25.9.

Am frühen Morgen, gegen zwei Uhr, wurde ich von einem grellen Blitz geweckt und begann noch halb im Schlaf zu zählen. Der Donner schlug erst fünf Sekunden später ein – das Zentrum des Gewitters befand sich mehr als einen Kilometer entfernt, rückte aber rasch näher. Schon der übernächste Donnerschlag wirkte erschütternd, als ob er das Dach des Gebäudes getroffen hätte. Dann fiel dichter Regen. Durch die geöffnete Terrassentür wurde die Musik aus der kleinen Bar des Hotels herangepeitscht. Der Raum war taghell erleuchtet, so viel war zu sehen, aber nichts von den Menschen, die dort zu diesen Hits tanzten oder auch bloß tranken.

Das Galadiner anläßlich des Saisonendes hatte im festlich dekorierten Speisesaal des Arkada stattgefunden. Pünktlich zur angekündigten Zeit, um 19 Uhr, hatte ein Mann im rosafarbenen Seidenhemd mit Krawatte und Krawattennadel die Tür erst aufgeschlossen, dann schwunghaft aufgestoßen und die schon zahlreich vor dieser Tür aufgestauten Greise herangewunken. Interessanterweise mit einer uns wohlbekannten Geste; vertraut nämlich durch unsere Beobachtungen der mumischen Kultur (allerdings trug der Saaldiener seine Finger von Henna ungefärbt.) An den passend zu seinem Hemd mit rosa Tischtüchern verkleideten Tafeln – es standen circa 287 dieser Tische in dem verschwenderisch dimensionierten Raum – durfte nach gusto Platz genommen werden. Vor der eisernen Türe zum Küchentrakt, die jetzt ganz offen stand, hatte sich die in weiße Tracht gekleidete Mannschaft aufgestellt. Die zur Inselfolklore gehörige Baskenmütze aus weißer Folie auf den Köpfen. In den davor präsentierten Behältern boten sie ein Angebot der traditionellen Festtagsspeisen feil, das kaum Wünsche offenlassen konnte – was auch daran lag, dass beinahe alle dieser Speisen unbekannt aussahen und auch rochen. Schmackhaft war unter vielem anderen eine zierliche Fischfrikadelle in der Form von Löffelbisquits, unter deren delikater Panade aus Feinbröseln ein Mus aus Ringelbrassen, gewürzt auf orientalische Art, einfach bloß Hunger auf mehr und noch mehr dieser abartig mundenden Knusperlinge provozierte. Dazu passten die langen Schiffchen aus sauer eingelegten Schlangengurken geschnitzt, die nebst einem Salat aus sauer eingelegten Paprikaschiffchen das Zentrum des Buffets bildeten. Desweiteren: Stockfisch, Ferkel und eine endemische Spielart des Brokkoli, der auf schonende Weise im Dampf gedünstet worden war. Ein Auswahl aus den bereits durch unsere Barbesuche am Nachmittag vertrauten Kuchen- und Cremekuchenspezialitäten rundete das Angebot ab. 

Die Kellnerinnen waren hier noch Saaltöchter im traditionellen Begriff des Berufsstandes. Kleine Servierwagen mit tadellos geschmierten Rädchen vor sich herschiebend, durchmaßen sie unaufhörlich die breiten Gänge zwischen den Tafeln, um von ihren Waren anzubieten. Hauptsächlich Getränke, die nicht im Preis der Halbpension inbegriffen waren und die sie, als Unternehmerinnen im Unternehmen, auf eigene Rechnung an die Gäste verkaufen konnten. Leider kein Pipi. Und trotzdem war der schöne Abend dann nach zweieinhalb Stunden doch geschwinder vorübergezogen als gedacht. Extrem gesättigt – einige der Speisen quollen anscheinend noch schwammartig auf unter der Einwirkung von Magensaft –, von daher auch extrem zufrieden verabschiedeten sich die Gäste auf typisch kroatische Weise von dem unerschöpflichen Buffet. Der Saaldiener, noch immer in Hemd und Krawatte, schloß mit eingeübter Geste die gläserne Türe ab und riß, von innen her, die blickdichten Vorhänge darüber. 

Ein schönes Sinnbild auch für das Schicksal dieses einmalig schönen Hotels. Wenn nicht gleich für das Schicksal des Sozialismus überhaupt.