15.4.

In einer Sondersendung von Kochen mit Martina und Moritz, die am Samstag kurz vor Mittag gezeigt wurde und in der es monothematisch um eine mögliche Zusammenstellung von Köstlichkeiten für einen Brunch am Ostersonntag ging, kam es, vor allem für mich, als so langjährigen wie regelmäßigen Zuschauer, zu einem überraschenden Moment der taoistischen Erotik. Allerdings nicht zwischen Martina und Moritz selbst, denn es war Moritz solo, der ganz plötzlich in einer ungewöhnlichen Einstellung, wie auf einer Nebenbühne gefilmt, sein Rezept vorstellte, das er dem Zuschauer als morgendliche Erquickung für die Frau empfehlen wollte. Es ging um einen arabischen Kaffee. Der wurde wieselflink in einem speziell geformten Gefäß zubereitet, enthielt neben dem Kaffeemehl noch viel Zucker sowie arabische Gewürze. Aber als Zuschauer faszinierte mich, wie gesagt, der Einblick in die Liebeskultur dieses mir seit langem vertraut gemachten Paares, das ich zwar nur von ihrem aquarienhaften Leben in meinem Bildschirm her kannte, dabei aber stets kochend, sich dabei unablässig unterbrechend, unerbittlich zurechtweisend, einander zum gegenseitigen Probieren nötigend: so war über viele Folgen dieser mir lieben Sendung ein Gefühl von Intimität entstanden. Ich und die asexuell lebenden, dafür umso heftiger kochenden und auftischenden Martina und Moritz kannten uns gut.

Ein Trugschluss, wie ich am Samstag feststellen durfte, denn zum Müssen gehört für mich eine Empfindung des Widerstrebens, und die hatte ich eben gerade nicht. Denn außer diesem winzigen Signal des Taos hatte es ja an den vertrauten und mein Vertrauen hervorlockenden Elementen nicht weiter gemangelt. So hatte sich beispielsweise Moritz gleich zu Beginn dieser Sendung beim Ausblasen von sehr vielen Eiern falsch angestellt, beziehungsweise hatte er die zum Ausblasen der Eier nötigen Löchlein, von Martina als zu umfangreich empfunden, in die Schalen gebohrt, und war dafür zurechtgewiesen worden. So musste das sein.

Dann wiederum – und auf diese Momente wartet man, warte zumindest ich, ihretwegen schalte ich unter anderem ein – musste das von Moritz aus den geschätzten zwei Dutzend Eiern herausgeblasene Innenleben irgendwie weiterverarbeitet werden. Und halt nicht irgendwie, sondern so sinnvoll wie köstlon. Es geht dann, in der vom one shot diktierten Dramaturgie der Sendung, immer derart Schlag auf Schlag, dass ich selbst noch mit dem Nachdenken beschäftigt war, was ich selbst mit 24 Dottern und Eiweiß anfangen könnte, als Moritz wiederum diese bereits in einem Standmixer zu einer orangefarbenen Masse verquirlt hatte, um diese dann – das überraschte mich dann doch, und wenn ich gekifft gehabt hätte, wäre mir vermutlich ein verblüffter Kommentar entfahren (»abgespaced«) – in eine mit Backpapier ausgelegte Fettpfanne zu gießen, die er »hernach«* bei 140 Grad (Ober- und Unterhitze) im Backofen »eher stocken als backen« ließ.

Da fragte ich mich auch unbekifft doch frei nach Edward Bulwer-Lytton: Was wird er damit machen?

Während er mir das erläutern wollte, schob sich vom rechten unteren Rand des Bildschirms her Martina ins Bild, die mit einem Handrührgerät (die Marke konnte ich nicht entziffern, da die Vibrationen des zeitgleich auch stark in der Schüssel herumfuhrwerkenden Rührhakengespannes den Anblick des Handrührers in Martinas Hand verwackelte) ihre eigene Stimme dazu anspornte, schrill und durchdringend gegen des Handrührgerätes Scheppern eisern anzugehen.

Währenddessen Moritz still eine Farce aus Hackfleisch mit Zwiebeln herstellt, die er dann einwickelt in den Eierfladen, den er zum Stocken in den Ofen geschoben hatte. Es entsteht so eine Art Biskuitrolle der pikanten Art, die er mit einem vorzüglichen Messer in zimtschneckenhafte Stücke zerschneidet, die dann mit einem frischen Salat garniert und auf dem Gabentisch des Osterbrunchbuffets präsentiert werden. Martinas Gugelhüpfe, mit kunterbunter Zuckerglasur und bunten Zuckereiern dekoriert, sind auch schon fertig. Dann zeigen die beiden kurz noch, wie man Eiersalat anfertigt, der in Nestern, gemacht aus Kresse, angerichtet wird (der Trick besteht darin, die hartgekochten Eier dreimal durch die Eierharfe zu quälen: dann werden die Eierwürfelchen besonders fein).

Kurz entsteht eine Pause, die beiden beschauen sich ihr Werk. Da steht es, alles sieht, wie beinahe immer, fantastisch aus, zum Anbeißen. Man will hineinbeißen, zumindest zum Probieren eingeladen sein (wie schafft man das, wie kommt man an die beiden ran?), da zaubert – er schafft das wirklich, Moritz the Man, dass dieser Eindruck entsteht, dass er zaubern kann, wie die von Wolfgang Niedecken besungene Mutter aller Kartenlegerinnen – hält also Moritz seiner Martina diese Tasse hin. Und sie erkennt schon gleich am Duft, der ihr in die ihm, Moritz – ihrem Kontrahenten wie Kompagnon am Herd so wie im Leben – kampfeslustig hingereckte Nasenspitze steigt, dass es sich bei dieser heißen Flüssigkeit in dieser Tasse, um den von ihr so geliebten arabischen Kaffee handelt. Die vierte Wand wird durchbrochen, wir, die Zuschauer, reisen für einen taoistischen Moment in ein bis dato über viele, viele Folgen dieser Sendung ausgespartes Zwischenreich. Nein, es geht hinauf zum Hauptschauplatz dieser Erzählung, denn auch im Privatleben von Martina und Moritz spielt das Genießen eine Hauptrolle, um die sich alles dreht, ist Kulinarik der King.

Martina probiert, beinahe gierig, sie pustet nicht. Moritz schaut. Sie macht »Mhm«, und sagt: »Ist der heiß!«

*Simon Strauss in seiner eher vernichtenden Rezension der Neuverfilmung des Doppelten Lottchens auf der Fernsehseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14. April 2017