25.2.2020

Am Glas des Drehtürgehäuses zum Restaurant Palms Garden klebt jetzt die Mitteilung an die «sehr geehrten Gäste»: Als Vorsichtsmaßnahme haben wir deshalb bis einschließlich 30. April 2020 geschlossen. Hier hatten wir, hier hatte auch Mosebach, erst neulich noch, heiter gespeist. In der Zeitung war das Gedicht der Krankenschwester Long Qiaoling abgedruckt, die sich freiwillig für den Dienst in der Seuchenkolonie gemeldet hatte:

Die Parolen sind eure / die Lobeshymnen sind eure / die Propaganda, die vorbildlichen Arbeiter, alles euers / Ich bin nur hier, um meine Arbeit zu machen / Ich folge meinem Gewissen als Mitglied der heilenden Zunft / Bitte dekoriert mich nicht mit Girlanden / Ich bin nicht nach Wuhan gekommen, um die Kirschblüte zu bewundern //

Ihr Gedicht trägt den Titel «Bitte stört mich nicht». Anscheinend eine Selbstverständlichkeit in der chinesischen Kultur, dass eine Krankenschwester sich in Form eines Gedichtes einlässt in den politischen Diskurs. Wirkt auf mich vermutlich auch gerade deshalb so beeindruckend, weil derzeit hierzulande Fastnachtsreden vorgetragen werden. In China, einer jahrtausendealten Hochkultur, sitzt das Dichten freilich tiefer — gibt es dort nicht sogar Firmenhymnen, von versammelter Belegschaft vor der Arbeit zu singen?

Beim Bäcker, wo ich lange warten musste, weil alle sich ein individuelles Sortiment aus den vielen verschieden gefüllten Kreppelchen zusammenstellen lassen, ein kurioses Namensschild für einen der Laibe: Barockbrot. Tatsächlich wirkt die braune Form wie aus einer langen Teigwurst aufgerollt zu einem exzentrisch eiernden Schneckenhaus. Ich bestellte mir eins, als ich an der Reihe war: «Ein Barockbrot, bitte!»

Menschen!