20.7.2019

Ich kann keine Bilder vom Mond mehr sehen. Weder Vorderseite noch die Erdabgewandte. Auch keine Mondmobile, Astronautengesichter, schematische Darstellungen der Flugbahn durchs Weltall zum Mond, Stars And Stripes. So heftig war die Überdosis zuletzt beim Tod von David Bowie (im Year Punk Broke). 

Es wird auch schon wieder früher dunkel (21 Uhr 15). Was ich vermissen werde ist die akustische Osmose, die es nur im schönen Sommer gibt. Wenn durch die geöffneten Fenster eine sich über den Tag hinweg beständig ändernde Mixtur an Alltags- und Naturgeräuschen an mich herangetragen wird. Manches davon ist kaum mehr als Ahnung und lockt mich, ich lausche; anderes hat von sich aus genügend Körper und dringt bis zu mir hinüber oder empor. Einer der Nachbarn von gegenüber beispielsweise hat sich ein Blasinstrument gekauft, ich kann es nicht genau entziffern, ob es eine Art Saxophon ist oder eine Posaune (vielleicht ja dieses spezielle Horn, das Richard Wagner damals erfolglos auftreiben wollte in Paris), er übt darauf oder damit an jedem frühen Abend von sechs bis zur Tagesschau und für mich hört es sich allmählich gut an. Was es leider micht mehr in der Intensität gibt wie früher mal, ist Geschirrklappern. War für mich der Inbegriff des Sommerbeginns: Wenn das Geschirrklappern hörbar wurde, standen überall die Fenster offen, und es war warm.

In den Bäumen rauscht der Wind. Bin mittlerweile bei 130 Einträgen im Feldbuch, das ich seit Anfang Mai führe. Das ist nicht viel, jedenfalls sehr viel weniger, als ich erwartet hatte. Gut, in Israel hat die App gar nichts erkannt. Aber auch hier, die Stadtlandschaft besteht aus sehr viel weniger Vogelarten und Pflanzensorten, als man sich das so vorstellt. Allerdings lag ich gestern unter einem Baum und dachte, was ist das denn bloss für ein entzückender Vogel, dessen Stimme ich da vernehme? Ganz bestimmt ein Exot. Doch war es tatsächlich ein Stieglitz. Der ist vergleichsweise winzig, aber apart gefiedert in beige, weinrot und schwarz. Und macht einen langen Ton, den er unablässig zwirbelt. Hört sich an wie Fairouz, wenn sie Mush Kissa Hai singt, ein bisschen auch wie mein Nachbar wenn er seine Tröte wringt.

Wenn das auch noch Düfte wären, und nicht bloss Klänge, fände ich es freilich unerträglich. Man stelle sich das vor: schon früh am Morgen wehten die monotonen Düfte der Allerweltsvögel Sperling und Meise herein. Abends stösst der Nachbar in sein duftendes Horn. Auch ein Hörnchen wäre mir da schon zu viel. Wobei es dann wahrscheinlich erstaunlicher- (oder erbaulicherweise) so wäre, dass gerade die Taube, also deren bisweilen extrem nervender Rufton von einem seltenen Wohlgeruch wäre, sodass man wieder garnichts gegen die Anwesenheit einer Taube einwenden könnte. Wohingegen der Steiglitz dann stänke, die Biene zwar anders, aber trotzdem halt auch et cetera. Gut, dass es soweit nicht gekommen ist mit der Evolution und ich die Fenster sommers offen lassen kann.

Bei Filmen, die im Sommer spielen, liegt unter allem Draussen Grillengeräusche. Ich kann mich nicht erinnern, wie der Winter klingt.