»2020 – Sing Blue Silver«

»2020 – Sing
Blue Silver«
Tagebuch

4.1.

Der Mond sieht aus wie ein abgeschnittener Fingernagel – schreibt Arno Schmidt. Heute hat er damit recht. -11° Celsius am Morgen (sagt die App), der Ausblick auf den Unvermeidlichen liefert den Beweis: Wurde der Turm des Grauens in den letzten Tagen mir noch gnädig von dichtem Nebel verhüllt, so starrt er jetzt in unerbittlicher Klarheit. Er, der Turm, selbst würde finden: in voller Pracht.

Dass es kalt ist, sehr kalt sogar, bemerke ich, noch kaum dem Klammergriff der Wohnung entronnen, drunten auf der Straße: Schon nach wenigen Metern, die ich zu Fuß zurückgelegt‘, bleibt mein iPod stecken. Ich benutze das klassische Modell, unter anderem seiner 120 Gigabyte fassenden Festplatte wegen, doch ist dieses elektromagnetische Speichermedium von seinem Wesen her eben gar nicht statisch; um Musik abspielen zu können, muss es selbst wiederum rotieren wie eine winzige Schallplatte. Bei extrem niedrigen Temperaturen stellt es diese Funktion anscheinend ein. Davon hat mir vor Jahren einmal ein Schweizer Freund berichtet, dem genau dies bei einer versuchten Besteigung des Nanga Parbat widerfahren war. Mit genau diesem Modell aus der frühen Baureihe des iPod. Schau an, so kalt ist es also heute in Berlin.

Die Schaufenster auf der Kastanienallee locken mit Mützen, doch ich bleibe hart. Hart gegen mich selbst und lieb bloß zu anderen. Selbst die angeblich salatresistent gummierten Kabel meiner Ohrhörer sind mittlerweile in drahtartiger Konsistenz erstarrt. Die extreme Verlangsamung im molekularen Gefüge hat doch ein Gutes: Es riecht nach beinahe nichts mehr. Selbst Zigarettenrauch schmeckt nur noch nach Aluminium.

Meine starke Aversion gegen Mützen lässt mich die Kälte am Kopf besonders intensiv empfinden. Hasen wächst ja rechtzeitig zum Wintereinbruch ein Zusatzfell, beziehungsweise wird es einfach dichter und die Haare weisen verlängerte Grannen auf. Bei mir verläuft der Anpassungsprozess an die verschärften Bedingungen anscheinend umgekehrt, es handelt sich um eine Perversion, denn mir gingen in den letzten Monaten die Kopfhaare aus; in den Tagen vor dem Kälteeinbruch wurde es sogar extrem. Gut, lang sind sie wohl. Eines Tages fand ich sogar: zu lang. Also fragte ich Udo Walz am Telefon, wie ich mir wohl selbst die Nackenhaare schneiden könnte.

– Das geht ganz einfach, sagte Udo. Kämm‘ sie dir von hinten nach vorne bis über die Augen und schneide sie dann in einer geraden Linie ab. Dann sind sie auch gleich gestuft. Automatisch.

Klappt übrigens prima. Den Tipp fand ich derart gut, daß ich Udo riet, ihn der Zeit als Lifehack der Woche anzubieten. Wurde dann auch prompt in der übernächsten Ausgabe abgedruckt. Heute früh, vor dem Verlassen des Hauses sah ich im Spiegel dann aus der linken Oberlippenhälfte ein störrisches, zudem noch silbernes Barthaar aufragen. Selbst mit sehr viel Bartwichse ließ es sich nicht in Formation bringen. Leichtsinnig dachte ich noch: Was es mir wohl damit sagen will?

