26.12.

Das schimmlige Brot liegt zuoberst. Nichts lockt mich, um es mit Max Goldt zu sagen, bei dem einst stets etwas zu locken schien, was sich dann mit der Annäherung daran als leider nur schimmliges Brot entzaubern ließ. Wobei, das stellte ich dann heute früh im Dämmer fest, die Landschaft hier bei -1,25 Dioptrien einen noch tristeren Anschein macht als hinterher mit Brille auf. Täte mich nicht wundern, wenn ich das nur geträumt hätte. Denn im gar nicht symbolischen Tausch für mein traumhaftes Leben sind meine Träume zu Abwasser geworden. Vermute ich, aber noch nicht einmal das ist geklärt, da ich mich an meine Träume so gut wie gar nicht mehr erinnern kann.

Seit ich das Schlafzeitenregulierungsprogramm verwende, wache ich mit einem Bewusstsein auf wie blankgewischt; wäre vielleicht auch nicht tragisch, wenn ich nicht dennoch ahnte, oder sogar wüsste, dass ich aber sehr wohl etwas geträumt hatte (es gibt ja auch Leute, die behaupten stoisch und dabei auch stets prompt, sie träumten »nie«. Gerade so, als ob Träumen für sie so ein ansteckendes, schuldbesetztes, parasündiges Randgruppending sei wie Homosexualität). Selbst beinahe direkt vor dem Einschlafen eingespeiste Lektüre wie am gestrigen Abend noch Wilhelm Reich hinterläßt anscheinend keine nennenswerten Spuren.

»Zur Zeit, als die Koliken am stärksten waren, hatte der Patient Träume, denen die Tendenz zugrunde lag, vom Arzt durch den Mund befruchtet zu werden. Am Tage traten heftige Kopfschmerzen auf. Ein solcher Traum lautete: ›Unser Installateur repariert unsere Rohrleitungen, ich bin dabei, plötzlich setzt er einen Spülapparat in Gang, die Flüssigkeit versprüht wie feiner Nebel (ich werde naß) und schmeckt salzig.‹ Die Einfälle zum ersten Teil ergaben sofort, dass der Installateur den Analytiker darstellt, der die Rohrleitungen, d.h. das Glied des Patienten, reparieren soll. Der zweite Teil enthält einen affektiven Widerstand gegen die Heilung der Impotenz und die Erfüllung eines bevorzugten Wunsches: Der Analytiker befruchtet (Einfall) mit Urin durch den Mund (salziger Geschmack)«. Woraufhin Reich sich auf den nächsten Seiten seiner Analyse des imaginären Rohrleitungssystems hingibt. Daraus, aus diesen von ihm diskursiv freigelegten Röhren, entsteht wenig später nicht bloß das Rhizomatische bei Gilles Deleuze und Félix Guattari, sondern vor allem auch die Urszene des Pornographischen zur Zeit meiner Jugend (Ära VHS), als die Szene noch häufig damit losging, dass ein angeblicher Klempner bei einer angeblichen Hausfrau anklopfte, um ein imaginäres Rohr zu verlegen. Wilhelm Reich ahnt zu seiner Zeit noch nichts von dieser Wucherung seines analytischen Rohrleitungssystems in die Reiche der kollektiven Traumproduktion hinein: »Das Interesse für die Rohrleitungen diente ebenso analen wie urethralen Tendenzen«.

Kann doch nicht wahr sein, dass ich nach solcher Lektüre nichts nennenswertes an Traum zustande bringe. Und wenn doch, dass es das Schlafregulierungsprogramm sein soll, das sie mich spurlos vergessend machen kann. Bei Leopold S.M. Ist es »ein Buche von Hegel«, über dem er einschläft, woraufhin ihm in dem folgenden Traume dann Wanda erscheint, nackt im Pelz.

Hier dagegen: George Michael ist tot (gähn).