23.10.

Bei bestem Herbstwetter gestern noch die vorletzte Ausfahrt mit Ilse. Seit der Generalüberholung des Motors durch Meister Müller ist das die reinste Freude (die neue Wasserpumpe produziert einen kräftigen, klaren Strahl), und die Gärten an den Ufern des Griebnitzkanals zeigen sich kurz vor dem Big Abwurf sämtlichen Laubes als ein einziges Megapuzzlemotiv. Ich will gleich vor Sonnenaufgang an diese Stelle am Stölpchensee steuern, wo es sich, kurz vor der Brücke, angeblich noch zu angeln lohnt. Ungefähr von dort aus wurde um Mitternacht ein Feuerwerk veranstaltet, das ich zwar hören, aber nur sehr schwach sehen konnte. Rötliches Blitzen, unscharf hinter einer dichten Nebelwand. Im Sommer war ich dort mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Hinter den Gleisen führen unmarkierte Wege in ein bald unübersichtliches Gebiet im Wald, wo ein paar Minuten hinter einem Fabrikverkauf des klobigen Geschirrs der Nazischickse Bollhagen offenbar Gesetzlose hausen (in zusammengefallenen Häusern und aneinandergeschobenen Gartenhütten). Ein schmaler Waldweg führte plötzlich steil um eine Kurve und an deren Ende standen zwei Männer und eine Frau, die mit einer Motorsäge damit beschäftigt waren, Stämme quer über den Weg fallen zu lassen. Als Barrikade. Sie machten abwehrend rudernde Gesten mit den Armen. Mit einem Mal war es still geworden, bis auf die Vögel. Ich verblieb auf Abstand und kehrte um.

Angeln gilt, völlig zu Recht übrigens, als vollkommen langweilig. Es ist sogar schade um den langen Moment des Nichtstunmüssens und des reinen Schauens, sollte tatsächlich ein Fisch anbeißen. In der Zeit davor geht ein allmähliches Verschmelzen mit dem umgebenden Naturbild vor sich, das durch die dann nötigen, vergleichsweise hektischen Tätigkeiten innerhalb eines Augenblicks zerstört wird und es dementsprechend lange braucht, bis sich sozusagen die Wogen wieder geglättet haben. Um diese Langeweile gut aushalten zu können, bereite ich mir vorher eine größere Menge Proviant zu. Auf der völlig neu gestalteten Website der Wurstfabrik Rügenwalder Mühle gibt es seit neuestem eine ästhetisch zwischen Barbara und Nido angesiedelte Rezeptecke zum Thema lunch prepping, was laut Redaktion der Mühlentaler Rüge »ein Trend ist, der in den USA so populär ist, dass die Fotos davon wohl bald das Internet verstopfen. Dabei heißt meal prep eigentlich nur, Mahlzeiten (z. B. das Mittagessen, engl. lunch) durchzuplanen und vorzubereiten. Früher ging es eher darum, zeitsparend vorzukochen, Geld zu sparen oder die Einkäufe zu kontrollieren.

Beim heutigen Lunch Prep könnte man manchmal fast den Eindruck gewinnen, es ginge darum, den Kollegen zu zeigen, wie sehr man auf seine Ernährung achtet und wie schön man buntes Gemüse arrangieren kann. Das führt so mancher Lunch Prepper dann auch beeindruckend auf Instagram vor.

Vor allem Sportler und Menschen mit speziellen Diäten preppen eigentlich schon immer — denn es kann schwer werden, zwischendurch mal eben etwas zu finden, was zum strikten Ernährungsplan oder zur Gluten-Unverträglichkeit passt. Doch auch ohne strenge Diät kann Lunch Prep superlecker sein und ganz einfach in den Tagesablauf eingebunden werden.«

Empfohlen werden unter anderem sogenannte Mini-Muffuletta mit vegetarischer Mühlen-Salami — wobei das Kunstwort Muffuletta eine Muffinkreation aus dem Hause Rügenwalder bezeichnen soll, die aus handelsüblichen Brötchen, die mit besagter vegetarischer Salami belegt, über Nacht im Kühlschrank ruhend, hergestellt wird. Die Seite richtet sich in offensiver Deutlichkeit an weibliche Lunch Prepper.

Ich hingegen bereite für ein frühes Sonntagsfrühstück meine berühmte Eigenkreation Cornflakes nach Art der Tante Tatin, kurz Cornflakes-Tatin zu. Dazu schäle ich einen Apfel und befreie ihn von seinem Kernhaus. Und zwar, hierin besteht übrigens auch der einzige Trick für die ansonsten leicht herzustellende Tarte Tatin: bereits am Vorabend. Dass die Apfelstücke über Nacht braun anlaufen, stört in dem Fall nicht, weil sie durch das Karamellisieren eh braun gefärbt werden. Wichtig ist allerdings, dass die Apfelstücke auf diese Weise überflüssigen Fruchtsaft verlieren, der ansonsten beim Karamellisieren Probleme bereiten kann, was der Tarte Tatin einen Ruf des Problemkuchens eingebracht haben wird, der, bei Beherzigung meines simplen Tricks, jedoch seinen Schrecken verliert. Kurz vor dem Servieren werden also die Apfelspalten blättrig aufgeschnitten, während in einer kleinen Omelettpfanne eine gewisse Menge Butter verflüssigt wird. Ich nehme gesalzene Butter. Dann so viel braunen Zucker einstreuen, bis unter vorsichtigem Rühren (am heißen Zucker kann man sich übelst verbrennen!!!) eine gebundene Masse entstanden ist. Die Apfelscheiben zu einem windmühlenhaften Muster einlegen — ebenfalls mit größter Umsicht. Nicht mehr rühren und die Hitze etwas herunterdrehen, damit der Zucker nicht verbrennt. Dann die Hitze ganz abdrehen und die Pfanne vom Herd ziehen. Währenddessen die Cornflakes (ich rate zu Kellogg’s) in einen Suppenteller schütten. Etwas Vollmilch (für Ex-DDR-Bürger: Trinkvollmilch) aufschäumen. Die Apfelscheiben sollten nun in der Pfanne zu einer runden Scheibe verbunden sein. Die Pfanne noch einmal kurz auf die restwarme Herdplatte stellen, sodass sich die untere Zuckerschicht verflüssigen kann. Dann den Pfanneninhalt beherzt auf einen passenden Teller stürzen. Von dort aus auf die bereitgestellten Cornflakes gleiten lassen. Von den Rändern her kalte Milch unter die Scheibe eingießen. Die Scheibe selbst mit der warmen, aufgeschäumten Milch behäufen. Die aromatische Verbindung – wahrlich ein Amalgam aus warmer und kalter Milch, dem Malz aus den Cornflakes, von Äpfeln und Karamell – lässt das Schlemmerherz höher schlagen. Dazu passt schwarzer Kaffee oder Lapsang Souchong mit gezuckerter Kondensmilch.