Beim Zeitungslesen in der Bäckerei dann die Botschaft im Klartext: In der Sonntagszeitung der Frankfurter Allgemeinen wird Martin Walser auf einer ganzen Seite interviewt. Das Thema Augenbrauen wird zwar nur gestreift, aber ich bin mir sicher, dass mein Barthaar widerum als ein Sensor agierte, der mir die drohende Lektüreerfahrung eines Martin-Walser-Interviews signalisieren sollte. Unweigerlich muß ich an jenen traumatischen Tag denken, den ich vor ein paar Jahren mit Martin Walser und seiner Frau verbringen musste. Damals gab es noch Ulf Poschardts Vanity Fair und ich sollte zunächst Martin Walser in einem Frankfurter Fotostudio beobachten. Sein Goethebuch war gerade erschienen und in dem Studio wurden Aufnahmen von Martin Walser für Vanity Fair gemacht. Cover war keine ausgesprochene Option, stand aber im Raum. Man hatte Martin Walser als Goethe verkleidet, mit ausladender Winzerkappe und einer Art Toga aus sandfarbenem Samt. Ein nach dem berühmten Motiv Johann Heinrich Tischbeins gemalter Hintergrund zeigte die italienische Landschaft der Campagna, also diesen Goethe stellte Martin Walser für die Aufnahmen dar. Seine Ehefrau, der Name tut nichts zur Sache, verbarg sich währenddessen viele Stunden lang im Schminkzimmer. Aber selbst als wir bereits zum Hauptbahnhof aufgebrochen waren, sprach sie noch immer kein einziges Wort. Die Idee der Redaktion hatte nun darin bestanden, dass ich mit der Ehefrau Martin Walsers und mit Martin Walser selbst in einem ICE von Frankfurt am Main bis nach Weimar fahren sollte. Im Bordrestaurant, das hatte Martin Walser sich ausbedungen, sollte während dieser vierstündigen Fahrt das exklusive Vanity Fair-Gespräch zu seinem Goetheroman stattfinden. Die Redaktion freilich verfolgte einen anderen Plan. Da Martin Walser während dieser vier Stunden den ICE nicht würde verlassen können, sollte ich doch ruhig mal sämtliche noch ungefähr brachliegenden Fragen stellen, die man schon seit ungefähr Urzeiten an Martin Walser gestellt sehen wollte. Vor allem beantwortet. Lesenderweise. Als da wären: Mitgliedschaft in der KPD, Inzest mit den Töchtern, uneheliche Söhne, Vorname seiner Ehefrau.

Es endete in einer Art Desaster. Übrigens ein ganz guter Titel für einen Roman: Eine Art Desaster.

Am Bahnhof in Weimar verlangte Martin Walser nach einer Zigarette – obwohl er doch Jahre zuvor bereits in seinen Tagebüchern das Rauchen aufgegeben hatte. In Wahrheit hatte er wohl heimlich immer weiter geraucht. Ich entschuldigte mich, ging auf die Bahnhofstoilette und hoffte, er würde sich inzwischen verdünnisieren. Im Kondomautomaten wurde auch eine Travel Pussy angeboten. Als ich mich von diesem Anblick und vor allem meinen diesbezüglichen Gedanken lösen konnte, stand da noch immer Martin Walser vor der Tür. Die Zigarette war bis auf den Filter heruntergebrannt. Zum Abschied schlug er mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Als ich mich am nächsten Tag in der Presseabteilung des Suhrkamp-Verlages über diese Handgreiflichkeit Martin Walsers beschwerte, zeigte man sich dort begeistert: »Das macht er nicht bei jedem!« Na ja.

In einem anderen Text der im Übrigen ausgezeichnet gelungenen Sonntagszeitung ging es um den Verrat am humanistischen Menschenbild. Und zwar dergestalt, dass Menschen, um diesen Verrat abzuwenden, aufhören sollten, auf die Straße zu spucken. Darin kommt auch der Begriff eines Werwolfgefühls vor, das denjenigen beschleicht, der sich als zum Natürlich-Animalischen zumindest teilweise zurückverwandelt empfindet. Beispielsweise also beim Ausspucken im öffentlichen Raum. Oder beim Ohrfeigen. Bei mir, mit meinem ausfallenden Winterfell zur falschen Jahreszeit (ich wage nicht zu hoffen, dass mir im Sommer welche nachsprießen werden!!!), läuft diese Werwolfverwandlung anscheinend rückwärts ab. Ich habe auch sofort aufgehört damit, ins Waschbecken zu pinkeln. Seit der Lektüre dieses Textes friere ich am Kopf sogar gerne. Schließlich vollendet sich an und in mir gerade das humanistische Projekt.

