23.11.

Das iPad hat Unregelmäßigkeit in meinem Lebensrhythmus erkannt und will mir helfen, diese auszugleichen. Dazu soll ich ein paar Fragen beantworten. Noch spricht es nicht von sich aus mit mir, die Aufforderung sowie die auf meine Einwilligung hin folgenden Fragen erscheinen in Schrifttafeln, bei denen mich das Betriebssystem duzt. Dass ich selbst es bin, mit dem es kommuniziert, dessen kann es sich sicher sein, weil ich es mit meinem Fingerabdruck entsperre. Vielleicht hätte ich es unter einem falschen Namen einrichten können damals, dann würde es mich jetzt mit diesem, einem Frauennamen vielleicht, ansprechen. Aber vermutlich wäre dieser Täuschungsversuch auch bald nach dem Start der Einrichtungsprozedur aufgeflogen, weil ich meine Apple-ID einst mit meinen Bankdaten verknüpft habe. Vor allem: Wozu das Ganze? Das iPad und ich sowie, wie es mir manchmal zu anderen Gelegenheiten schreibt, »deine anderen Geräte, Joachim«, wir sind ja unter uns.

Das iPad fragt mich, wann ich morgens aufstehen möchte, Joachim. Ich tippe ein: 6 Uhr.

Aha, und wieviel Stunden willst du schlafen? Diese Nachfrage flankierend erscheint der Hinweis, dass Erwachsene zwischen sieben und acht Stunden Schlaf pro Nacht benötigen, Joachim.

Das weiß ich, das iPad weiß, dass ich erwachsen bin (aus der Kombination des Fingerabdrucks namens Joachim und den hinterlegten Daten in meiner Apple-ID), ich tippe sieben ein. Das iPad könnte bei Gelegenheit auch richtig streng werden, beispielsweise bei mangelnder Deckung auf meinem mit der Apple-ID verknüpften Bankkonto, und mich mit meinem vollen Namen ansprechen: »Joachim Bessing, bitte schreibe umgehend einige Rechnungen im Gesamtwert von 600 Euro«.

Oder so ähnlich. Es könnte mir auch, in Form einer Widgetwarnung, einfach in meinen Kalender schreiben: »Rechnungen ausstellen für den Text an Sowohin«. Das erforderliche Hintergrundwissen stammte aus dem Gesendet-Ordner meines Mail-Accounts. Das iPad könnte sogar diese Rechnungen von sich aus schreiben. Aus der Analyse meines iCloud-Speichers weiß es ja, wie die auszusehen haben. Und das iPad weiß oft besser als ich, den wievielten wir gerade haben.

Das Programm, das meinen Lebensrhythmus verbessern soll, heißt Schlafenszeit. Das Symbol ist aber leider keine Schlafmütze (vermutlich in Kalifornien unbekannt) oder ein Glas Wasser (optional mit einem Gebiss drin), es zeigt die Strichzeichnung eines Sofas, neben dem eine Stehlampe, nun ja: steht. Also ein nächtliches Sofa. Oder, zur Zeit, ein Sofa ab 15 Uhr 30. Neulich hat Maxim Biller in der Zeit geschrieben, dass er sich immer, wenn er seinen Freund vermisse, auf sein »langes graues Sofa« lege. Mein Sofa ist kurz und weiß. Ich lege mich nie drauf (weil ich dafür zu lang bin). Ich benutze es eigentlich so gut wie nie.

Was das iPad nicht weiß, aber wissen könnte (durch die Analyse meiner Bewegungsdaten in Verbindung mit der Auswertung der sieben oder acht gyroskopischen Sensoren, die in ein iPad eingebaut sind (für das verbesserte Erlebnis beim Videospielen): Ich liege ja so schon echt viel in meinem Bett. Ich muss mich gar nicht umbetten, wenn es Schlafenszeit wird. Ich muss einfach bloß meine Augendeckel schließen. So aber werde ich seit gestern Abend um viertel vor elf vom iPad daran erinnert, dass ich das in einer Viertelstunde bitte tun soll. Es meldet sich und schreibt: »In einer Viertelstunde ist Schlafenszeit, Joachim. Bitte gehe ins Bett«. Um sechs Uhr wiederum weckt es mich mit einem extrem angenehmen Ton, den ich mir selbst ausgesucht habe. Der Ton nennt sich Orbit. Und ich hoffe schwer, dass Ralf Hütter das nicht liest, denn Orbit ist halt frech von Neonlicht abgeschrieben.

Wenn ich die abendlichen Anweisungen des iPads fügsam befolge, verspricht es mir, werden die Stäbchen in meiner persönlichen Schlafgrafik in eine verbesserte Anordnung gebracht. Verbesserte Anordnung der Stäbchen in meiner Schlafgrafik bedeutet Gesundheit. Gesundheit bedeutet das, was Siri dazu im Internet gefunden hat. Der Wikipedia-Eintrag zum Thema Gesundheit ist ganz in Ordnung geschrieben. Macht allerdings nicht mehr oder bessere Lust auf ein langes Leben. Der über Peter Rühmkorf schon eher.