20.7.

Es ist meiner Ansicht nach wirklich gar nicht verwunderlich, dass Sigmund Freud ihn mit einem Berufsverbot belegt sehen wollte, und dass Carl Gustav Jung seine Mitarbeit aus sämtlichen Schriften tilgte: Otto Gross war sozusagen seiner Zeit derart weit voraus, dass insbesondere seine Theorie zum Geschlechterverhältnis den Zeitgenossen wie Wahnsinn erscheinen musste (den C.G. Jung ihm tatsächlich attestierte).

Otto Gross schreibt 1920: »Der Masochismus des Mannes, auf die Frau übertragen, führt einerseits zu einem Kompromiß mit dem Protest der Frau und wird in vielen Fällen zum allerdings überkompensierten Ausdruck für ein Kontaktbedürfnis auf Grund der Gleichordnung. Es ist dies die resignierte Geste des Mannes, der auf die Anerkennung der eigenen Person in der Beziehung verzichtet hat.

Andererseits liegt es im Wesen jedes überkompensierenden, einem Antagonistenkomplex angehörenden Triebes, daß er seinen Antagonisten selbst wieder wach erhält. Mit anderen Worten: Die masochistische Tendenz des Mannes, als ein übertreibendes, über die Gleichordnung der Geschlechter hinaustreibendes Moment, erzeugt einen Gegendruck im eigenen Innern, sie läßt den durch die eigene Hingebungstendenz stets gefährdeten Trieb zur Selbsterhaltung nicht zur Ruhe kommen und bringt ihn als Impuls der übertriebenen Selbstbewahrung, der Abwehr oder Rache, immer wieder an die Oberfläche.

Es ist im Wesen des Korrekturversuches durch Überkompensation, daß er zuletzt doch immer nur den Kampf der Extreme ergeben kann und nicht das seelische Gleichgewicht, weder im Inneren des Individuums noch in der Beziehung der Individuen zueinander. Und dennoch ist in ihm das Beste, das wir haben: das Streben nach Beziehung. –«