»2020 – Sing Blue Silver«

»2020 – Sing
Blue Silver«
Tagebuch

28.1.2020

«Die Abende sind lang in Berlin», schreibt Chateaubriand, aus Paris kommend, in sein Tagebuch. «Mit dem Eintritt der Nacht verlassen mich meine Sekretäre. Allein, neben einem Ofen von düsterem Aussehen eingeschlossen, vernehme ich nichts, als den Ruf der Schildwache am Brandenburger Thor und die Tritte des Mannes, der die Stunden ankündet, auf dem pfeifenden Schnee. Womit soll ich mir die Zeit vertreiben? Mit Büchern? Ich habe keine. Wie wäre es, wenn ich meine Memoiren fortsetzte?»

Fahre jetzt selbst wieder hin, auf die Insel, «da, wo die Leute aus Heimweh hinzieh’n», um die Bücher heim zu holen. Die Unternehmung kommt mir plötzlich sinnlos vor. Verschwenderisch. Kaum dass der Zug eingelaufen ist, will ich alles bloss noch wegschmeissen. Aus der Ferne, versteht sich. Bis auf die wenigen Bände natürlich, die mir noch während ich den wütenden Impuls verspüre, deutlich vor Augen erscheinen wie frierende Tiere. Und dann noch die eine oder andere Kleinigkeit, aber hauptsächlich, so kommt es mir jetzt vor: besitze ich Müll.

Das Aas der Dinge, Roman. In Frankfurt blüht der Winterjasmin.

27.1.2020

Vorbei das geruhsame Inseldasein, die Zeitungen sind voll mit Holocaust und Corona-Virus. Gestern abend antwortete uns der Verkäufer im asiatischen Supermarkt, dass nun bald das Jahr der Maus beginnt. Dazu fiel mir natürlich gleich wieder die schreckliche Klebefalle ein, für die in jamaikanischen Supermärkten viel Werbung gemacht wird: Ein kleines Kunststoffbettchen, mit einer blauen, für Mäusenüstern wohlriechenden Substanz bestrichen, die sich für Mäusepfötchen (aber auch für deren zittrig witternde Nasenspitzchen, die Schnurrhaare — ich darf es mir nicht en détail ausmalen!) als von einer fatal klebrigen Natur erweisen soll. Scheint trotz oder gerade aufgrund ihrer grausamen Natur extrem wirksam, denn ich war dort keiner einzigen Maus begegnet.

Auch zum sogenannten Ankommen in einer Gesellschaft oder Kultur ist ein Studium des Angebots im Super- oder noch besser: Baumarkt geeignet. Von da her war ich heute dort und kaufte eine Packung mit Klebeschrauben, einem neuen Produkt aus dem Hause Tesa, das eine Befestigung ohne Bohren möglich machen soll. Etwas für Feiglinge, wenn ich an den Slogan eines Zahnarztes bei uns um die Ecke in Kingston denke, auf dessen gelber Markise in schwarzen Buchstaben aufgedruckt zu lesen stand «We cater to the cowards». Zudem sprach mich die holländische Produktbezeichnung auf der in drei Sprachen beschrifteten Schachtel an: Klevende Schroev — klingt mir angenehm im inneren Ohr; ich weiss auch nicht, was das ist mit mir und dem Holländischen.

Klebt übrigens ausgezeichnet. Auf der holländischen Website von Tesa sind, das fand ich freilich erst daheim, nach meinem Ausflug in den Baumarkt, heraus, noch viele weitere, teils wuchtige Klebeschrauben gezeigt. Eventuell handelt es sich also bei den Holländern um Feinde des Bohrens, beziehungsweise um Freunde des Klebens. Die Zukunft aber wird natürlich das Vakum sein. Auch Befestigungslösungen durch Vakuum-Pads waren im Baumarkt schon verfügbar, aber ich konnte mich noch nicht zum Kauf entschliessen. I believe in evolution more than in radical change. Vom Bohren übergangslos zum Anheften durch Vakuum, dazu fehlte mir offenbar das Vertrauen in die Ingenieure bei Tesa, beziehungsweise der Wagemut.

