24.9.

Nichts schöneres auf Erden als ein sozialistisches Grand Hotel am letzten Tag der Saison. Pünktlich um 12 Uhr hatten wir uns an der Rezeption des Arkada in Stari Grad eingefunden, der Tresen allein dergestalt ausladend, dass die vollständig versammelte Belegschaft des Hauses uns dahinter aufgestellt in Panflötenformation Willkommen heißen konnte. Es ist hier ja alles für den Besuch urlaubender  Hundertschaften ausgelegt und geplant worden: Übermorgen wird die Anlage für ein halbes Jahr in den Winterschlaf gelegt werden. Bei der Übergabe des Schlüssels versicherte man uns, dass es sich in unserem Falle um den letzten Check-In des Jahres 017 handelt. Wohl um die Besonderkeit des Datums für uns als deutsche Staatsbürger weislich, bot man uns einen Platz im Fernsehraum des Arkada nahe des mit Meerwasser befüllten Pools an, um von dort aus, bequem, die Hochrechnungen zur Bundestagswahl in der fernen Heimat verfolgen zu können.

Entgegen der Hochrechnungen der App scheint die Sonne. Man liegt unter den namensgebenden Mauerbögen des Komplexes in einem streifenhaft schmalen Schatten und schlürft den herrlichen Quality Wine, einen Blancha von den gegenüber gelegenen Hügeln, die, sämtlich unbebaut und karg, das Becken der Bucht säumen. Der Blick dahin geht über eine Plantage hinweg, gemischt gepflanzt mit Olivenbäumen und Palmen. Rasch machten wir Bekanntschaft mit zwei aus Slowenien stammenden Witwen, die, nun, nach Jahrzehnten im Mannheimer Exil, ihre Rückkehr in die Heimat feierten. Von ihnen erhielten wir versichernde Auskunft, dass es sich bei dem Arkada um das erste Hotel am Platze hinter dem Eisernen Vorhang gehandelt hatte. Und auch noch um ein weiteres Jahr handeln würde, doch die Uhr tickt bereits – natürlich und leider –, denn mit Ablauf der Saison 018 wird aus dem Konglomerat ein sogenanntes Resort unter neuer Leitung, dann wohl eindeutig kapitalistisch ausgerichtet und orientiert. Vorbei dann die Zeiten, dass man am obendrein noch gechlorten Meerwasserpool mit einem Glas Blancha zu absolut fair gehandelten Preisen bedient werden wird. Das mit den herrlichen Tortenstücken in Schuhkartondimensionen ist dann ebenfalls perdu. Der dubiose Spannteppich auf den Fluren wird dann wohl durch einen balinesischen Bastausläufer ersetzt worden sein. Räucherstäbchen wird es in den bis dato noch nicht vorhandenen Nachttischschubladen geben. Und Luffa-Schwämme an den Armaturen der Rainforestshowerkabinen von Dornbracht® oder Czech & Speak™. Die herrlich animierende Musik aus der Bar – der kroatische Grind besteht aus einer italienisch anmutenden Volksmusik* mit marschmusikhaften Chören – erzählt dann wohl, wie beinahe überall auf der Welt, vom Sonnenuntergang im Café del Mar oder von einem innerlich wahrgenommenen in der Buddha Bar. Allerspätestens wird hier in der Kulisse des neuen Arkada die Zalando-Kampagne mit Gisele Bündchen fotografiert werden (von Maxime Ballesteros.) Das überbordende Buffet im Speisesaal wird vom Industriezucker, von den Kohlehydraten und leeren Fetten gesäubert sein, es gibt Smoothies, die Taverne wird zu einer Filiale von Nobu umgestaltet worden sein. Und auch der Schlüsselanhänger aus massivem Messing, der anhängende Ring noch wie von Tito selbst, der Marschall hatte ja in seiner Freizeit sehr gerne geschmiedet, noch gerundet, wird dann durch eine schnöde Codekarte ersetzt worden sein. Doch bis dahin: vergeht hier die Zeit noch einen langen Schicksalsnachmittag wie in goldenfarbiges Aspik gegossen.

Als Einsiedlerkrebse des Sozialismus lebend: wunderbar.

*Avanti Popolo, Carlo Tuzzi, 1908