18.10.

Ein Ruck geht durch das Schneckenreich: Im Verlauf des gestrigen Tages wurde bei unsäglicher Nebelsuppe vor dem Fenster – was die beiden freilich nicht die Bohne anficht, weil sie es unter ihrer Kuppel auf der Fensterbank bei aufgedrehtem Heizkörper, wie es unter Schnecken heißt, schnuckelig feucht und dämpfig warm haben, und weil Weichtiere auch keine Knochen und Gelenke haben, in denen Rheuma sich entwickeln könnte, dennoch auf eine Weise, die ein menschlicher Blick nur als gelenkig wahrnehmen kann – die gesamte (ausgespülte) Schale eines Viereinhalbminuteneies weggeraspelt und eingeschlürft. Heißhunger auf Kalkhaltiges? Hochzeitsvorbereitungen bien sûr!

Die Schneckenforschung allerdings ist im Detail auch anderer Meinung. Neuesten Veröffentlichungen aus Kanada und Australien zufolge — ganz merkwürdig übrigens, dass es immer wieder Forscher aus diesen beiden ansonsten komplett irrelevanten Ländern sind, die in der Tierforschung wegweisende Veröffentlichungen liefern; und nicht nur dort: Die menschliche Klitoris beispielsweise wurde ja neulich erst, also erst neulich, im Jahr 2008 von einem australischen Team vollständig kartographiert und beschrieben — zum ersten Mal!, davor hatte sich kein Mensch so Recht für die Details der Frauen interessiert. Eigentlich ja ein Skandal, aber na gut. Über die Vorgänge im Schneckenhäuschen weiß der Mensch auch noch nicht genug, aber in besagten Studien ging es immerhin um die Funktion des einen Geschlechtswechsel bei den zweihäusig angelegten Schnecken konstituierenden Kalkpfeils. Beziehungsweise: Der kanadische Forscher fand heraus, dass es nicht, wie bis dato angenommen, der Pfeil selbst ist, der die Schnecke zum Weibchen programmiert, sondern der Schneckenschleim, der daran haftet. Der Fremdschleim, der an der Spitze des Kalkpfeils haftet und in den Leib des Partners geschleust wird, ruft dort den Geschlechtswechsel, beziehungsweise die geschlechtliche Definition hervor. Von daher trägt die Veröffentlichung auch diesen herrlichen Namen »Funktionen des Schleims bei Soundso«.

In meinem Labor war generell ein gesteigerter Appetit festzustellen. Zusätzlich zur Eierschale mussten auch noch ein größeres Stück Gurke, ein halber Möhrenknispel und dazu gereichtes Blattwerk daran glauben. Wobei Selleriegrün verschmäht wird. Radieschenblätter dito. Bei ersteren könnte es am intensiven Geruch und Geschmack der hellgrünen Blätter gelegen haben. Farbinformationen spielen scheinbar eine untergeordnete Rolle, sonst würden Möhre und Kernhäuser von Äpfeln ebenfalls ignoriert. Bei den Radieschenblättern stören sie sich wohl an den brennesselhaften Dorndrüsen, die sich dort auf der Unterseite der Blätter befinden. Pilzstiele allerdings haben sie gern.

Nach der Nahrungsaufnahme ziehen sie sich gemeinsam in das Tubularium eines aufgerollt daliegenden Löwenzahnblattes zurück. Wie Schnecken wohl knutschen — Haus an Haus? Oder doch im ausgefahrenen Zustand, und ob das dann für sie eher Rücken an Rücken, Seite an Seite, Bauch an Bauch, oder Hand in Hand bedeuten mag? Alles noch Terra incognita.