Ein tröstlicher Gedanke. Wärmend auch. Dazu noch einer, der mich, zumindest für ein paar Stunden, wieder mit Berlin und dem Fernsehturm zu versöhnen fertig bringt (Walser). Um zu wissen, wie schön es genau jetzt ganz woanders ist, braucht man ja gar nicht mehr zu verreisen. Bei ReweCity gibt es aktuell aus Chile eingeflogene Kirschen. Der Beutel zu 250 Gramm (inklusive Steine und Stiele) kostet 8 Euro 60. Das entspricht exakt dem Vierfachen des zur deutschen Saison marktüblichen Preises. Demnach ist es in Chile gerade viermal so schön wie hier.

Aber Sehnsucht kennt keine Vernunft. Damit ist der Preis auch egal.

3.1.

Um 03:20 Uhr von der Muse aus dem Schlaf geküsst worden. Mit einer SMS, darin beschreibt sie mir ihren Traum. Ich bin schon dabei, eine Antwort einzutippen, breche den Satz aber ab und rufe die Muse an. Die Muse schreibt schön. Wunderschön. Also auch gedanklich. Aber ihre Stimme hören zu dürfen, finde ich noch schöner. Vor allem, wenn sie gerade noch geschlafen hat; eigentlich also noch immer halb schläft, wenn sie meinen Anruf entgegennimmt, wie es heißt. Wenn sie mich erhört. Dann klingt die Stimme der Muse so, als hätte sie ihre Stimmbänder in einem Glas warmer Milch mit Honig auf ihrem Nachttisch gebadet, wie in den Comics die Zahnlosen ihr Gebiss. Und wenn dann ihr Telephon klingelt, setzt sie die Stimmbänder mal eben ein, und es kommt zu besagtem Effekt.

Wie hieß es bei Denney beinahe das gesamte Jahr 2015 über? Rock me with your lower frequency. Jedenfalls: Wann immer die Muse zu mir spricht, fühle ich mich vom Leben gestreift.

–  Was hast Du erlebt, fragt die Muse, sprich bitte in Buchtiteln zu mir.

– Die Demontage einer Lichterkette durch einen staatlich geprüften Industriekletterer im Winter 2016?

– Hahaha, flüstert die Muse.

Lächeln läßt sich in einem Telephongespräch nicht nur schlecht, sondern überhaupt nicht darstellen. Ich erzähle ihr von dem Text in der »Zeit«, dessen Titelseite ich irrtümlich für den Auftakt zu einem Hasenspecial gehalten hatte.

– Du wolltest doch in Buchtiteln zu mir sprechen.

– Ich weiß, aber das geht in dem Fall gerade nicht, weil es in jenem Text um die drohende Verflachung der Sprache geht. Es herrscht also striktes Humorverbot. Stichwort: Wunschloses Unglück, da fängt Peter Handke ja auch damit an, dass er den Selbstmord seiner Mutter entweder in einer Erzählung bewältigen will oder auf seiner Schreibmaschine die immerselbe Taste betätigen – wie er meint, liefe beides bei ihm auf dasselbe hinaus. Beim Leser freilich nicht. Und genau darum geht es in diesem Text. Kurz gesagt: Die Autorin beklagt ein Zuviel an Ausrufezeichen.

– Obwohl das ja auch etwas Befreiendes hat, auf die immer gleiche Taste zu drücken. Manchmal reichen drei Ausrufezeichen noch gar nicht, dann müssen es dreizehn sein, oder dreihundert.

– Dazu stört sie sich an Superlativen wie megasüß.

– Was gibt es denn dagegen zu finden? Megasüß ist doch supergeil!!!

