23.2.

Ein Jahr war schnell vorbei. Da traf ich die Muse vor der Bücherei und sie sagte, sie würde jetzt noch einmal von vorne zu studieren beginnen und das on top auch noch grundsätzlich. Abends bin ich zu ihr gekommen (sie hatte extra ein Bad genommen, um mir, wie man mir per Gruppen-Chat angekündigt hatte, mit ihrem Wohlgeruch zu imponieren), aber das änderte nichts; jedenfalls nicht allzu viel, denn als wir dann schließlich, aber nicht endlich, dazu aber abends, mit unserer platonischen Diskussion anfingen - es ging nicht um Sex, dafür um Sachsen -, entdeckte ich, dass sie mich eigentlich bloß küssen wollte; und das auch noch mitten ins Gesicht! Das fand ich sexistisch. Also: Ich empfand das so, in dem Moment, deswegen fragte ich: »Kannst du mich denn eigentlich und überhaupt noch als ein Individuum erkennen; nimmst Du mich dergestalt wahr, oder hast du mich im Vorwege bereits und damit wohl wissentlich auf ein Objekt reduziert?«

- Hm, machte die Muse, legte das Schachbrett beiseite und fing in diesem Moment sogar von sich aus zu gähnen an: »Das weiß ich jetzt nicht.«

- Weißt Du noch: Alabamahalle, 1987?

- Nö, keinen Schimmer, da war ich drei. Maximal vier.

- Ah ja. Gut, aber das war für mich halt entscheidend, dass es da noch einen Staat gab, dessen Entscheidungen bzw. Urteile respektiert wurden. Das ganze und gesamte Stück wurde in seiner Gänze damals instrumental vorgetragen und das Publikum lieferte den inkriminierten Text.

- Ich mag ja: Fieber messen.

- Ich erst - vor allem bei dir. Aber nicht nur! Es haben sich ja auch vor deiner Geburt sozusagen wesentliche Ereignisse zugetragen in der deutschen Musikgeschichte. Beispielsweise: Carbonara. Oder, weit weniger gut mitsingbar, das Lied für die Sachsen namens Jerusalem.

- Generell ergibt sich auf meiner Seite der Eindruck, dass es zu deiner Zeit bessere Musik gab. Ich besitze eine Tüte, darin sind Kassetten mit Musik aus den achtziger Jahren. Bis auf Weiteres lebe ich musikalisch gesehen in den achtziger Jahren.

- Das ahne ich, deswegen liebe ich dich auch. Weißt du noch, als ich aus dem Spätkauf kam und dir erzählte, dass dort I’m so excited lief?

- Klar weiß ich das noch. Und ich weiß auch noch genau, was du mir damit sagen wolltest.

- Ja. Denn das wollte ich wirklich. Obwohl mir das damals noch gar nicht so klar war.

- Aber mir.

- Ja. Dir schon.

Sommer, Palmen, Sonnenschein: Was kann denn eigentlich überhaupt noch schöner sein?