteller. Das vorherrschende Gefühl sei, dass es fruchtbarer sein könne, neue Freuden in alten Formen zu finden. Die besten zeitgenössischen Schriftsteller hätten wenig Interesse an snobistischer Distinktion, sie seien demokratischer. Es ginge ihnen um Leserschaft. Chad Harbach zum Beispiel habe ein Buch schreiben wollen, das auch sein Bruder lesen könne, der als Anwalt in einer Kleinstadt irgendwo in Wisconsin arbeite. In Anbetracht des riesigen internationalen Veröffentlichungsapparats beobachte er bei Autoren immer mehr das Bedürfnis, von vielen Menschen gelesen zu werden. Wirkung zu erzielen.

Später in Berlin trinke ich Espresso auf Eis mit Elisabeth Ruge, direkt am Hackeschen Markt, im Bermudadreieck Starbucks-A.P.C.-Iittala, wo Ruge mit ihrem Startup in einem lichten Hof ein karges Loft bezogen hat. Betonböden, große Fenster, überall Bücher, kaum Möbel, neben dem riesigen Applebildschirm Ruges drei sehr präzise zueinander ausgerichtete Papierstapel. Was Bücher betreffe, denke sie nie in Kategorien, sagt die junge Agentin, die es im Zuge ihrer glanzvollen ersten Karriere als Verlegerin des Berlin Verlags wie auch von Hanser Berlin immer wieder vermocht hat, literarische Bestsellererfolge zu produzieren. Kategorien, so funktioniere sie nicht, das sei jetzt nicht kokett, das sei wirklich keine Legendenbildung, sondern das sei einfach immer so gewesen.

Sie könne nur sagen: „Von den Büchern, die ich gemacht habe, sind diejenigen, die große Erfolge geworden sind, eigentlich immer Bücher gewesen, die eben nicht in Kategorien passen, und wo im Vorfeld gesagt wurde, die können ja nicht funktionieren, also zum Beispiel ‚33 Augenblicke des Glücks‘ von Ingo Schulze, das ist ein Buch, das von allen deutschen Verlagen abgelehnt worden war, das war unser Glück, wir hatten das große Glück, dass dieses Buch zu uns kam und wir einfach nur gedacht haben: Irre, sowas haben wir ja noch nie gelesen, das ist total anders, von der Stimme her, vom Sujet, das ist ein total verrücktes Buch, kein durchgeschriebener Roman, keine 800 Seiten lang, voller russischer Namen, die man sich nicht merken kann, und dennoch ist das Buch eines der wichtigsten der deutschen Gegenwartsliteratur geworden.“

Als Agentin mache sie nun im Grunde das weiter, was für sie immer der Kern gewesen sei, nämlich mit Autoren zu arbeiten. Darauf hätte sie nicht verzichten wollen. Was immer wieder vergessen werde, gerade auf der Verlagsseite, sei die Tatsache, dass gute Agenten Verbündete der Verlage seien und nicht einfach Leute, die einen möglichst hohen Vorschuss aushandeln wollten. Es gebe ja so ein Agenten-Bashing im deutschen Verlagswesen, was möglicherweise damit zusammenhänge, dass dieses Berufsbild hier noch nicht lange etabliert sei. Manche Leute hätten ihren Wechsel ins Agentenfach als Verrat empfunden, so Ruge, einige hätten gesagt: Jetzt bist Du zur anderen Seite übergelaufen. Dies sei albern. Sie habe auch nicht vor, den Kolleginnen und Kollegen in anderen Agenturen, mit denen sie zum Teil befreundet sei oder zusammenarbeite, die Autoren abzuluchsen. Aber sie freue sich darauf, mit ihren Mitarbeitern etwas aufbauen zu können.