– Finde ich auch. Voll! Bei Niketown habe ich neulich ein T-Shirt mit dem Aufdruck Hyperelite gesehen. Es war mir bis zur Lektüre des Artikels angenehm egal, was damit gemeint sein könnte. Bis dato habe ich mich auch nicht daran gestört, dass ein Set aus zwei schnurlosen Festnetztelephonapparaten als Gigaset bezeichnet werden durfte. Johann Wolfgang von Goethe, der Megadichter, stellte schon anfangs des 19. Jahrhunderts in einem Brief an Carl-Friedrich Zelter fest, dass »jetzt alles ultra sei«. Und dies war keineswegs Ausdruck seiner Begeisterung über diesen Beweis einer Lebendigkeit der Sprache, über ihre Fähigkeit zur Fortentwicklung, ja: Mutation. In jenem Brief fährt Goethe nämlich und leider in einer superöden Weise fort, den inneren Manufaktumkatalog vollzutexten: »Junge Leute werden viel zu früh aufgeregt und dann im Zeitstrudel fortgerissen; Reichtum und Schnelligkeit ist, was die Welt bewundert und wornach (sic) jeder strebt; Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe und alle Fazilitäten der Kommunikation sind es, worauf die gebildete Welt ausgeht, sich zu überbieten, zu überbilden, und dadurch in der Mittelmäßigkeit zu verharren.« Dann ein Absatz über Sekten, die es längst nicht mehr gibt, aber seine abschließenden Sätze sind echt ultra-interessant. Ich zitiere: »Eigentlich ist es das Jahrhundert für die fähigen Köpfe, für leichtfassende, praktische Menschen, die, mit einer gewissen Gewandheit ausgestattet, ihre Superiorität über die Menge fühlen, wenn sie gleich selbst nicht zum Höchsten begabt sind. Laß uns soviel als möglich an der Gesinnung halten, in der wir herankamen; wir werden, mit vielleicht noch wenigen, die letzten sein einer Epoche, die sobald nicht wiederkehrt.«

Ich lausche. Doch am anderen Ende bleibt es still. Wenn ich mich extrem konzentriere, sind es die Atemzüge der Muse, die dort noch zu hören sind. Mit schöner Regelmäßigkeit, dazu leichtes Rauschen. Ein ganz kleines Meer.

2.1.

Das Fahrrad verkaufen. Von den Einnahmen eine Bahncard 100 kaufen. Die Bahncard 100 im Thermomix unter der Zugabe schwarzer Lackfarbe zu einem dunklen Püree verarbeiten. Das dunkle Püree über den Fleck an der Wand spachteln. Kein Gast vermisst die Katze. Alle bewundern meinen ungewöhnlich kleinformatigen Soulages.

So ist das hier. So ist Berlin, diese Stadt ohne Seele. Als ich gestern über die allerherzloseste aller Berliner Straßen, nämlich die Prenzlauer Allee rannte (und dieses mit Grund, weil ich andernfalls längst totgefahren worden wäre), shuffelte der iPod mir »New York, I love You«, und ich dachte: Ja! Aber eben nicht bestätigend, auch nicht auffordernd, sondern es war mein Eureka. Tut mir ja leid, Philosophiegeschichte, dass es in meinem Fall anscheinend bloß noch zu Minimalerkenntnissen reicht, aber ich finde sie trotzdem epochal!

Jedenfalls wurde mir in diesem Moment klar, dass ich sofort wegmüsste aus Berlin. Nicht bloß heute. Nein, so lange wie möglich. Wenn möglich sogar: für immer.

In Berlin heißt es unter Berlinern dann: Klar! Bloß: wohin?

Tjaja, so ist das. Es fragt hier nämlich nie jemand: warum?

Im Verlauf eines milden Schubes von Wohnungsflucht verbrachte ich einen nachweihnachtlichen Nachmittag im Späti in der Choriner Straße. Ein magischer Ort, besonders schön ist es dort in dieser Jahreszeit, wenn es schon um 15 Uhr wieder eindunkelt. Im Schein der kleinen Kerze blätterte ich durch eine Ausgabe der »Zeit« und musste mich beim Entziffern der Artikel doch ziemlich anstrengen (also mein Gehirn musste). Aber dann war dort plötzlich eine Seite, die für sich selbst sprach: auf dunklem Grund zwei weiße Zeichen und ich dachte: Geil, endlich mal ein Special über Hasen!!!

