23.7.2019

Das Begehr sämtlicher Besucher des Parks scheint auf die beiden einzig unzerstörten Sitzwarten gerichtet. Unzerstört wohl bloss deshalb, weil sie unzerstörbar sind. Es sind zwei parallel zueinander auf die kleine Bucht ausgerichtete Liegeflächen aus imprägnierten Holzlatten, die, in sanfter Geschwungenheit, jeweils auf ein fest im Erdboden verankertes Gestell montiert wurden. Aus den üblichen Bänken, die entlang des Weges durch den Park aufgestellt sind, wurden lattenweise die Sitzflächen herausgebrochen und, eigentlich kurios, für die Parkbewirtschafter gut sichtbar in einem der dürren Gebüsche gelagert—zu wer-weiss-zu-welchem-Grund, die jahrzehntealten Holzstücke sind ringsum dick mir tannengrünem Lack versiegelt (und an vielen Stellen ist unter der dunklen Lackschicht noch die frühere, eine weiße zu sehen). Grillen kann man damit nicht. Trotzdem werden die in den Sitzflächen der Bänke fehlenden Latten nicht mehr ersetzt, noch werden die herausgerissenen dort wieder eingesetzt, und sie werden auch nicht aus dem Gebüsch entsorgt. Es herrscht ein Patt zwischen den Vandalen des Parks und seinem Personal, das wochentags über den Weg zieht, um die Mülleimertüten auszuwechseln und die Zigarettenkippen vom Asphalt zu kehren. Ansonsten behandeln sie den Park wie ein afrikanisches Hotelzimmer, in dem zwar regelmässig Staub gewischt wird, aber wenn an einem Stuhl ein Bein abbricht, dann steht der halt von da an schräg. 

Von daher, aber halt auch des schönen Ausblicks auf die Bucht wegen, sind die noch benutzbaren Sitzwarten so begehrt. An den Sonntagen treffen sich hier opulent gekleidete Frauen aus dem Nahen oder Fernen Osten für Selfies im Grünen. Üblicherweise wird das Telefon dabei am Selfiestick gehalten, was Fernsehmässige Perspektiven ermöglicht. Die Frauen gehen dann als ihr eigener Kameramann umher und sind zugleich auch Moderatorinnen, denn sie sprechen währenddessen arabische Texte in die auf Videofunktion geschalteten Telefone am Stiel. Als Hintergrund wird mit Bedacht die kleine Bucht gewählt, denn dort treiben, sobald sich am Ufer menschliche Wesen sammeln, die beiden Schwäne elegant durchs Bild und sorgen mit ihren geschwungenen Hälsen für reizvolle Doppelbilder im dunklen Spiegel der Bucht. Ausser denen gibt es dann noch einen Reiher, der sich gravitätisch auf dem ihm angestammten Totholz hin und her bewegt, sowie die üblichen Stockenten und Blässhühner. Vor allem aber ist es halt grün. Das ist, seitdem ich in Israel war, leuchtet mir das ganz neuartig ein: ein geradezu exotisch wirkender Knalleffekt für einen Video-Call in diese Welten. Dort gibt es ja kaum Grün. Alles ist sandig und staubig und von der UV-Strahlung ausgebleicht. Die moderierenden Frauen, was sie sagen, kann ich leider nicht verstehen, orientieren sich meiner Ansicht nach an Hanni Hüsch und ihrer ähnlich glamourösen Nachfolgerin Annette Dittert. Man könnte geradezu meinen, Frau Hüsch stünde dort an der Bucht als Orientalin verkleidet (mit Onassisbrille und seidiger Bluse), wie weilands noch vor Downing St No 10.

Der surreale Effekt wird dabei noch leicht angehoben durch die herangewehten Rufe eines gemischten Chors von Schauspielern beim sogenannten Impro-Sport. Denn seit einiger Zeit wird dort auf dem nahen Hügel ein aus dem Münsterland hierher nach Berlin verfachtetes Globe-Theater aus Holz aufgebaut. Es ist schon fast fertig. Sie proben den Sommernachtstraum.