16.2.

Kurz vor der Schöneberger Brücke, am Ufer, springen die Leuchttafeln im Bus, es sind viele, um und dann steht dort auf allen in einer gelben Schrift »Deutscher Widerstand«. Es ist bloß der Name einer Haltestelle, der Name ist eigentlich noch länger, die Worte verfehlen ihre Wirkung nicht.

Die Sonne scheint, jedes Körnchen Rollsplitt auf dem Bürgersteig wirft einen Schatten. Ein neues Blau am Himmel. Es geht, ich kann es kaum fassen, ein lauer Wind. Und zum ersten Mal seit Monaten brauche ich die Handschuhe nicht mehr.

Mittags im Kinocenter am Potsdamer Platz: Ich hatte das mit der Berlinale unterschätzt, es sind Hunderte Menschen, allein in meinem Saal etwa vierhundert, die sich den ganzen Tag über Filme ansehen. Ob wollen oder müssen, ich könnte es nicht. Mich hat eigentlich auch nur interessiert, wie in diesem Film, einem australischen, Berlin aussieht. Es geht gleich gut los (am Kottbusser Tor). Darauf scheinen sich alle Filmemacher geeinigt zu haben: Berlin, die gelb gestreiften Balkons, Möbel Olfe, Kottbusser Tor. Unser Bankenviertel. Ein Sonnenaufgang über der Museumsinsel wird gezeigt, eine Passagiermaschine fliegt durch den rostbraunen Streifen. Im Vordergrund, unscharf, die Patina der großen Kupel, ein bisschen Gold: schön. So sehe ich das selbst nie, geht ja auch gar nicht (aus optischen Gründen). Im Bus las ich auf dem Oberdeck im Sonnenschein das schöne Interview von Dominic Eichler mit Wolfgang Tillmans, da geht es genau darum: wie man das abbilden könnte, was man sieht. Es geht nicht! Was man gesehen hat in einem Motiv, kommt in der Kamera anders an. Die nimmt es physikalisch auf, du: psychologisch. Ganz dumm ausgedrückt. Mit dem Schmerz muss man zu arbeiten wissen. Diese Behinderung verstehen und in das Motiv hineindenken. Seinen Bildern, vor allem den Stilleben, sehe ich das an. Seinen liebevollen Blick. Hingabe. Hoffen tue ich es nicht, aber ich bezweifle es einfach, dass es eine technische Lösung geben wird, um vielen oder beinahe allen eine solche ergreifendere Fotografie im tillmanschen Sinne ermöglichen zu können. Also durch einen Filter beispielsweise, der diesen liebevollen Blick emuliert. Ich sehe ja schon auch, dass die Fotos, die jemand mit seinem iPhone gemacht hat, einen anderen Eindruck hinterlassen, als die von jedem anderen Telefon. Und das interessanterweise auf allen Endgeräten, auf denen man sie sich anschaut – nicht bloß auf dem Display eines iPhones. Sie wirken auf Anhieb technisch gelungener, auch schärfer, auch mit ihren verlagerten Schärfen und ihrer Farbigkeit, die in sich besser aufeinander abgestimmt scheint.

Perverserweise fing es in dem Film dann nach wenigen spätsommerlichen Szenen auf der Oranienstraße bald zu schneien an. Dick verschneite Bäume, es wurde auch so gut wie überhaupt nicht mehr hell. Auch das Ende dann nachts.

Draußen gottseidank strahlende Luft, Biergläser im Sonnenschein, der noch ein paar Stunden halten würde – es war ja erst Nachmittag. Eigentlich ist Kino eine gute Erfindung, finde ich. Nicht auszudenken, wenn ich da jetzt aus der Tür herausgekommen wäre und es wäre auch dort noch Winter gewesen und schon wieder Nacht.