War dann aber leider doch nicht der Fall, denn was ich für die Ohren, also die Löffel, des Hasen gehalten hatte und darunter die Knopfaugen desselben, sollte in Wahrheit zwei Ausrufezeichen darstellen. Eine perfide, den Hasenfreund täuschende Aufmachung, denn die angeblichen Ausrufezeichen waren ja nicht parallel senkrecht, wie es sich für zwei Ausrufezeichen gehörte, sondern leicht schräg aufeinander zuweisend, von daher deutlich ein Hasen-Emoticon formierend (wie es sich ja, sozusagen: in der freien Wildbahn herkömmlicher Tastaturen gar nicht erzeugen ließe!), gesetzt. Laut Vorspann beschäftigte sich der zugehörige Text auf der nächsten Seite mit der Sorge der Autorin, durch ein Zuviel an Ausrufezeichen, insbesondere aber durch Superlative, könnte die deutsche Sprache den Rückhalt des differenzierten Denkens verlieren. Stichworte, ganz klar: Internet, beziehungsweise Smartphone from hell. Vermutlich lag es am Nachwirken der Hasenenttäuschung, dass ich die Seite trotzdem geschickt beiseite schaffte (Methode Chinatown), um sie zu Hause einer kritischen Lektüre zu unterziehen. Licht genug war es dort immerhin.

1.1.

Ich hasse meine neue Wohnung. Das ist schlimm, denn ich habe ja gerade erst damit angefangen, darin zu wohnen. Die Vorstellung, dass es noch lange so weitergehen soll, also das mit dem Wohnen, treibt mich anscheinend in den Wahnsinn – zumindest fand ich vorhin, als ich nach einem akuten Anfall von Wohnungsflucht zurückgekehrt bin, den Fußboden mit gekochten Mungbohnen übersät. Ich weigere mich, vor mir selbst zuzugeben, dass ich das selbst gewesen sein soll, der die Hülsenfrüchte gekocht und danach über den Fußboden gestreut hat. Aus lauter Hass auf die verhasste Behausung.

Alles, aber wirklich alles an dieser Wohnung ist mir derart und das auch noch zutiefst zuwider: zu hell, zu groß, zu weit oben im Haus gelegen und dann auch noch von jedem Fenster aus ein Blick auf den penetranten Fernsehturm. Es liegt halt in der sogenannten Natur der Sache, dass ein Fernsehturm stets im Bild sich befindet. Aber doch bitte nicht in meinem! Und schon gleich gar nicht in sämtlichen, die ich von hier aus habe.

Ich kenne Personen, die eine Wohnung allein deshalb angemietet haben, um mit einem Ausblick auf den Fernsehturm angeben zu können. Als conversation piece – genau so laufen die Abendessenseinladungen in diesen Wohnungen aber dann auch ab. Vermutlich ist der Fernsehturm daran mitschuldig. Meiner neuesten Meinung nach sogar voll und ganz alleine. Meiner allerneuesten Erkenntnis zufolge handelt es sich bei dem Fernsehturm um etwas mit den Osterinselstatuen oder dem Château Marmont vergleichbares: ein Totem des Bösen, ein mit negativer Energie vollgesogenes Herrschaftszeichen des Satans.

Ich hasse meine Wohnung schon alleine deswegen so abgrundtief und schwarz, weil sie mich dem zersetzenden Einfluss dieses Fernsehturmtotems schutzlos ausliefert. Ich finde auch deshalb keinen Schlaf, weil ich dann, schlafenderweise, den Todeswellen des Tragödienturmes vollends und in etwa so, wie ich mir das Gehäutetsein vorstellen, tja leider: muss, ausgeliefert daläge. Und bald schon er- (also läge).

Von allen Dingen, für die ich mich interessiere – und das sind schon ziemlich sehr viele –, interessiere ich mich überhaupt nicht dafür, was eigentlich mit mir passierte, wenn ich den Lockungen des Fernsehturmes nachgäbe. Eine in diesem Zusammenhang sympathische Vorstellung weckt bei mir das ansonsten verhasste Wort vom Einknicken. Aber nicht ich, bitte, sondern gefälligst er soll!

Subscribe to »2020 – Sing Blue Silver«