2.5.

Zeit der Mahonienblüte. Die traubenblauen Beeren kamen früher in die Erbsenpistole, um damit »auf die Mädchen« – natürlich »auf die Mädchen« – zu schießen, die diesen Brauch ablehnten und hassten, weil die Flecken aus dem Fruchtsaft der Mahonien sich mit überhaupt keinem Waschmittel mehr entfernen ließen. Dafür flogen die vergleichsweise winzigen Mahonienbeeren aber auch nicht so weit wie getrocknete Erbsen, man musste also ziemlich nah heran an den Feind, um einen Treffer anbringen zu können.

Mit der Verbreitung elektronischer Bestellsysteme in der Gastronomie stirbt leider auch die Frage nach »Zettel und Stift« aus. Kann sogar sein, dass dadurch letztendlich sogar der Brauereiblock an sich in den Abgrund gerissen werden wird. In meinem Leben war diese Frage zumindest noch ein Standard gewesen in gewissen Situationen des Sozialen, beispielsweise, wenn ich jemanden kennengelernt hatte. Dann fragte man das Barpersonal nach »Zettel und Stift« (um eine Telefonnummer oder, noch vorgestriger, eine Wohnadresse zu notieren). Die Frage war üblich und wurde selbst bei Lautstärke Rave noch von den Lippen abgelesen. Es gab sogar eine dazu gehörige Pantomime, die sich nur in einem Detail, das aber wesentlich war, von der Pantomime für »Könnten wir bitte die Rechnung haben« unterschied.

Auf den Brauereiblöcken wurde die Abrechnung einer Nacht erstellt. Für einen Zahlenmagier wie Roman, einen der Kellner im klassischen Schumann’s an der Maximilianstraße, war der Brauereiblock das wichtigste Arbeitsgerät. Auf Brauereiblöcken wurden aber auch Ausschnitte aus Stadtplänen skizziert, Lebensentwürfe, Geschäftsideen, Anträge aller Art (selbst ich, Reinhold Böh war sozusagen mein Zeuge, schrieb einst der schönen Mathematikerin, die ich nie kennengelernt habe, auf einem Brauereiblockzettel von, das weiß ich noch: Augustiner »Willst Du jetzt mit mir spazieren gehen — Ja,  Nein, Vielleicht«. Darunter, wir schrieben bereits das 21. Jahrhundert, meine Mobiltelefonnummer bei Debitel, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Woraufhin, wir befanden uns in einem room full of people, sie, die schöne Mathematikerin, mir Reinhold, der ihr meinen Brauereiblockszettel überbracht hatte, mit einem von ihr beschriebenen Brauereiblockszettel zurückschickte: »Wie soll ich das entscheiden, wenn ich gar nicht weiß, wer Du bist?« Darauf hatte ich, entgegen des Ratschlags Reinholdens eine mögliche Vorgehensweise betreffend, den Heimweg angetreten. Es war ohnehin ein durchwegs bizarrer Abend gewesen, da der DJ als Kommentar zu dem damals gerade erschienenen Barockalbum von Daft Punk das Spätwerk der Wings aufgelegt hatte. Woraufhin ich zu Andreas Neumeister sagte: »Das nächste große Ding wird Rondo Veneziano«. Wurde es halt aber einfach original gar nicht).