1.9.

Um sechs Uhr kriecht eine kühle Feuchtigkeit in den Raum, noch ist es still. Wellenhaft fährt ein Rauschen durch das Laub an den Bäumen. Meine ich das bloß, oder fangen die Blätter schon zu rascheln an? Am Ahorn gegegnüber sind wenige Blätter mit roten Rändern gesäumt. Die Bündel der geflügelten Samen, die wie Rotoren kreiseln werden, haben Rostfarbe bekommen. Ohne das Fernrohr zur Hilfe nehmen zu müssen, zeigt sich auf den Blättern des Kirschbaumes ein Belag aus rötlichem Staub über dem dunklen Grün; es ist kein Staub, auch hier beginnt die Färbung. Das iPad meldet eine Lufttemperatur von 12 Grad.

Kurz nach sieben sind die kleinen Wolkenpunkte am eisblauen Himmel zu einer milchigen Schicht verlaufen. Gestern schaute ich um die Mittagszeit aus dem geöffneten Fenster, weil ein heftiger Wind aufgekommen war. Da war am einen Ende der Straße der Fernsehturm im Sonnenlicht zu sehen, umgeben von weißen Wolkenhaufen, aus deren Masse heraus er aufragte, als ob er sie quirlend steifgeschlagen hatte, und am anderen Ende zog eine dunkelgraue Decke heran, die reichte dort wie ein Schatten über die Häuser bis zum Horizont. Augenblicke später ging aus dieser Konfrontation zweier Lagen der Regen hervor.

Dunkel wird es jetzt kurz nach zwanzig Uhr. Meine Schuhe, sie sind weiß, leuchten auf dem Boden zwischen den Kieferstämmen. In 22 Tagen beginnt das astronomische Winterhalbjahr. Am Rhododendron ist alles schon schlaff und hängt runter. Vor ein paar Monaten habe ich angesichts der nackten Bäume geschrieben, ich könnte mir nicht vorstellen, dass an denen bald wieder Grünes erscheinen würde. Gerade kann ich mir nicht vorstellen, dass all dies üppige Grün um mich herum bald schon weggeflogen sein wird. Mitsamt dem Zirpen der Vögel, dem Rascheln des Holzkohlensacks, dem Klappern der Teller, dem Gelächter im Dunkeln und dem guten Duft der Wäsche, die im Freien getrocknet worden war.