18.2.

Als erster Gast der Vernissage hatte der Fischer die Galerie betreten. Im typischen Neonlicht vor weißen Wänden wirkte er dort selbst wie ein Ausstellungsstück. Bald kamen mehr und mehr Gäste, die, kaum anders als der Fischer, aber auf entscheidende Weise anders gekleidet und frisiert waren als er. Nun ergab sich das Bild einer Ausstellungseröffnung. Der Fischer verabschiedete sich von Erik und fuhr zurück in sein Haus am dunklen See. Ich hatte ja angenommen, der Fischer habe ohnehin in der Stadt zu tun gehabt. Fische ausliefern, naheliegenderweise. Oder etwas besorgen, was es dort draußen nicht gab. Aber er war wohl eigens dafür nach Berlin gefahren. Ein feiner Mann. Das war mir damals schon aufgefallen, als er mir die Fischknochen an seinem Weihnachtsbaum einzeln erklärt hatte. Wir würden ihn dort bald wieder besuchen müssen. Auch seines Räucherfischs wegen. Angeblich kann man ja in warmen Monaten mit einer Draisine zu ihm.

Auf dem Heimweg schauten wir noch in einer Pianobar vorbei, in der Filmstudenten aus Georgien ein Fest feierten. Wir kannten dort niemanden, aber es gab sehr viel zu essen. Möglicherweise waren die Gastgeber auch aus Armenien, denn in den Salaten waren nur wenige Walnüsse zu finden. Man nahm die Salate im Stehen ein, weil es nicht ausreichend Stühle gab. Am Flügel saß der herrlich ungesund aussehende Klavierspieler, der mir vage bekannt vorkam, aber ich war mir nicht sicher. Wir wünschten uns was von Gonzales. Nach drei Stücken, zu denen auch getanzt wurde, fragte ich nach Steve ‚Silk‘ Hurley. Er zwinkerte. Eine angeblich berühmte Schriftstellerin in einer karierten Bluse, deren Gesicht hell gepudert war, sodass es wie aus Plastik gemacht wirkte, drehte sich von ihrem Sitzplatz an einem vollbesetzten Tisch um und nahm ein Foto von ihrem eigenen Gesicht auf. Das Buffet wurde andauernd mit neuen Schüsseln bestückt. Das ging dann noch bis Mitternacht, bald musste die Bar schließen. Zum Abschluss spielte er noch Good Life (in der Version von Sueño Latino; davor war es La vie en rose gewesen von Grace Jones).

Kurz vor dem Potsdamer Platz, auf dem Abschnitt der Straße, wo die großen Flächen im Erdgeschoss derzeit noch von Galerien mit uninteressantem Programm trockengewohnt werden, bis dann auch dort, unterhalb von Andreas Murkudis, teurer vermietet werden kann, hielt ich vor einem Schaufenster inne. Ein Taxi stand im bloßen Raum, die Motorhaube aufgestellt. Drumherum war es dunkel. Die gelbe Taxilampe war angeschaltet und verbreitete ein mildes Licht. Das sah so schön aus, war aber leider gar keine Kunst. Erst nach einer andächtigen Weile hatte ich feststellen müssen, dass ich hier vor einer Filiale von Carglass stand.

In der S-Bahn spielte das iPad mit der ihm eigenen Stimme, der eines synthetischen Glockenspiels, den Auftakt von Guten Abend, gut‘ Nacht: Die Schlafenszeit-App erinnerte mich daran, in fünfzehn Minuten ins Bett zu gehen.