10.10.2019

Tage far from the madding crowd, begleitet vom schönen Fingerzeig, der uns zum ersten Mal vorvorgestern, das heisst am Montag, als seine Günstlinge an die Hand genommen hatte, um uns in die Stadtgärtnerei zu führen, wo — lang war es her — nun endlich wieder der Kater Fimo auf seiner flauschigen Decke neben der Kasse lag und schlief. Der Gärtner erzählte, mit kargen Worten, wie es halt seine Art war zu erzählen, dass der lange, heisse Sommer den Kater stark gefordert hatte. Durch Streunen und Dehydration hatte  Fimo einiges an Gewicht verloren, was er nun durch sein Schlafen im geheizten Treibhaus wieder aufzuholen gedachte. Er war tatsächlich kaum wach zu bekommen. Hielt selbst die Augen zugepresst, während er ein ihm dargebotenes Wienerle frass.

Und gestern erst strebten wir am Nachmittag noch einmal in den Park, um Pilze zu finden. Allerdings war an den üblichen Stellen (bei der Bank zum Beispiel, in deren goldfarbenes Schild eingraviert steht «Karin, ich liebe Dich. Willst Du mich heiraten?») nichts weiter nachgewachsen, seitdem wir nach dem Besuch bei Fimo geerntet hatten. Ich spürte, dass Friederike bedrückt war und wünschte ihr ein Erfolgserlebnis. Das aber liess noch lange auf sich warten. Ein rostfarbenes Eichhörnchen kam in Bögen wallend wie eine Raupe auf sie zugehoppelt, ganz nah. Genau so eines war uns am Montagmittag schon einmal begegnet, als wir im Gastgarten vor der Kastanie gesessen hatten und mit einem Mal sass es dort neben uns, auf einem Tisch und fing an, einen Blumentopf umzugraben. Jetzt also ein Wiedergänger dieses schelmischen Hörnchens. Gerade so, als hätte es Friederike eine Nachricht zu überbringen. Eine Botschaft der Pilze. Und tatsächlich rief sie mir dann kaum eine Viertelstunde später zu, ich sollte ihr helfen kommen «Ich kann sie nicht alleine tragen».

Nun war sie also an einer Stelle, an der ich noch nie gesucht hatte, fündig geworden. Vergleichbar mit dem versteckten Brief bei Poe, den niemand findet, weil er bei den Briefen liegt, gab es also im Park die meisten Pilze auf jenem Rasenstreifen direkt am Schloss entlang, wo sie durch die raumhohen Fenster der Orangerie bestens zu sehen auf einem Präsentierteller gedeihen. Gerade so, als wollten sie damit, also mit ihrer Heimatortswahl: provozieren. So ernteten wir dann zwei gute Pfund, aus denen wir daheim dann eine Suppe kochten, die uns beiden herrlich mundete. Bloss einig sind wir uns aber nicht immer, beispielsweise fanden wir zwischen Fimo und Pilzen auch etwas Trennendes heraus. Das war am Dienstag abends gewesen, da war es schon dunkel und es hatte gerade aufgehört, zu regnen. Wir waren auf dem Weg zur Verleihung des Michael-Althen-Preises an Verena Lueken und die Luft roch feucht und frisch, nach spätem Herbst auch, und ich sagte, dass es schön wäre, wenn wir jetzt auch Laternen hätten. Stellt sich heraus, dass ich noch mit von Wachskerzenstumpen beleuchteten Laternen zu den Martinstagsumzügen geschickt ward, während Friederike schon ein batteriebetriebenes Lämpchen hatte, das sie mit einem an ihrem Stäbchen angebrachten Schalter ein- und ausschalten konnte. Zu meiner Zeit hatte es regelmässig in Flammen aufgehende Laternen gehabt, ihr war diese Erfahrung schon erspart worden.

Aber ansonsten — und freilich kam bei mir noch ein verkleideter Heimerdinger auf einem hellen Pferd angeritten und führte an seinem roten Umhang die seligmachende Gnade vor. Heute mittag nahm ich die Decke vom Tisch wie in einem Film von einem sich schliessenden Vorhang, rückwärts abgespielt. Wo in den Tagen goldener Fingerzeige die Tafel war, soll fortan wieder gearbeitet werden. Arno Geiger schreibt, dass ein Erwachsener sich eben nicht zurück in ein Kind verwandeln kann, weil das Wesen des Kindes in der Fortentwicklung besteht. Dass die rostbraunen Eichhörnchen unterhaltsamer drauf zu sein scheinen als die kupferfarbenen: Ist das bei rothaarigen Menschen nicht auch so?