18.4.

In einem streng vertraulichen Telefonat teilte mir Joachim Lottmann neulich mit, wie Wladimir Putin riecht. Er muss es wissen, denn zum Zeitpunkt unseres Gespräches – ich hatte ihn angerufen – befand er sich in der Lounge eines Moskauer Flughafens.

Grund: – ah, ich liebe diese herrische Formulierung, die zu den glanzpolierten Instrumenten des hard baked Politbloggers gehört wie das Whistleblowing und noch so einige andere, geradezu widerwärtig und schauderhaft den Wackelpudding durch die Zähne strömend lassende Dinge mehr – war, dass er, Lottmann, an Bord der sage und schreibe tatsächlich mit »Austria One« beschrifteten Staatsmaschine des Österreichischen Bundespräsidenten nach Moskau geflogen worden war, um dort Wladimir Putin persönlich treffen zu müssen.

Joachim Lottmann, so muss man wissen, arbeitet ja derzeit an seiner Gesamtausgabe, deren krönender Abschluss in einem Band mit dem Arbeitstitel Der Zweite Faschismus beschlossen werden soll. Dies allerdings und lediglich vorläufig, denn wie jede gute Punkband können halt Die Lottmanns auch noch einen vierten Akkord und sind, ohne Zweifel, total geil auf die Zugaben.

»Wie riecht er denn genau, also Putin«, fragte ich.

»Extrem angenehm natürlich«, beeilte sich Lottmann zu sagen, nicht ohne ein »Mein lieber Joachim« hinterherzuschicken. Und danach das erlösende »Wie du dir denken kannst«.

Als ich den Code dechiffriert hatte, wurde mir klar, mit wem wir es da zu tun hatten. Also nicht mit Lottmann, sondern mit Putin. »Die Eisente«, als die der Präsident der ehemaligen UdSSR längst in den Teekränzchen zu beiden Seiten der Hamburger Elbchaussee bezeichnet wurde. Freilich wusste ich um Lottmanns verderblichen Einfluss. Er selbst hatte mich schließlich vor ihm gewarnt. Also vor sich. Und dennoch. Mit seiner genauen Beschreibung des Intimgeruchs der Eisente hatte Joachim Lottmann es auf die von mir einerseits ersehnte, zugleich aber auch megagefürchtete Weise geschafft, den sogenannten Keim des Zweifels in meiner Brust zu nähren. Ich wollte diesen von Joachim Lottmann kolportierten Duft Wladimir Putins am eigenen Leib verspüren dürfen. Ich wollte wissen, wie sich das anfühlt, als Mann, wenn man nackt ist, und nach Haferbrei riecht.

Am Freitag wurde dann in meinem Leib- und Magenblatt Frankfurter Allgemeine Zeitung ein Artikel publiziert, in dem den von Joachim Lottmann gestreuten Gerüchten bezüglich des Intimgeruchs des Präsidenten der Pansowjetischen Konföderation Dr. (honoris causa) Wladimir Putin die für mein Sicherheitsbedürfnis dringend benötigten Fakten untergeschoben wurden. Die FAZ zitierte Putin wörtlich aus seiner Rede an die Pansowjetische Jugend: »Je weniger Zähne man hat, desto besser schmeckt der Haferbrei.«

Ich lief (ging also) schnurstracks zu Kaiser’s, wo man, einer spezifischen Eigenheit, investorentechnisch, meines Kiezes geschuldet (damit, also mit dem Wort geschuldet, beginnt nun der Shift vom Politblog ins Feuilleton) eigens ein Regal bereithält, aus dem heraus ausschließlich in Russland hergestellte Lebensmittel feilgeboten werden. Ich griff zu bei den Getreideflocken der Handelsmarke Myllyn Paras, auf deren Verpackung ein so was von eindeutig vom Kellogg’s Frosties-Tiger abgepauster Tiger abgebildet war. Wie viele Packungsinhalte zu 300 Gramm würde ich aufessen müssen, um den Intimduft der Eisente verströmen zu können? Ich schätzte grob über den Daumen und nahm derer zehn. Dazu eine Dose des lediglich in Russland bekannten Sonderfisches namens Sardinelle, aber bloß deshalb, weil ich die grafische (sic) Gestaltung der Dose so hübsch fand.

Überflüssig zu erwähnen, aber auch Fun Facts sind mir wichtig: Russischer Haferbrei schmeckt halt leider echt noch nicht einmal halb so gut wie Kellogg’s Corn Flakes. Und zwar weder mit Milch noch mit Tee (wie es auf der Packung unter anderen Zubereitungsvarianten empfohlen wird, so man denn des Kyrillischen mächtig ist). Körpergeruchstechnisch leider auch keine News: Wladimir Putin riecht genau so wie ich.