Luftdruck bei 1050 Hektopascal, Tendenz steigend

26.1.2020

Wenn man sehr dunkle Haut hat, kann man alle Farben tragen. Selbst die schwierigen, Braun, Gold, Neongrün (Die jamaikanischen Fluglotsen tragen neongrüne Schallschutzhörer und sehen umwerfend damit aus); auch weisse Ohrhörer, weinrote Brillengestelle … grasgrüne Schuhe: An unserem letzten Abend in Kingston sah ich einen alten Rastafari in grasgrünen Schuhen, beziehungsweise hatte er sich einen passgenauen Überzug aus grasgrüner Wolle für seine Schuhe gestrickt. Ich bin mir recht sicher, dass er sich die Gamaschen selbst gestrickt haben wird, weil ich erst am Morgen einen noch älteren Rastafari auf dem Wochenmarkt beobachtet hatte, der im Schatten sass und an einer ähnlichen Mütze strickte, unter der er auch seine eigenen Dreadlocks barg. Das Stricken gehört vermutlich zu dieser Kultur wie die Mütze und das Haar. Dachte ich (und fühlte mich dementsprechend bestätigt in meiner Annahme, als ich dann am Abend im Garten des Devon House mit meinem Eis in der Hand auf den Greis mit den grasgrün überstrickten Schuhen traf.) Er sass vor einer spanischen Wand, hinter der auf kleinstem Raum ein Soundsystem aufgebaut ward. Ausser dem besagten Styler waren noch einige andere Männer mit langen Dreadlocks gekommen. Einige trugen sie wie Luftwurzeln herabhängend oder gebündelt, andere unter den beschriebenen Strickbeutelmützen, einer hatte sein verfilztes Haar in Eryka-Badu-hafte Turbanseide gewickelt. Die Männer lauschten der Musik, die aus der Nische hinter der spanischen Wand zu ihnen drang und wiegten sich im Takt. Sie verströmten Rauch in dichten Schwaden. Einer, der aussah wie der Grossvater von Snoop Dog, hatte zusätzlich zum Ganja-Spliff eine Taschenflasche Rum dabei. Der Abend lief unter dem Motto «Conscious Reggae Party». Der Ras-Tafarianismus hat ja das gleiche Problem wie alle Jugendbewegungen: Ihm geht der Nachwuchs aus.

Aber dann, wir hatten unsere enormen Eise in den Geschmacksrichtungen Rumrosinen, Mandelbutter und Kokosnuss schon beinahe gemundet, erschien ganz wie eine wirkliche Erscheinung der japanische Rasta auf der Bildfläche. Auch er war freilich schon uralt, hatte aber seine Jahresringe in gänzlich unterschiedlicher Weise ausgebildet dergestalt, dass jedes einzelne Detail seines Rastafari-Seins nicht wie gewachsen, dafür wie aufwändig eigens für ihn hergestellt wirkte. So trug, dies nur beispielsweise, auch er sein Haar zu dicken Strängen gefilzt, hatte diese aber mit extrem beiläufig wirkender Sorgfalt zu einem Tropenhelm gelegt oder sich legen lassen, dessen Krempe sein wie aus poliertem Holz geschnitztes Gesicht auch jetzt noch, da die Sonne längst untergegangen war, zu beschatten schien. Von seinem Kinn her abwärts kräuselte sich der Sfumato eines asiatisch angehauchten Bartes und wie um dem noch zu entsprechen, entnahm der als heiterer Wandersmann aus den Blauen Bergen Auftretende seinem Ränzel eine vertiefte Hackplatte aus Wurzelholz, ein wunderschönes Messer und eine komplex aufgebaute Rauchapparatur, zu der unter anderem ein bauchiger Kleinstkürbis, sowie einige Schläuche und Schlote gehörten. Der Grossvater von Snoop Dog und der mit dem Turban scharten sich um den Japaner, während der mit seinem Messer eine üppige Portion seines Ganja-Proviants auf dem Hackbrett fein wiegte, um die Kräuter dann in seinem Kürbis-Bong anzurauchen. Der machte dann noch einige Male die Runde unter den Rastas, zu denen sich mittlerweile auch noch ein holländisches Paar gesellt hatte, die sich seit nunmehr Jahrzehnten schon in Kingston als Reggae-Promotor niedergelassen hatten. Der Mann zeigte aber trotzdem noch Sonnenbrand. Und generell dürfte der jamaikanische Albino Yellowman der einzige sein, der als hellhäutiger Mensch seine Dreadlocks mit Würde trägt.

Ein japanisches Gesicht aber kann jeden Stil noch adeln.

