2.6.

Vom Heroin erzählt man sich, dass es konserviere. Nun habe ich von dem Saft der Schlafmohnkapsel stets mich frei gehalten, steer clear sister morphine, aber: wann immer ich nach Frankfurt komm’, fällt mir dieser Satz halt ein. Und so auch gestern! Wir standen dort, in der Goethestraß’, und nippten vom Champagner. Ich dachte beilängs über die wunderbaren Images nach, die Frankfurt, die Stadt so voll mit Türmen, in der Innenstadt uns reich serviert’. Nadja Auermann war da, es waren überhaupt beinahe alle da, und wir standen dort auf der Goethestraß’, um uns zu amüsieren. Ich konnte es, anfänglich, kaum glauben, aber es war tatsächlich auch der Doktor (Eckhart Nickel) erschienen, und er hatte, das fand ich seltsam, aber seltsam gut, seine Lesebrille sich auf den Kopf gedreht und vor seinen Augen trug oder trüg er eine Sonnenbrille. Und dazu passte, dass Uschka Pittroff, einst noch in Hamburger Tagen eine Magnatin, bei selbigem Event überraschenderweise barfüßig erschienen war.

Wir standen dort im Zeichen der Schlange, die aus einem Drahtgeflecht gemacht worden war. Es gab Champagner in einem Free Flow, und Alfons Kaiser sagte, dass es dort, inmitten Frankfurts, noch nie so gut wie heute ausgesehen hatte. Gleich nebendran stand Nadja Auermann zur Verfügung und ich musste – ohne leider – zugeben, dass sie kein bisschen von ihrem Charme verloren hatte, bislang. Daraufhin fuhren wir heim.

Der sogenannten Reihe nach war es so, dass ich auf dem Hinweg nach Frankfurt neben einer Dame gesessen hatte, und sie las im Stern, präzise jene Geschichte, die Dirk van Versendaal über Veronika Heilbrunner verfasst oder abgefasst hatte. Und darüber schlief sie bald ein. Wohingegen ich im Ficko blätterte, einem Magazin »Für die guten Dinge, und gegen die schlechten«, aber das war ja für mich eine Lektüre, die aufbauend gemeint war; erbaulich, und als wir Hanau erreicht hatten, wachte die Lady auf.

Das mit dem Heroin und seiner konservatorischen Fähigkeit oder Gabe, fiel mir dann freilich erst dort in Frankfurt ein. Kurz danach ging am Wasserhäuschen dann das Gerücht um, dass ein noch nicht identifizierter Schütze einem Baggerfahrer dort im Gallus versucht hatte, in dessen Kopf zu schießen. Von wegen Verhinderung dort der Intensivierung der Flächenbebauung. Und die Bedienfrau dort im Wasserhäuschen sagte: »Des ist Mord«.

Umso größer dann gestern die Freude, nach 17 Jahren den Doktor Nickel wiederzusehen. Aka Eckhart. Und er hatte sich auch extra zurechtgemacht: er hatte die Brill’ auf der Stirne und die dunkle tief unten in seinem Gesicht. Aber was er dort, in Klagenfurt, lesen wollte, darüber gab es noch keine klare Auskunft von ihm. Dafür freute er sich aber schon sehr. (Und war, wie Alfons der Starke, der in Wahrheit ja Kaiser heißt, zu berichten wusste: Scharf auf die Damen.)

Unter anderen war Nadja Auermann da.

So ging es dahin. Ich hatte noch den Smalltalk der herrlichen Greise im Kopf, die, dort im ehemals Kölner Eck’ über die Veränderungen in der Gallusschen Kirche mir berichtet hatten. Da war von dem versuchten Kopfschuss in den Baggerpiloten noch nicht einmal zu denken gewes’. Aber der Wortführende, der überdies noch flaumiges Haar hatte, reichte seinem Freunde die Zeitschrift der Diözese über den Tisch und sagte: »Seit wir das schwule Pfarrpaar hier haben, weht in unsrere Gemeinde ein frischer Wind«. Da saßen wir unter den gebogenem Wasserröhren, über uns blühte die Geisblattwinde, das Bier kostete 1 Euro 80 den halben Liter und unsre Sorgen waren weggeflogen. Weit weg.

Sei’s drum. Getrommelt wie gepfiffen. Wenn ich mal sterben muss, dann würd’ ich dies gerne in Frankfurt tun. Weil dort halt das Leben noch so ist wie gedacht. Folglich wäre das die letzte Szene, die ich dann säh’. Und was die Leute bloß immer von der vierten Wand reden wollen: Ich kenne noch eine fünfte, sie schwebt quasi oberhalb der Bühne, sie gehört alleine mir.