22.10.

»Manchmal passiert auch ein paar Tage gar nichts«, so soll Peter Handke sein Leben als Tagebuchschreiber zusammengefasst haben. Zumindest stand das so in der Zeitung. In mittelalterlichen Erzählungen gibt es den Kunstgriff, dass tagelang nicht Erzählenswertes passiert. Steht dann aber freilich trotzdem da, wird sozusagen nicht unerwähnt gelassen. Das Nichterzählte scheint qualitativ unterschiedlich vom etwa Verschwiegenen. Das Nichterzählte bleibt liegengelassen. Aber nicht achtlos, sondern, im Gegenteil: nach eingehender Prüfung.

Grenzübertritt bei Basel gegen elf Uhr am Morgen in einem menschenleeren Eurocity-Express. Die Fahrt geht weiter nach Zürich, wo wir zu einem Galopprennen eingeladen sind. Also nicht als Teilnehmer. Ich mache mir nichts aus Pferdesport – glaube ich. Ich war noch nie auf einer Pferderennbahn. Am ersten Bahnhof füllt sich unser Waggon mit den Menschen, Schweizern, die viel miteinander reden, in Zeitungen lesen und vereinzelt sogar streiten. Das Wetter ist nicht gut. Wie es scheint, hat es seit Tagen viel geregnet und es geht wohl bald schon wieder los damit. Der Mischwald hat teilweise schöne Laubfarben. In den Dörfern ist nirgendwo auch nur irgendeiner zu sehen.

Nicht unerwähnt bleiben soll mein Besuch in einer Kofferfabrik. Ist auch schon wieder beinahe eine Woche her. Die Koffer werden in einem Fabrikgebäude produziert, das von seiner Architektur her so gestaltet ist, dass es genau so aussieht wie die Koffer, die im Inneren des kofferförmigen Hauses hergestellt werden. Bloß in größer. Beziehungsweise sind die Koffer halt kleiner als das sie umgebende Haus. Was mich dort aber viel mehr beeindruckt haben wird, das waren die Roboter, die Koffer zusammenbauen. Es sind eiserne Tentakel, orangefarben lackiert. Von der Grundausstattung sind sie alle vom gleichen Typ. Bloß hat dann ein jeder von ihnen andere Spezialwerkzeuge auf seine Tentakelspitze montiert. Der eine kann die Alubleche damit lochen, der andere schweißt mit blauem Lichtblitz etwas dran.

Stundenlang hätte ich den Maschinen bei ihrem ermüdungsfreien Ballett zuschauen wollen. Es war dort wie in einem begehbaren Björk-Video. Der Vorarbeiter, ein leitender Ingenieur, sagte mir, man könnte sie theoretisch Tag und Nacht und das über Jahrzehnte hinweg laufen lassen. Es gibt kaum Verschleiß.

Aktuell sind die Fragen freilich profaner Natur. Woraus beispielsweise wird der Holzmilchkäse gemacht, für den hier plakateweise geworben wird – aus einer Milch von Kühen, die mit Holz gefüttert werden?