1.3.

»Müllrose ist ein ruhiger Ort in Brandenburg.« So fangen Texte an, zugleich komme ich, gleich wie schlimm das ist, was sich dort zugetragen hat, nicht über den Ortsnamen hinweg. Gehört also verboten. Ist, wie es in der Neuen Zürcher heißt, eine Sauglatterei.

Beim Nachtessen fiel mir dann endlich ein, endlich, weil ich seit nun schon 15 Monaten darüber nachdenke, wie ich den grundlegenden Fehler des Tagebuchs beheben kann (der ja ein konzeptioneller ist und ein Problem der Perspektive beinhaltet). Ich war spät dran. Das war, nicht oft, aber meines Dafürhaltens zu oft passiert: Aufgrund oder wegen alltäglicher Probleme aus dem Reich der Realität war mir die von mir dafür zugeteilte Zeit des Schreibens am Morgen nicht zur Verfügung gestellt. Im sogenannten Hinterkopf mahnend, fürchtete ich den Fluch des ungepflegten Blogs. Analog dazu, noch aus der Zeit vor den Blogs, die berüchtigte »Serie in loser Folge« – mir schon immer ein Grauen, eine Notlösung, wenn auf einer oder zwei Seiten, die unverhofft frei geblieben waren, nichts anderes mehr stattfinden konnte (oder man hatte die Tragfähigkeit eines Seriengedankens nicht weit genug bedacht).

Mir war die eingehende Formel des »Gestern war dies, das« schon längst als zu starr und wie vorgegeben erschienen. Sie drängte sich scheinbar auf und schränkte mich vielleicht sogar ein. Warum also nicht, der Spalt zwischen dem ungewohnt kurzen Februar und dem traditionell die Tage zählenden März bot sich dafür wie naturgemäß an, von vornherein aus einem Gestern berichten? Und so, das dachte ich (gestern): den einen Tag überspringend, von vorneherein gleich aus der Retrospektive beschrieben, so, als ob es bereits heute war?

Der Eintrag zum ersten Dritten erscheint von daher am zweiten Tag des März, technisch, sozusagen, beschreibt aber mein Erlebnis vom ersten, so als ob der erst heute war. Klar, das lässt die Bezifferung der Einträge über die Jahre, und das zunehmend, abstrakt erscheinen. Als ich vor einem Jahr um diese Zeit beschlossen haben wollte, dass ein Jahr von nun an am Ostersonntag beginnen würde, war das schon ein Schritt in diese Richtung, aber das perspektivische Problem hatte ich damit noch nicht gelöst. Was es brauchte, war die Verschiebung innerhalb der dem Tagebuch inhärenten Einheit, in der Zählung der Tage selbst. Auf dass deren Datum fiktiv würde.

Von daher sah ich einen Tannenbaum vor dem Zwiebelfisch, der, bei den Temperaturen kein Wunder, noch immer keine einzige seiner Tannennadeln verloren hatte. Zudem hingen dort heute, zwischen den Resten von rotem Wachs, die Ostereier aus Plastik (und dazwischen klemmten flauschige Küken in Blau). Vor meiner Tür ist seit Neuestem ein Maulwurfshaufen aus Kies. Wenn ich die Tür aufstoße, blubbert es aus dem Inneren des Kegelstumpfes. Ich vermute, es ist dann der Maulwurf selbst, der sich ins Erdreich zurückzieht, ruckhaft. Wie einst von Peter Handke in seiner Langsamen Heimkehr beschrieben. 

Was ist schon Zeit! Ich sah blendend aus.