13.5.

»Ich habe zwei Nachrichten für Sie, eine gute und eine schlechte«, sagt der Pilot. »Die gute: Wir landen 15 Minuten früher als geplant in Zürich. Die schlechte: Es hat dort bereits angefangen zu regnen.«

Bainvegni, 60 °F, Distanz zum Reiseziel: 409 Meilen. Unter dem Flügel zeigt sich die Buchstabensiedlung. Ich glaube, das ist die Gropiusstadt. Ich brauche ein Shazam für Luftaufnahmen. Auf jeden Fall sehen diese Gebäude aus der Vogelperspektive betrachtet aus, wie zu Worten arrangiert, und bei zweien entsteht daraus GOD.

Dann Snacks, Musik, Bordmagazin und ein Tangram aus Rapsfeldern. Dann Wolken und in Zürich regnet es wie angekündigt und zwar von früh bis spät, aber das macht nichts, denn ich bin ja zum Arbeiten hier.

In geschlossenen Räumen. Studio Achermann: schönster Arbeitsplatz auf der ganzen Welt. Hier liegt alles bloß rum, es gibt so gut wie überhaupt keine Möbel, aber weil alles, wirklich auch noch der letzte Radiergummi mit Bedacht ausgewählt wurde, sozusagen vor einem Radiergummikuratorium bestehen musste, bevor ihm Einlass gewährt wurde, sieht es halt, sehen die Millionen von Stapeln und Haufen aus Papieren und Magazinen, alten und neuen Büchern, die Bündel von Stiften und Packen von irgendwas Papierhaftem aus wie bereitgestellt, eine ganz eigene Ordnung. Und obwohl ich es ansonsten und sozusagen privat lieber sonnig mag, freut mich in den Räumen des Studios das künstliche Licht.

Eine Ausstellung zum Thema Arbeit, in der zudem andauernd gearbeitet wird. Es gibt, das weiß ich, aber dort war ich selbst noch nie, ganz hinten rechts einen Raum, in dem sehr viele Computer aufgestellt sind und dort sitzen ein paar Spezialisten, die an den Besprechungen nie teilnehmen müssen. Ich glaube, in diesem Raum dort wird die Arbeit verrichtet, die nicht so sehr großen Spaß macht – sogenanntes Reinzeichnen beispielsweise. Retuschen, Setzen von Texten, Lithografie.

Seit Neuestem gibt es nun Becher aus Styropor, jahrzehntelang kriegte man den Kaffee aus Plastikbechern. Yves hat eine kleine Theorie, warum Styropor. Yves ist müde, sagt er. In Bedas Arbeitsraum liegen sechs bis acht Kilo Vierfarbausdrucke auf dem Holzboden zu Stapeln sortiert. Handgeschriebene Kategorien eingesteckt. Die restlichen zehn Kilo sind über sämtliche Wände verteilt. Nur die Fensterscheiben sind frei geblieben, gehören aber zum Bild: Dienerstraße, »Conditorei Happy«, »Comics Rawumms«.

»Hallo Beda, Hallo Markus, Hallo Adi, Hallo Toldo, Mannomann, das sieht ja alles unfassbar großartig aus.«

»Schau dir diesen hübschen Mann an«, sagt Beda, als dieser mir bis dato unbekannte Toldo den Raum verlässt, um zum Zwecke der Untermauerung einer grafischen These ein paar Gramm Ausdrucke anzubringen »Das ist der beste Grafiker, den ich kenne. Der ist so gut wie ich.«

Der Digitale Beda. Smartbeda. Und die Frage, durchaus im Ernst gestellt, nach den Gestaltungsmaximen für das sogenannte Favicon.

Dann, wir finden es selbst auch lustig, spielen wir das lustige Spiel. Das geht so: Du, mein lieber Professor, schreibst jetzt sechs Stunden auf, was dir zu unseren Ausdrucken einfällt. Und dann werden wir dir erklären, dass es alles zu schön, zu kompliziert, vor allem aber auch viel zu lang ist für unser Büchlein. Und dann machst du es so, wie wir es dir beigebracht haben. Und dann hast du wieder etwas gelernt. Dafür bezahlen wir dich. Und zwar erstklassig. Falls du Nüssli brauchst oder Schokolade: bei der Kaffeemaschine.

»Road trippin’ with my favourite allies«

Mein Lieblingsspiel. Weltbestes Regularium. Fällt eine Maus in den Fluss, kann kaum schwimmen, wird immer müder. Sagt die Katze am Ufer: Komm, hier ist meine Pfote. »Ich hab aber Angst«, sagt die Maus und rudert. »I wo«, sagt die Katze, brauchst du nicht »Halt dich an meiner Pfote fest!« »Na gut«, sagt die Maus »Ich machs.« Die Katze hievt sie raus, wischt ihr eine und das Letzte, was die Maus sieht, ist das grinsende Katzengesicht. »Warum hast Du das getan«, denkt die Maus. »Ich bin halt eine Katze«, sagt die Katze.

»Haha, sehr schön war’s, also dann bis morgen um zehn.«

Um 21 Uhr 25 passieren wir Frankfurt und unter mir gab es eine winzige Öffnung in der nachtgrauen Wolkendecke, die ansonsten aus lauter Klößchen bestand. Und hinter der Öffnung glitzerte es verkehrsorange vor tiefschwarzem Grund wie in dieser Stelle in den Marmorklippen, wenn Bruder Otho zu Boden schaut und in dem Augenblick bestehen sämtliche Erdschichten aus gläsernem Material und darin blinkt und fließt das Nervensystem der Menschheitsgeschichte, sichtbar gemacht.

Zu erschöpft für den Bus, ich leiste mir ein Taxi, in dem es nach Zauberbaum duftet. Und mir fällt der Katalog von Phillips De Pury ein, den ich am Mittag durchgeblättert habe und darin war eine Zeichnung von Mel Ramos (Los Nr 160) mit dem Titel Antilope, geschätzt auf 12 – 18.000 Dollar, erstmalig versteigert bei Christie’s in Rom am 18. Oktober 2002 (Los Nr 116), seitdem in Privatbesitz.

Der Fahrer sagt »Sie sehen kaputt aus. Das meine ich aber nicht böse.« Ich sage »Ich weiß.«

Einmal pro Woche diesen Ausflug, kann von mir aus ruhig immer regnen dort, hier: Balkon, Sterne, geiler Wind.

Die Conditio humana aus Sicht eines Hasen beschrieben (mümmel mümmel und studier‘).

Stefan Marx: I WAIT HERE FOR YOU FOREVER AS LONG AS IT TAKES

»We used to play doctor and nurses as kids, we used fizzlers as tablets to make the patient feel better! It caused a few fights… But my kids still play today«.

(Abb. Screenshot aus dem Internet: I Want to Spend the Rest of My Life, Everywhere, with Everyone, One to One, Always, Forever, Now von Damien Hirst. (Glass, compressor, rubber tubing, spray-gun and ping-pong ball). Dimensions variable)).

A revair.