22.9.

Was es bei Natalia Ginzburg über das Verhalten der Kinder angesichts ihres zeichnenden Vaters heißt: »Wenn mein Vater zeichnete, hielten wir Kinder den Atem an«, gilt in ähnlicher Weise ebenso für das Verhältnis der Insulaner von Hvar zum Sonnenuntergang. Wenn das Naturschauspiel beginnt, tritt der Barmann durch das helle Viereck vor seine Tür und fährt wie geistesabwesend damit fort, sein Glas zu polieren. Die Frau an ihrem Küchenfenster dreht das Radio leise. Alle schauen wie gebannt auf den fernen Ort hinter der kleinen Insel, die inmitten des Hafenbeckens liegt. Dahinter scheint die Sonne unterzugehen. Dort verläuft die gerade Linie des Wasserspiegels quer über den Horizont. Darüber färben sich die Wolken ein – so es welche gibt, vorgestern gab es gar keine, gestern nur wenige, kleine – von dorther kommt der inlandige Wind, der durch die Kiefern rauscht, und die unter den Aschenbecher geklemmten Kassenbelege auf dem Tisch vor der Bar zum Flattern bringt.

Gerade noch wurde geredet, es lief Musik, jetzt wird geschaut. Die Faszination des Sonnenuntergangs nutzt sich selbst bei den hier auf dieser Insel Geborenen nicht ab, wie es scheint; und das gilt auch für das herrliche Wasser des Meeres, das ihren Genuss nur noch zu steigern scheint, denn ich habe hier schon mehrmals Männer gesehen, die beim Hinausschwimmen in die vom Sonnenuntergang farbig beglänzten Wellen angefangen haben zu singen wie verzückt.

Ich frage mich, ob der Ursprung des Kinos hier zu finden sein könnte; also nicht dort, auf Hvar, sondern in der Betrachtung von Sonnenuntergängen als kollektivem Erlebnis. Auf großer Leinwand. Größer geht es nun einmal nicht.