14.7.

Am Morgen traf ich auf Oskar Roehler. Das war, als ich gerade die Treppe zu einer U-Bahnhaltestelle hinunterhüpfte. Wir erkannten uns wieder, erschraken, und er sagte: »Wohin des Wegs?«. Woraus sich wiederum ein die Stunden verstreichen lassendes Gespräch entspinnen sollte – wie zur Feier unseres Wiedersehens; zur Feier des Unverhofften an sich. Andy Warhol hat über die Eigenartigkeit des Stadtlebens im Manhattan seiner Zeit geschrieben: »Wenn Du jemandem 20 Dollar schuldest, triffst Du ihn an jeder Ecke. So lange, bis Du ihm deine Schulden zurückgezahlt hast. Um ihn dann niemals wiederzusehen.«

Wir schuldeten uns nichts. Ich ihm allenfalls noch den Text. Er zeigte mir eine antiquarisch erworbene Kiste kostbarer Zigarren, die er zusammen mit einer noch zu kaufenden Flasche Whisky zu seinem Produzenten zu bringen beabsichtigte. Es war kurz nach zehn Uhr am Morgen. Die Selbstverfickung würde verfilmt.

Auf der Kantstraße holte ich in einem Fachgeschäft für Bonsaibedarf eine Sukkulente ab, die dort über ein Jahr lang nach der Vorlage meiner Zeichnung in eine Form gebracht worden war – mit den Mitteln von Schlinge und Klinge nach altjapanischer Tradition –, mit der ich Friederike zum Geburtstag beschenken würde. Das Ergebnis war, frei nach D’Arcy Wentworth Thompson, seltsam geraten, konnte sich aber total sehen lassen. Dass die Zeichnung, dernach das stoisch vor sich hin wachsende Geschöpf in Form geschnitten und gebunden worden war, in Wahrheit nicht von meiner Hand stammte, es handelte sich um den Toten Maulwurf von Peter Handke, musste ich dem Japaner nicht preisgeben. Er nahm das Geld und lächelte, natürlich geheimnisvoll, in sich hinein. Dort hielt er wohl auch den ursprünglich lateinischen Namen des Gewächses, aus dem er seine Bioskulptur geschaffen hatte, verborgen. Und gab ihn, selbst auf Nachfrage hin, nicht heraus.

In Frankfurt dann, am Morgen nach der langen Fahrt durch die sommerliche Heide hinter Braunschweig: strahlender Sonnenschein. Es ist so warm hier, auch ganz unfeucht – ich war völlig falsch angezogen in meiner Berliner Kluft mit schweren Schuhen. Ein blauer Kran hievte stapelweise Dämmstoffplatten von der Straßenseite her auf das abgedeckte Dachgebälk des gegenüberliegenden Hauses, vor dem kürzlich erst die tote Akazie gefällt worden war. Immerhin dann doch bloß eine Maßnahme zur Wärmedämmung und nicht, wie ursprünglich befürchtet, ein Ausbau des Dachgestühls zum Penthouse mit Blick auf die Türme der nahen Innenstadt. Also würde die Gentrifizierung dies schönen Viertels noch ein paar Jährchen auf sich warten lassen.

Bei der Mume gibt es heute Frittiertes. Auf dem Balkon drängt sich rauchend Verwandtenbesuch.