Auf dem Weg zum Flughafen sah ich ein Schild, auf dem stand in weissen Buchstaben einer serifenloser Schrift INTEGRITY IS DOING THE RIGHT THING EVEN WHEN NOONE IS LOOKING.

23.1.2020

Heute gegen 17 Uhr Ortszeit, kurz vor Sonnenuntergang habe ich endlich den Doctor Bird gesehen. Da waren wir schon längst in Kingston angekommen, hatten unser Zimmer bei der Witwe des jamaikanischen Botschafters in Westafrika bezogen, Patties mit Shrimps gegessen und solche mit Chicken und ich hatte meine Hoffnung auf eine Begegnung mit dem Nationaltier schon für begraben beschliessen wollen, da, wir spazierten gerade durch den Emancipation Park in der Oberstadt, als ich aus dem Augenwinkel ein irritierendes Schwirren in einer der von flamingofarbenden Blüten wie mit feucht gewordenen Kosmetiktüchern angewehten Baumkronen registrierte, das sich beim Näherkommen als das Schwirren des, in meiner Privatmythologie zumindest: sagenumwobenen Kolibris zeigte. Sein gegabelter Schwanz war lang und wippte seidig.

In Wirklichkeit ist er aber etwas grösser, als ich ihn mir vorgestellt hatte, sieht aber farblich und auch von seinen Formen her genau wie auf den Fotos aus, die ich mir wieder und wieder angeschaut hatte. Er fliegt extrem schnell, die Flugbahn verläuft in flachen Bögen zwischen zwei Bäumen, deren Blüten er mit seinem roten Pipettenschnabel anzapft. Der Parkwächter behauptete, wenn ich morgen mit einem Eis mit Rumrosinen von I Scream wiederkäme, würde der Doctor Bird sich niederlassen auf meinem Eis — oder zumindest einer dieser daumengrossen Flugkäfer, die ebenfalls die Blüten dieses Baumes bewirtschafteten, der im jamaikanischen Volksmund Poor Man’s Orchid Tree heisst. Der Käfer hingegen hat überhaupt keinen eigenen Namen. Der Parkwächter nennt ihn «Tic-Tic», sein Kollege sagt «Black Bug».

22.1.2020

Steigt man den Abhang im Wald hinunter, steht man bald am Ufer jener Lagune, die Ende der siebziger Jahre Drehort war für den gleichnamigen Film mit Brooke Shields. Die wellenlosen Wasser sind tatsächlich blau, je nach Lichtstimmung spielt der Farbton von einem erfrischenden Türkis in ein wummerndes Petrol, das mich an den Bergsee von Sils Maria erinnerte. Von daher wusste ich, dass solcher Farbeindruck vom Kalkgehalt des Wasser mitbestimmt wird. Kalk hier natürlich von den Muscheln herrührend, dem und den Korallen, mit deren Besiedelung eines vorgelagerten Riffes die Entstehung der Lagune erklärt wird. Bei dem Gestein, aus dem der bewaldete Hügel, vielleicht aber sogar die gesamte Insel Jamaika besteht, handelt es sich mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit (bin kein Geolog) um erkaltete Lava; jedenfalls besteht die Oberfläche der Steine aus ungefähr ebensovielen blasenförmigen Lufteinschlüssen wie aus glatter Substanz, die sich mal gröber durchlöchert, mal feinporig zeigt. 

Dass es auf Jamaika, hier im Gegensatz zur Schweiz an Kalk im Wasser zu fehlen scheint, lässt sich an der teils dramatischen Zahnsituation der Landbevölkerung ablesen. Oftmals ragen nur wenige weisse Tasten aus der Dunkelheit einer weitgehend auf weiche Kost angewiesenen Mundhöhle. Die asoziierte Melodie erklingt da freilich in Moll. Verleiht somit den allgegenwärtigen Rhythmen des Reggae eine wehmütige Note, die doch viele Europäer an der als zu unbeschwert empfundenen Popmusik Jamaikas vermissen. Hier, am Ursprungsort der dem Gleichmass der Wellen abgelauschten Hypno-Rhythmen, verkehrt sich diese trügerische Hörerfahrung und offenbart eine schattige Botschaft, von der schon der von der Existenz Jamaikas und der Karibik nichtsahnende Goethe ahnungsvoll schrieb, dass «niemand ungestraft unter Palmen wandelt».  

