19.4.2019

Gottesdienst im Grossmünster. Die Sonne bleibt draussen und lässt die Chorfenster leuchten. Die drei Motive wurden von Augusto Giacometti Anfang der dreissiger Jahre gestaltet. Ich konnte meinen Blick nie lange ablenken von diesem Glühen von Rot und Blau. Das mittlere Fenster erwies sich als das mit der grössten Anziehungskraft auf mich, weil es dort über der Marienfigur noch einen dichten Wald gibt aus dem ansonsten kaum verwendeten Grün, in dem drei blaue Vögel sitzen, deren Farbe heraussticht aus der sie umgebenden Dunkelheit. Und es sind diese drei blauen Formen, die Sigmar Polke aufgenommen hat für die Gestaltung der Fenster in den Seiten des Kirchenschiffs (in dem Wettbewerb wurde er den Mitbewerbern Katharina Grosse und Olafur Eliasson vorgezogen.) In sämtlichen Fenstern von Polke (sechs an der Zahl) tauchen immer wieder diese drei blauen Formen auf. Zunächst, noch nahe am Chor, in figürlicher Kombination mit einem Lamm und einem Meer aus heiter schaukelnden Lampions. Die übrigen Fenster sind aus Scheiben bunter Achate zusammengesetzt. Ansonsten ist der Kirchenraum steinfarben und hoch und weit und so leer, wie ich es mir vorgestellt hatte. Auf den Bänken allerdings war jeder Platz besetzt.

Das Collegium Vocale sang aus der Matthäuspassion. Der Pfarrer hatte seine Predigt unter das Motto Ein Riss von oben bis unten gestellt. Er spannte den Bogen vom Brand der Notre-Dame bis zu den Bildern des Schwarzen Loches in der Galaxie M87 »Aufschrei, Aushauchen und Vergehen.« Die Kollekte ging zugunsten der Dargebotenen Hand, dem Schweizer Sorgentelefon (Tel 143.)

Draussen vor der Tür blendender Sonnenschein, ringsum sind die Häuser aus demselben hellen Stein gemacht wie auch das Münster, das sich aus ihrer Mitte vom Platze erhebt. Der Pfarrer gab zum Abschied jedem Besucher die Hand.