1.1.

Still wie am Neujahrsmorgen: Eine stehende Redewendung in welcher Sprache noch gleich? Auf jeden Fall ist es so still, als ob das an jedem Neujahrsmorgen so zu sein habe und einfach so ist. Schnee liegt auf den Dächern von Autos und Häusern. Ein kleines Räumfahrzeug gibt es auch. Von kurz vor Mitternacht an hatte sich der Nachthimmel in gelblichen Nebel verfärbt, der dann – man knallt hier in Frankfurt vergleichsweise disziplinierter als in Berlin, das Feuerwerk war nach zwanzig Minuten vorbei – in Form von stehenden Wolken durch unseren Hinterhof geweht wurde. Unheimlich, wie dann die sich beruhigende Nacht von vereinzelten Schlägen wiederhallte. Salvenhaftes Geknatter.

Zusammen im Bett liegen und sich dann an die schrecklichsten Betten erinnern, in denen man jemals gelegen hatte. Betten in fremden Ländern, Betten auf Reisen zumeist. Aber auch deutsche darunter. Im Traum hatte ich dann mit dem Relaunch eines Fühstücksflockenunternehmens zu tun. Also nicht allein mit deren Produkten, sondern vor allem auch mit der Kultur des Hauses, mit seiner Architektur vor allem. Mein Arbeitsplatz, insofern der sich überhaupt klar von meinem andauernden Herumstehen auf der allabendlichen Gartenparty, die dort zu den wesentlichen Bestandteilen der Unternehmenskultur gehörte, unterscheiden ließ, war an einem langen Tresen am Aufgang zur Sky Lobby, wohin ich die Nadel im Tonabnehmer eines Kofferplattenspielers zu tauschen gekommen war. Währenddessen nahm ich einen Telefonanruf von Tamara Rothstein an, die mir, noch während sie am Telefon mit mir sprach, mit verschlossen wirkendem Gesicht in den Arm einer Begleiterin untergehakt, entgegenschritt, woraufhin ich sie telefonisch darum bat, »sowas in Zukunft zu unterlassen«. Die müslihaften Mischungen waren in silbernen Tüten verpackt, die mich doch sehr an die Corporate Identity von Seitenbacher erinnerten. Zu sehr, und das sprach ich auch offen aus. Die Arbeit ging mir leicht von der Hand. Ich arbeitete mit Götz Offergeld zusammen, der Müslifabrikant selbst hielt sich den Traum über im Hintergrund (wie es schien). Ich weiß noch, wie da eine mich an die Chefstewardess Beatrice erinnernde Chefmüslimischerin mir aus einer silbernen Tüte ein appetitlich gelbes Gelee auf meine Müslimischung quetschte, auffordernderweise, und dass ich mich bei dem Aroma dieses Gelees an einen Antigrippesaft aus meiner Kindheit hatte erinnert gefühlt, einen dünnflüssigen Schluck aus braunen Glasampullen jeden Morgen, von denen meine Mutter immer beide Spitzen abbrach, sodass ich dann aus ihrer Hand meinen nach dem Traumgelee schmeckenden Saft aus der Ampulle schlürfen konnte.

In dem kleinen Interview mit dem Südwestfunk, das gestern Nachmittag aufgezeichnet wurde, fragte der Redakteur sehr viele gute Fragen. Beispielsweise las er mir eine Liste vor von Themen, die er aus den Tagebucheinträgen 2016 exzerpiert hatte. So untereinander geschrieben, klang diese Abfolge sogenannter Themen maximal wirr, also wirrstens, also sehr lustig, lustigst also, aber auf seine Frage, die ungefähr lautete: Wie kommen Sie darauf, was wählen Sie aus, blieb ich ihm die Antwort zur Hälfte wohl schuldig, weil ich ihm wahrheitsgemäß sagte, das Leben sei einfach so.