Am anderen Ende entlässt einen der Wald auf eine schmale Strasse, die als «the lonely road» bezeichnet wird. Sie führt auf eine Landstrasse, die, vermeintlich einspurig angelegt, zu beiden Seiten mit recht hoher Geschwindigkeit befahren wird. Von dort aus in östlicher Richtung bergan gehend, erreicht man nach zwanzig Minuten eine meerwärts zeigende Abzweigung, deren bald zunehmend schmaler ausgeführter Asphaltbelag durch ein verschlafenes Viertel von Landhäusern älterer Bauweise führt. Die Sackgasse schliesst zu einem weiteren Waldrande hin, von wo aus vermeintlich aus Wurzelholz gezimmerte Treppenstufen bergabwärts in die grüne Tiefe führen — doch sind diese Stufen gewachsen, handelt es sich dabei um die Wurzelstränge der zu beiden Seiten des «Treppenhauses» aufragenden Baumriesen, die, von kundigen Händen kaskadenhaft vom darüber gelegenen Erdreich befreit, nun sich «wie geschaffen» dazu eignen et cetera. Jedenfalls sitzt dort am Fusse eine Frau an einem Schülerpult aus unpoliertem Holz und döst im Schatten eines Strauches. Aus bunt lackierten Hütten weht Musik heran. Ein Obulos ist zu entrichten in die kleine Kasse auf dem Pult, dann darf der Sandstrand benutzt werden. Das Meer ist von einem milchigen Türkis, es gibt eine Brandung, der Sand besteht bei näherem Hinsehen aus den groben Fragmenten von Muschelschalen, einer Art Muschelflocken, oder -Konfetti. Wer dem omipräsenten Angebot widersteht, von den getrockneten Blütenständen der autochthonen Cannabis sativa zu kosten, kann am entlegeneren Zipfel der schönen Bucht auch noch zum Teil oder sogar gänzlich erhaltene Exemplare dieser schönen Muscheln finden, die, wahrscheinlich des unaufhörlichen Haftens müd‘ geworden, mit der erstaunlich heftigen Brandung von ihren angestammten Plätzen an den Felsen gerupft und darauf an den Strand gespült werden. So kommt dort eins zum anderen, das Ganze zum Fragment seiner selbst, das wiederum erneut zu einer Gänze findet, diese allerdings von einer begrifflich anderen Gestalt, deren Summe in diesem Fall, jenem Strand aus Muschelgrus, kaum mehr sein wollen dürfte als die Summe seiner einzelnen Teile.

Zu dem Kult der Ras-Tafaris werde ich bald noch Genaueres schreiben.               

     

21.1.2020

Nach langer Fahrt quer über die Insel wurden wir, es war inzwischen Nacht geworden, im nordöstlichen Portland vor unserem Baumhaus abgesetzt. Die Weite des uns umgebenden Wald konnten wir trotzdem es stockdunkel war ermessen mit dem Ohr, denn ein unfasslicher Lärm aus zirpenden und schabenden Geräuschen, aus den Gesängen und Leiern der Schaben und Grillen schoss aus sämtlichen Richtungen der Nachtkrabbenschwärze von nah und weniger nah und, wie anscheinend oder tatsächlich mit einem Echo versehen, aus dem ebenfalls von Schall erfüllten Dahinter ringsum. Mishima berichtet in einer seiner ländlichen Erzählungen von der japanischen Vorstellung vom Jenseits als «reiner Welt», rein hier im Sinne von gereinigt, in der sämtliche Vogelstimmen allzeit dem Buddha ein Loblied darbringen und er merkt an, dass er sich den dabei entstehenden Lärm mit Verlaub als unerträglich vorstellen muss.  

Dann fing es zu regnen an. Und es regnete die Nacht hindurch. Nur phasenweise wurde das scharfe Zirpen von draussen durch ein Crescendo der Regentropfen auf dem Blechdach unserer Behausung überdröhnt, sodass ich befürchten musste, es könnte sich um einen selbst für hiesige Verhältnisse ausserordentlichen Regen handeln, der dort auf dem Dach über uns trommelte, um unser Häusle aus seiner Verankerung an dem Baum, den ich noch nicht einmal gesehen hatte, zu reissen. Daraufhin schwoll das Regnen wieder ab, liess nach und wurde Rauschen; um sich zu sammeln, wie es schien. Und so vergingen die Nachtstunden.

