رمضان

Die schönen Tage von Eltville sind nun zu Ende. Betrübt fuhr ich zurück nach Berlin. Der Himmel dort gab meine Stimmung wieder. Doch will ich nicht undankbar sein. Am Abend traf ich mich mit Anne zum Cocktail, und sie hatte mir ein Geschenk mitgebracht: eine wunderschöne Ausgabe von Ein Tropfen Nektar, dem wohl maßgeblichen Handbuch zur Bienenhaltung in der DDR. Autor war Günter Grimm.

Die Bar, in der wir dann noch etwas über das Leben philosophierten, während es draußen schon wieder zu pladdern anfing, war in einer ehemaligen Apotheke eingerichtet. Die Apothekenschränke, die Salbentiegel und ein Mörser standen noch wie einst als Dekoration in den Regalen, dazwischen die Flaschen, und über den Verkaufstresen von gestern wurden nun von bärtigen Männern die Getränke gereicht. Essen kann man dort auch, im hinteren Teil, wo in einem Kasten an der Wand, das wusste ich von einem anderen Besuch des Lokals, eine Dose mit der Aufschrift Pyramidensalbe steht. Ich dachte an die Gartenwirtschaft des Weinguts im Rheingau zurück, wo alles noch so wie es durch das Jahrhundert hindurch geblieben. In der umgedeuteten Apotheke am Oranienplatze (im gegenübergelegenen Kaufhaus befindet sich seit vergangenem Jahr ein von Münchnern betriebenes Hotel, dahinter lockt Kuchen Kaiser, aber wie lange noch; beziehungsweise: wie lange noch als solcher?), war selbst die Speisekarte vorraussetzungsreich abgefasst: Stand dort als Hauptgericht angekündigt »Kalbfleisch Ei Semmelbrösel Kartoffeln« kam dann aber trotzdem nur ein Wiener Schnitzel mit Pommes Frites an den Tisch.

Im Restaurant der Familie Hasir in der Adalbertstraße wurde hingegen unter alter Flagge mächtig ausgebaut. Der Gastraum ragt nun von der Oranienstraße an bis beinahe in den Männerclub namens Möbel Olfe hinein. Es sind aber noch immer dieselben Kellner, die in dem nun extrem verbreiterten Saal bedienen. Alles Nachfahren jenes ersten Monsieur Hasir in Berlin, der dort, in einer engen Futterluke unter dem Viadukt des Bahnhofs Zoo den Döner Kebap erfunden haben soll. Vermutlich durch Abschauung der Deutschen Gepflogenheiten: Deutsche essen ungern Spieße. Sie essen gern gefüllte Brote. Am liebsten im Gehen.

Noch driften die altgedienten Kellner etwas planlos durch das unübersichtlich gewordene Inselsystem der zu vielen Tische. Und müssen nun zum zweiten Mal in ihrem Leben hier in Kreuzberg eine Fremdsprache erlernen. Kaum ist ihnen das Deutsche geläufig, haben hier nämlich die Englischsprechenden die Oberhand gewonnen. Auch wenn freilich wie eh und je der eine oder andere Landsmann seine Ayse hierhin ausführt, wenn es etwas feierlich zu besprechen gibt. Die amerikanischen Männer tragen keine Vollbärte. Und die mit den Bärten fragen nicht nach Döner Kebap.

Auf dem Heimweg las ich statt im Bienenbuch lange mit über die Schulter einer Verschleierten auf deren Display. Sie scrollte sich durch eine mindestens fünfzig Zentimeter lange Whatsapp-Nachricht, in der ihr dargelegt werden sollte, weshalb nun der Ramadan doch später beginnt. In dem sehr schön formulierten Text war von einem Ratschluß der Gelehrten die Rede, von einer Sternwarte in den Vereinigten Staaten. Und von vielerlei anderer altertümlicher Dinge mehr.