20.4.

Gestern wurde in der Tribune de Genève, einer Zeitung, die ich nicht regelmäßig lese, der aktuelle »Facteur Suisse« veröffentlicht: »3,3 c’est le nombre de planètes nécessaires si tout le monde vivait comme la population résidente en Suisse« – die Menschheit müsste sich auf 3,3 Planeten von den Dimensionen der Erde verteilen, um dort dann jeweils so leben zu können wie die Schweizer.

Wer denkt sich so etwas aus? Ich brachte diese Zahl ein in das Tischgespräch, das ich am Abend mit dem Innerschweizer Beda Achermann und seinem Reisegefährten François Halard führte. Achermann, der extrem groß ist, hatte gerade den Kellner gebeten, ihm anderthalb Portionen Spargel zu bringen. Der Kellner hatte ihn zwar mit geweiteten Augen darauf hingewiesen, dass es sich damit dann um 600 Gramm Spargel handeln würde, aber das focht Achermann nicht an. Er nickte zufrieden. Im Grunde, erklärte er uns, war es in der Schweiz ausschließlich oben in den Bergen auszuhalten. Dort aber sei es herrlich und wild, dort gäbe es auch interessante Schweizer. In Zürich schlafe und esse man halt, aber leben ginge als Schweizer nur allein und in dieser abgeschiedenen und im Grunde ja zumindest lebensbedrohlichen Weltenthobenheit der Bergwelt. Vom Facteur Suisse hatte er, Achermann, noch nie gehört, fand die Idee aber lustig, weil absurd. Herr Halard, so stellte sich im weiteren Lauf des Abends heraus, liebte genau wie ich dieses einsame Waschbecken, das in dem Durchgang zwischen Bar und Speisesaal der Kronenhalle in Zürich an einer Wand angebracht ist. Es hat diese einmalig schöne Farbe. Ein mildes, leicht fluoreszierendes Grün.

Dass es irgendwo da draußen im Weltall noch 2,3 Exemplare dieses Waschbeckens geben könnte, hatte mich bei Lektüre der Tribune noch unangenehm stark beschäftigt. Auch durch das Lesen eines Interviews mit Gloria von Thurn und Taxis anlässlich der Veröffentlichung der Liebesenzyklika des Papstes in der Sektion »Z« der Zeit wurde mein vieles Denken an die 3,3 Heimatplaneten nicht gerade erleichtert, sondern mir schwanten auch 3,3 bigott daherplappernde Fürstinnen, ein um den Faktor 3,3 verstärkter Ausstoß ihrer mit dem Munde aquarellierten Gemäldeproduktion im Stile Elizabeth Peytons sowie halt leider auch 3,3 Päpste. Sowie 3,3 Doppelgänger mit Namen Greg Koch.

Klingt ausgedacht, aber nach der dritten Flasche Bordeaux winkte Beda Achermann den Kellner heran und fragte, während er eine Rechnung über 303 Euro bezahlte, nach einem Drüeli, also einer Kleinstflasche dieses Jahrgangs vom selben Weingut mit 0,33 Litern Inhalt. Wurde prompt serviert.

Früh zu Bett.