Nach Sonnenaufgang erkundeten wir den Wald, der natürlich noch sehr viel weiter war, bei Tageslicht besehen, als wir ihn uns von der Geräuschentwicklung seiner nächtlichen Belegschaft her hatten vorstellen können. Hohe Bäume, vielleicht zwölf Meter hoch, mit sehr dicken, rissigen und krumm gewachsenen Stämmen und sehr dünne, stangenhafte Palmen und Bambusgräser bilden einen vertikalen Fries. Bis auf Augenhöhe wachsen grüne Blattpflanzen dicht an dicht. Auf den vom Regen glänzend abgewaschenen Blättern spiegelt sich das Licht, indes der Himmel von den ineinander gewucherten Baumkronen grösstenteils ausgeblendet bleibt. Einige der Pflanzen sind mir aus dem Alltag als Topfpflanzen vertraut: Monstera, Gummibaum und Ikeapalme, aber auch Hirschzungenfarn, Strelizie und Ingwerblüte wirken auf mich deshalb wie plaziert, sind doch Wildwuchs. Die Schnecken in diesem gartenhaften Wald haben ein Haus, das rund ist wie gewohnt, aber schmal wie eine Baskenmütze. Sie tragen es keck, zu einer Seite hin aufragend. Gesprenkelt wie Achat. Den winzigen Doctor Bird, einen Kolibri mit gegabelten Schwanzfedern, habe ich bislang noch immer nicht zu Gesicht bekommen. Eine Begegnung mit dem kaum bienengrossen Vögelchen ist mir für den Donnerstag versprochen, wo uns ein Fahrer namens Omar in die Kaffeeplantagen an den Hängen des Blauen Berges fahren will. Während er das Steuer hält, trägt er seinen Vorrat an Scheinen nach Landessitte als Fingerring dergestalt, dass er die Dollarscheine längsseitig zu einem schmalen Fächer falzt, um seinen Ringfinger gebogen einklemmt zwischen Mittelfinger und dem kleinen, woraufhin sich die Scheinblüte zur Oberseite der Hand hin auffächert und die diversen Farbkombinationen des Jamaikanischen Geldes, das aufgrund der heftigen Inflation so gut wie nichts wert ist, zur Geltung bringt. Schmückenderweise.

Unser Frühstückskellner sieht genau aus wie Grace Jones.

18.1.2020

«Real milk comes from cows». Direkt wohltuend, bei vielem, dem ich ansichtig werde, mich ahnungsvoll zu finden, aber nicht mehr genau zu wissend, worum es sich handelt. Telefon und Uhr liegen hier beisammen in einer Schublade. Ich will wieder lernen, durch Anschauung zu verstehen.

«Unser Auftrag: Abbruch des Philosophierens» steht in den Beton gegossen über dem Portal in der Amphitheatre Parkway, Mountain View. Zitat freilich von Heidegger, Martin.

Ich weiss noch immer nicht, wie dieser grosse Vogel heisst, von dessen Art tagsüber immer wieder einer über mir segelt, schwebend steht: Schnabel orangerot, Kopf und Rumpf sind schwarz, ein schmaler, auch kürzerer Teil seiner Flügel auch, vergleichbar mit dem inneren, dem Docht der Kerze nächsten Teil der Flamme, wobei es sich mit der Farbgebung an den Flügelunterseiten dieses Vogels umgekehrt verhält, denn ausserhalb der schwarzen Bezirke ist diese eintönig hell, sodass es, von mir hier unten aus betrachtet, den Eindruck macht, als ob dort ein kleiner schwarzer Vogel einen weissen Wingsuit trägt.

Und ist der gelbe Schmetterling ein grösserer Verwandter unseres Zitronenfalters? Und der weisse, original gross ausgegebene, ein Kohlweissling?

Callaloo heisst eine Pflanze mit grünen Blättern, die, in Streifen dünn geschnitten und gedünstet aufgetragen, durchwachsen schmecken wie Spargel, wie Brokkoli und wie Spinat. Nicht gleichzeitig, aber je nachdem; je nachdem, woran ich mich durch meinen Geschmackssinn erinnert fühle beim Abgleich dieser neuen Information.

Real milk comes from cows: Der Satz steht in weissen Buchstaben einer serifenlosen Schrift auf einer schwarzen Werbetafel am Strassenrand. Nichts weiter. Keine zusätzliche Information, kein Logo. Die Werbetafel ist so lang wie der Satz. 

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