15.9.

Das Verzehren von Schwänen verbietet sich von selbst, sollte man meinen – warum eigentlich? Angeblich wurde in sehr viel früheren Zeiten zu festlichen Anlässen auch mal ein Schwan serviert. Bei Alexander Demandt wird meiner Erinnerung nach eine Quelle erwähnt, wonach bei einem Bankett ein gebratener (oder gesottener?) Schwan unter einer Rekonstruktion seines Federkleides aufgetragen wurde. Ich bin mir nicht sicher, ob es sich dabei nicht um einen kulinarischen Mythos handelt, vergleichbar in etwa mit dem angeblich ägyptischen Hochzeitsmahl, für das ein Huhn, das in einem Schwein steckt, das in ein Kalb eingenäht wurde, im Leib eines Kamels gegrillt worden sein sollte. Worauf gegrillt frage ich mich; worin? In einem Erdloch?

Unter den Foristen gibt es freilich ein paar Angeber, die von sich behaupten, schon einmal Schwan probiert zu haben. Die tasting notes sind leider annähernd wortgleich mit diesbezüglichen Anmerkungen auf Wikipedia und ähnlich frei zugänglichen Quellen im Internet: Fischig und tranig soll die Giraffe der langsamen Gewässer wohl schmecken. Na ja. Die Angeberei ist in einigen Fällen leicht zu enthüllen, beispielsweise wenn ein Forist behauptet, der von ihm erlegte Schwan habe beinahe 100 Kilo auf die Waage gebracht.

Seltsam, dass niemand vor dem Verzehr der lieben Hummer zurückschreckt. Die sehen ja ebenfalls sehr schön aus, vor allem auch farblich, und sie leben, wie Schwäne, monogam. Ob es wohl daran liegt, dass der schwarze Schwan als Trauerschwan bezeichnet wird? Vielleicht glaubte man ja zu früheren Zeiten, bei einem Schwan mit schwarzem Gefieder handele es sich um ein verwittwetes Tier? Als ich vor ein paar Jahren mit Oliver und Ingo in der Uckermark war, um Botho Strauß zu besuchen, sahen wir in einem unweit des Strauß’schen Eigenheims gelegenen Weiher, inmitten der dort auf anheimelnde Weise geschwungenen Moränenlandschaft, einen schwarzen und einen weißen Schwan, die auf dem von schmalen Bäumen umgebenen Gewässer verharrten, um ein Spiegelbild abzugeben wie gemalt.

Mir kommt es hier auch immer so vor, als ob die anderen Wasservögel verstummten, sobald die Flotte der Schwäne in den kleinen Hafen einfährt. So, als wären Tiere zu etwas wie Ehrfurcht fähig. Wahrscheinlich ist es aber halt Angst. Enten schlafen ja die meiste Zeit oder sind anders faul, Blässhühner verbreiten von früh bis spät Hektik und sehen auch eher lustig aus als elegant, wenn sie etwas Essbares unter Wasser entdeckt haben. Um unterzutauchen, müssen sie sich mit ihren appetitlichen Großfüßen erst etwas erheben, um sich dann mit einer Art Purzelbaum vornüber unter die Wasseroberfläche katapultieren zu können. Das liegt wohl an der Luftigkeit ihres Gefieders, das, anders als bei den Enten, nicht eng am Körper anliegt, um bei relativer Magerkeit und extrem großen Füßen den Schwimmkörper sozusagen zu verbreitern. Durch das kopfsprunghafte Eintauchen wird die zwischen den Federn gehaltene Luft aus dem Gefieder herausgepresst, und das Huhn, das ja eigentlich eine Ralle ist, taucht verschlankt hinunter. Um wie die Enten lässig mal hier, mal dorthin einzuschnäbeln, dafür ist der Hals des Blässhuhns viel zu kurz. Und bedingt durch seine hektische Natur, verbraucht es halt auch viel mehr Kalorien als eine Ente, weswegen es sehr oft und auf die beschriebene, kalorienzehrende Weise nach Essbarem tauchen muss. Ein Teufelskreis!

Schwäne sind anscheinend sogar sesshaft und verwenden dasselbe Nest immer wieder. Bis dass der Tod sie scheidet. Mein Vater erzählte immer die Geschichte von einem grässlichen Nachkriegswinter in Heilbronn, als ein Schwanenwürger dort sein Unwesen trieb. Und wie sie als Kinder immer wieder des Morgens tote Schwäne am Ufer des Sees fanden, denen der Mörder die Hälse verknotet hatte. Ich habe damals schon auch gefragt, ob man Schwäne denn nicht essen könne. Aber wenn die selbst im Nachkriegswinter keiner wollte?