15.3.

Abschied von den Schweizern. Zuletzt waren sie schon etwas ungehalten wegen der Zustände am Berliner Flughafen – Streik, das mögen sie nicht gern. Ohne »so«. Es fielen wenige, dafür harsche Worte. Unter anderem war die Rede von der Dritten Welt. Als ich abends mit Ijoma im Café Savigny saß, schwärmten wir von Martin Walser. Um zu Martin Walser zu gelangen, muss der Flughafen in Friedrichshafen angeflogen werden, der natürlich ganz klein ist, ungefähr so klein wie der von Jerez de la Frontera oder der von Dire Dawa, aber mit einem weniger schönen Schriftzug über dem Terminalgebäude (der in Jerez de la Frontera ist in einer serifenlosen Type plastisch, aus Beton geformt; in Dire Dawa sind sie entweder zu arm für Schriftzüge, oder die Buchstaben wurden aufgegessen), und ohne Palmen entlang des Rollfeldes (in Dire Dawa gibt es nicht einmal Palmen, bloß Sand. Und Staub). Oder man macht es halt so, wie damals Frank Schirrmacher, der auf den Autorentagen des Theaters in Hannover vorschlug: »Kommt, wir fahren jetzt noch zu Walser«, weil draußen stand seine Limousine mit Fahrer bei laufendem Motor. Was dann aber aus irgendeinem Grund doch nicht mehr stattgefunden hat, diese nächtliche Autobahnfahrt hinunter aus Niedersachsen zu Martin Walser. Obwohl es bestimmt schön geworden wäre, beim Sonnenaufgang über dem Bodensee dort an seiner Haustür zu klingeln. Und die Wasservögel machten Quack und Kräh.

Na ja, beim Verlassen des Cafés fragte ich die Besitzerin, die rein zufällig anwesend war, was mich schon seit zwanzig Jahren interessiert, denn so lange kenne ich ihr Café schon und so lange zeigt es sich mir auch in unveränderter Form, woher diese beiden Reliefs, die dort über den Mauerbögen in die Wand eingelassen zu sehen sind, eigentlich herstammten. Dargestellt sind antike Szenen, sie wirken höfisch auf mich. Einer sitzenden Dame wird mit der Flüssigkeit aus einer Amphore der Fuß gewaschen, vielleicht auch gesalbt, man kann es nicht erkennen, denn die Reliefs sind einfarbig, beziehungsweise wurden sie mit der Wandfarbe, die weiß ist, übertüncht.

Die Besitzerin trug, wie immer, wenn sie zufällig anwesend ist, eine lose gebundene Krawatte, gemustert im Stile des Buchumschlages von Takis Würger. Die Reliefs waren von Schinkel. Ob ich denn nicht wüsste, dass das Café Savigny einst als das Creamcheese bekannt geworden war? Wusste ich nicht, denn das war nun mal ausnahmsweise vor meiner Zeit. In den späten siebziger Jahren also, so die Besitzerin, war das Creamcheese zwar auch schon eine Art Café in diesen Räumen, in denen sich aktuell das Savigny befindet, aber es war vor allem dafür bekannt, das man dort in Ruhe einen durchziehen konnte – Kiffen war dort nicht nur toleriert, der Stoff, der bekanntlich high macht, wurde dort unter dem Tresen gehortet. Zum Zwecke des Verkaufs. Entweder, so konnte sich die Besitzerin erinnern, in Form vorgedrehter Tüten, oder zum Selbstbau als damals sogenanntes piece. Wobei, sie war selbst Stammgast in Creamcheese, konnte sich von daher lebhaft erinnern, als Parole »Prise« ausgegeben war. Wer nach einer Prise fragte, wurde mit Haschisch bedient. Es war damals, so sagte die Besitzerin des Savigny, sehr sehr still im Creamcheese. Weil an den Tischen ein jeder im Haschischrausch vor sich hin dümpelte. Gesprochen wurde nur wenig, Musik gab es keine. Und die Wände, so waren wir ja eigentlich darauf gekommen, waren leuchtend Aralfarben angestrichen gewesen. Schinkels Reliefs mit Goldlack übermalt. Es muss also ungefähr so ausgesehen haben wie in dem Haus von Hubert Burda am Münchner Siegestor, seiner Junggesellenbude, wo auf den Aralfarben lackierten Wänden unter anderem ein schöner Böcklin hängt. Die Besitzerin des Café Savigny hat sich dann, als sie das Creamcheese übernehmen konnte, für eine Totalübermalung in Weiß entschieden (frei nach Wilkie Collins). Die siebziger Jahre waren vorbei.