„Dass jemand wie Elisabeth Ruge, die 20 Jahre lang immer das Credo des Verlegers gepredigt hat, die Überflüssigkeit von Agenten, die Sand im Getriebe des Verlages seien, jetzt eine Kehrtwende vollzieht“, sagt Karin Graf amüsiert, als ich ihr erzähle, mit wem ich mich für diesen Artikel sonst noch getroffen habe, „ich lache da so ein bisschen drüber, ja?“ Graf macht an diesem Tag home office, der Entschluss ist nachvollziehbar: Mit ihrem Ehemann Joachim Sartorius bewohnt sie im Berliner Westend zwei schöne Exemplare in einer Reihe äußerlich schlichter Häuser aus den 20er Jahren, die der Architekt Werner Düttmann, der in Berlin zum Beispiel das Brücke-Museum zeichnete, zu einer weitläufigen Villa zusammengelegt hat. So zurückhaltend sich diese zur Straße gibt, so überschwänglich öffnet sie sich zum riesigen Garten hin, über dem wir auf der Terrasse sitzen und Darjeeling trinken.

Karin Graf ist nun seit beinahe zwei Jahrzehnten Agentin. Zuvor arbeitete sie als Übersetzerin vom Englischen ins Deutsche, von Werken wie „Unter dem Vulkan“ von Malcolm Lowry oder „Mitternachtskinder“ von Salman Rushdie.  „Auf der Buchmesse 1994 bin ich zum ersten Mal herumgelaufen und habe gesagt, ich mache jetzt eine Agentur auf“, erinnert sie sich. „Da haben alle sehr gelacht.“ Den ersten Bestseller, den ihre Agentur verkaufte, war „33 Augenblicke des Glücks“ von Ingo Schulze, der auf Empfehlung von Durs Grünbein zu ihr kam, und zwar an den Berlin Verlag, den Elisabeth Ruge kurz zuvor mit ihrem damaligen Ehemann Arnulf Conradi gegründet hatte – der Erfolg in diesem Fall scheint viele Mütter zu haben.

Plötzlich erscheint auf der Terrasse eine weiße Katze, die ein blaues und ein grünes Auge hat. An weiße Mäuse im deutschen Literaturbetrieb hat man sich mittlerweile gewöhnt. Eine weiße Katze hingegen bringt einen aus dem Konzept. Die Katze heißt Kedi, sie kommt vom Vansee, dem größten See der Türkei, an dessen unwegsamen Ufern noch etwa 1000 Exemplare ihrer Rasse leben, unter denen die schlohweißen wiederum die Ausnahme sind – quasi das samtpfotige Äquivalent einer bibliophilen Kleinstauflage. Man kann sich die gefürchtete Agentin in ihrem Hauptquartier vorstellen, in Audienzen beiläufig ihre weiße Katze kraulend, wie der Bond-Bösewicht Blofeld in „Liebesgrüße aus Moskau“, in der Charlottenburger Mommsenstrasse, direkt neben dem berüchtigten Bussi-Italiener „Adnan“, wo man nachts Franz Josef Wagner und mittags Michel Friedman beobachten kann, goldbraungebrannt und auf einer Bank halb liegend, wie ein Trüffelpasta-Leguan.

Ach ja, die literarischen Blockbuster: Die von Harbach genannten Parameter seien mehr oder weniger gültig, allerdings nur, wenn es um den Mainstream gehe. Ich frage: Jonathan Franzen sei für sie Mainstream? „Ist für mich Mainstream“, sagt Karin Graf, „also in der Literatur, wir sprechen hier nicht über Unterhaltungsliteratur.“ Wenn man strenge literarische Maßstäbe anlege, könne aber nicht das beste Buch der Dekade dabei herauskommen. Es könne ein guter realistischer Roman dabei herauskommen, der viele Leute unterhalten und auch deren ästhetische Bedürfnisse befriedigen könne. Zum Besten gehöre für sie aber die Innovation, das Risiko. Im Übrigen sei sie skeptisch, was eine stärkere Korrelation von Relevanz und Reichweite angehe. Im Irrglauben an diese These habe ja schon das öffentlich-rechtliche Fernsehen an Relevanz eingebüßt. Man könne die Rolle von Literatur auch darin sehen, von oben einzuwirken, die prägenden Köpfe zu prägen. Und wer weiß, möglicherweise hat Graf Recht damit. Oder wir Buchmenschen sind einfach alle zu elitär für unsere Zeit.