18.2.2019

Wobei das auch nicht bloß Vorteile hat, gemeinsam mit wenigen auf einer Fläche zu leben. Daran mußte ich gestern denken, während ich den Amselhahn vor meinem Fenster beobachtet habe: Wie ich im Winter 2017 durch die aus Frankfurt beschafften Säulen samt optimaler Futtermischung eine für mich spektakuläre Crowd an unterschiedlichsten Vögeln heranlocken konnte auf meinen Balkon und wie gerade das plötzliche Erscheinen eines Kernbeißers mich fasziniert hat. Welche Freude das für mich war, sodass ich mich jeden Abend schon auf das frühmorgendliche Hinausschauen freute, wenn ich, noch im Liegen, die Meisen hörte, wie sie auf der Querstrebe des eisernen Gartenstuhls hockend, darauf die Körnlein schmiedeten. 

Aber das ging oder währte dann halt nur bis zu jenem Abend, als ich an meiner Türe einen handgeschriebenen Brief, eigentlich wars ein Schmierzettel, hängend vorfinden mußte, auf dem mich mein Nachbar abmahnte, weil er, von einem Südseeurlaub zurückgekehrt, seine unter meinem Balkon gelegene Terrasse voller nicht weggekehrter Vogelfuttersamenkörnerschalen vorfinden hatte müssen. »So macht das keinen Spaß!« stand für mich als irgendwie imperativ zu verstehen darunter. Als ob er meine Telephonnummer nicht hätte. Gerade so, als liefe man sich nicht circa dreimal täglich über den Weg. Na gut.

Die Amsel hier jedenfalls schweigt beharrlich. Bedauerlicherweise. Wie Cord Riechelmann geschrieben hat, benötigen die Amselhähne nach der Winterpause einige Tage zur Einübung, bis ihnen die Melodien wieder wie geölt aus den Schnabelhälften gleiten. Aber dieses hier scheint mir mutistisch. Oder vielleicht ein Fall mit Lampenfieber? Gestern abend jedenfalls, zur blauen Stunde, öffnete ich mein Fenster und studierte ihn durch den Fensterrahmen direkt ins gelb umrandete Auge. Er gewahrte dies. Wippte, doch machte keinen Ton. Im oberen Stockwerk des der Hausfassade nahen Geästs hatten sich indes gleich zwei Amselhennen niedergelassen. Denn der Stammbaum des Mutisten weist in idealer Höhe einen Nestrest aus Vorjahren auf: Der ließe sich ausbauen. Doch schwieg der Hahn. Die Hennen hüpften. Ich schaute sie alle an.

Er flog dann schließlich in den nächstgelegenen Baum. Auch sein Flattern schien mir zaghaft, irgendwie unrund. Hoffentlich ist er nicht krank. Beim Schließen des Fensters stob das Fragment einer Melodie durch den Luftraum über dem Hof. So kurz, kürzest, dass ihr Nachhall schon länger schien als die Tonfolge selbst. Ob er das war?