11.3.2020

Die ersten Seuchentagebücher sind online. Wu Ming (jetzt bringt das chinesische Pseudonym natürlich die Würze) schreiben aus Bologna (2020L.net) und lassen es freilich offen, in welchem Maß ihr Text von Fiktionen kontaminiert wurde — genau das aber, in dem Ton will ich aber jetzt lesen. Ich finde ja auch Diary of the Dead noch gelungener als Dawn of the Dead. Gestern abend die Drohnenflüge durch das menschenleere Rom bei Tageslicht: Genau jetzt muss man dorthin und Fotos machen, Filme drehen. So billig kriegt man die Kulisse nie mehr vor die Linsen.

Wu Ming kommen bald, noch mit den Einträgen aus dem Februar auf «Überwachen und Strafen» zu sprechen. Ich hatte zuletzt häufig an die Passage gedacht, in der er erzählt, wie dieser stoische Grüßzwang der Franzosen geprägt wurde, der ja ursprünglich ein Nachfragen aus Pestzeiten war, wie es einem geht (Comment-ça va), mittlerweile eine Phrase wie How are you doing oder unser spechthaftes Na? 

Schade oder egal, dass Foucault den Virus seiner Ära nicht überlebt hat? Dass die Leute sich bald schon selbst diagnostizieren würden mit Gleichmut (ob ihre Karte heute akzeptiert wird oder abgelehnt, ob ihr Fingerabdruck ihr Telefon noch entsperrt, oder eine erneute biometrische Authentifizierung erforderlich ist für diesen Identitätsnachweis), dem eigenen Wohle zuliebe gegenseitig überwachen, hat er vorausberechnet.

In den Abendnachrichten auf Arte war gestern von Gefangenenaufständen in drei italienischen Strafanstalten die Rede, weil der Staat ein landesweites Besuchsverbot verhängt hat. In der Tagesschau wurde darüber nichts berichtet. Wu Ming beschreiben den nächtlichen Ausflug an die Gefängnismauern bei Mondenschein. Angeblich konnten sie unentdeckt bleiben, «the guards had other things to do».