24.4.

Die Sonne scheint, der ewige Kalender meldet, dass heute der Tag des Versuchstiers ist und ich hätte große Lust, jetzt gleich zum Frühstück in ein Hasencafé zu gehen. Seit über einem Jahr schon frage ich mich, warum ausgerechnet hier in Berlin noch keiner dieses sehr schöne und nebenbei auch sehr innovative Konzept, wie es heißt, umgesetzt hat. Auf Twitter folge ich einem Hasencafé im Großraum Tokio (aber die in Nagoya sind bestimmt mindestens genauso schön, wenn nicht sogar schöner, weil etwas naturbelassener, traditionsbewusster, rauher), die posten ständig Fotos, Serien von Fotos, kleine Szenarien, die an kawaïness nicht zu überbieten sind. Von Friederike, die im Gegensatz zu mir schon einmal im Land der aufgehenden Sonne war, weiß ich, dass man in einem Hasencafé eine Stallgebühr bezahlt – dazu kommen freilich noch Verzehrkosten für die Dauer des Stallaufenthaltes, aber damit erhält der Besucher des Hasencafés dann auch das uneingeschränkte Recht, mit einer wasserabweisenden Schürze angetan (die geht aufs Haus), sich eine halbe Stunde lang in dem von einer in etwa kniehohen Trennwand vom hasenfreien Cafébetrieb geschiedenen Hasenspielparadiesgärtleins zu ergehen. Mit den dort eingepferchten Hasen. Und kaum, so Friederike, man in der Schürze die Hasenmauer überschritten hat, werfen sich die Hasen des Hasencafés auch schon auf ihre zweibeinigen Besucher. Zum einen wollen sie etwas vom am Tresen des Hasencafés erstandenen Kraftfutters erheischen, viel dringlicher aber ist ihnen das Anliegen, möglichst viel von ihren Hasencaféurin abzuschleudern. Dafür ist die Schürze da, beziehungsweise, wie es in Hamburgs Elendsviertel Mümmelmannsberg beim Anblick eines mümmelnden Hasen noch heute und ganz richtig heißt: »Da sei mîn Schürze vor!«

Davon abgesehen, und es gibt halt auch keine schlechten Hasen, sondern nur zu kurze Schürzen, gibt es kaum denkbare Orte auf der Welt – von Menschen erschaffen, von Menschen gemacht – die noch angenehmer sein dürften als ein Hasencafé. Oder, um es mit den Worten des leider früh verstorbenen Helmut Dietl zu sagen: »Den gesunden Menschen, der nicht mit einer Schürze sich von Hasen vollpinkeln lassen will, den gibt es nicht.« Und, so denke ich, als Schürzenfreund und Entrepreneur nun mal: Der Haustiergedanke ist halt doch noch stark dem 20. Jahrhundert verhaftet. Darin überwintert ein Relikt des kleinbäuerlichen Lebensstiles, der mit der flächendeckenden Versorgung durch Bio-Supermärkte obsolet geworden ist. Wie Car2Go und ähnliche Sharingkonzepte erfolgreich gezeigt haben, ist mieten zu recht beliebter als besitzen. Denn Besitz besitzt. Mieten macht mobil und (sorgen-)frei. Das willige Nuttenauto schlägt den pflichtschuldigen Hausfrauenporsche. Hier liegt der Hase auf der Straße, beziehungsweise: das Geld. Haustiere, die in einer gastronomisch angenehm gestalteten Umgebung (Stichwort creature comfort) gegen eine geringe Sharinggebühr gestreichelt werden können, wann auch immer der Hasenuser das will. Und nicht etwa umgekehrt, also streicheln, wann immer der Hase will, selbst wenn der User dazu gar keine Lust verspürt, wie das im Haustiermindset Usus war.

Das Hasencafé, von dem ich heute noch träume, auch jetzt gerade, das es aber übermorgen in Berlin schon geben wird, hätte 24/7 geöffnet. Den Hasen wäre das nur recht, denn sie haben rund um die Uhr Appetit. Und sind von Natur aus ohnehin nachtaktiv.