2.10.

Nebel und Regen, ein Versuch, aus den massenhaft im Vorgarten herumliegenden Bucheckern Popcorn zu machen, lieferte kein befriedigendes Ergebnis. Zwar wird die dreikantige Schale des Gehäuses knusprig, aber sie springt nicht auf (obwohl die Bucheckern unter dem Deckel des erhitzten Topfes herumspringen wie Maiskörner). Beim Draufbeißen findet sich darin allerdings nichts mehr außer warmer Luft. Offenbar verdampft der Kern durch die Prozedur – schnöde.

The Joy of Haushalt. Weil Eric verreist ist, um sein Examen als Minentaucher abzulegen (jedenfalls verstehe ich den Inhalt seiner SMS in diese Richtung weisend), griff ich selbst zu den Putzmitteln und saugte und wischte den Nachmittag über, was mir, wohl auch, weil es vor den Fenstern so ungemütlich zuging, weitaus mehr Spaß machte als gedacht. Endlich weiß ich, woher der appetitliche Duft kommt, den die Behausung nach Erics Besuchen verströmte: Er benutzt eine Bodenpflege mit Lavendelgeruch!

Beim Einkaufen fiel mir vor dem Supermarkt ein Plakatmotiv auf, darauf waren zwei kuschelnde Männer in einem Bett abgebildet. Mehr an Information ging, bis auf ein eiscremehaftes Logo, nicht daraus hervor, also notierte ich mir den Markennamen. Enttäuschenderweise stellte ich zuhause dann fest, dass es sich um einen Versandhandel für sogenannte Toys (fürs Liebesspiel) handelte. Enttäuschend auch vor allem deswegen, weil es in deren Shop nichts, aber auch gar nichts Neuartiges zu bestellen gibt.

»Die Tatsache, dass schon heute sehr viele Männer und nicht wenige Frauen ins World Wide Web gehen, um stimulierende Bilder anzuschauen, zu flirten, eigene Fotos oder Filmaufnahmen hineinzugeben, mit einem Chatpartner sich zu erregen, vor einer Webcam sexuelle Handlungen zu vollführen, einen Gelegenheits- oder maßgeschneiderten Dauerpartner zu suchen usw., wird unser Liebes-, Geschlechts- und Sexualleben in einem Maß verändern, das wir uns noch gar nicht ausmalen können. VR und RL, das heißt Virtual Reality und Real Life, werden sich zunehmend verflechten. Die neuen e-Apparate gesellen sich zu jenen Objekten, die massenhaft erotisch besetzt werden – im Sinne der für unsere Warenwelt charakteristischen Objektophilie«, schrieb Volkmar Sigusch im 99. Fragment seiner kritischen Theorie Sexualitäten. Allerdings sind auf jener Site ausschließlich mechanische und elektromechanische Liebesspielzeuge bestellbar. Ein Ei, das mit »kalter Flüssigkeit gefüllt«, übergestülpt werden kann. Ein Auflagevibrator. Diverse Dildos. Dilden? Jedenfalls alles geradezu bastelhaft real. Virtuell scheint dabei lediglich die Phantasie über die Qualität des somit erreichten Orgasmus. Tatsächlich sind diese Passagen in den Paarinterviews einigermaßen sehenswert (könnten freilich noch überraschender gescriptet werden, denn mittlerweile holen ja sogar die Berliner Verkehrsbetriebe in dieser Hinsicht rasend schnell auf).

Beworben werden die nach Paarkonstellationen zusammengestellten Pakete nämlich mit Testimonials, in denen Paare aus dem sogenannten Real Life in ihren noch warmen Betten lagernd, über die angeblich soeben gemachten Erfahrungen mit den Geräten berichten. Ziemlich peinlich das Ganze, könnte direkt vom Familienministerium produziert worden sein. Es gibt drei Frau-Mann-Paare und eines aus Mann-Mann. Frau-Frau kommt nicht vor. Implizit lautet die Aussage: Sexuelle Geschicklichkeit ist dem geheimen Wissen der Frauen inhärent. Treffen zwei dieser naturbegabten, direkt von der Sexgöttin inspirierten Wesen aufeinander, braucht es keiner zusätzlichen Technologie. Dann ist das die Technologie, die zu sich selbst kommt. Dementsprechend primitiv und so gesehen halbfertig stellen sich die Männer in den Testimonials dar: Der nicht glatzköpfige Liebespartnerdarsteller aus der Mann-Mann-Konstellation kichert beim Aussprechen des in seinem Paket enthaltenen Gerät namens »Eichelschmeichler«, woraufhin der glatzköpfige Eicheldarsteller ihn anweist, ihm eben damit »mal einen zu schmeicheln, Du«. Wer denkt sich so etwas aus? Das Impressum gibt leider nicht sehr viel her. Unter den traditionellen Frau-Mann-Konstellationen gibt es allerdings eine wahrscheinlich unfreiwillig komisch gecastete: Da hat der glatzköpfige Mann einen sechs Meter langen Rauschebart von lockiger Konsistenz, die sich zum Verwechseln ähnlich auf dem Kopf seiner Liebespartnerdarstellerin sozusagen fortpflanzt. Ältere Zuschauer werden sich unwillkürlich an eine Szene aus Bernd Eichingers Das Boot erinnert fühlen, wo sich bei der Filzlauskontrolle zwei Matrosen gegenseitig damit necken, dass sie sich die Haare am Arsch des einen mit denen in der Nase des anderen zu Zöpfchen verflechten könnten.