2.7.

Ich war schon auf einigen, wenn auch wenigen Trauerfesten eingeladen gewesen. Doch ich nehme an, dass deren Zahl nun doch mit der zunehmenden Anzahl meiner Geburtstage ebenfalls zunehmen wird – »die Einschläge« und so weiter usf.

So dachte ich denn gestern an die Feier zu Ehren von Marc Fischer in dieser Aussegnungshalle in Hamburg: Heiß war es gewesen. Und Gerüchte sirrten durch den Busch: Wer, wo, wann, wieviel von was genommen hatte. Und vor dem Sarg aus Eiche, ohne jegliche Decke, lag ein Blütengesteck in Form des Logos von GQ, gesandt von seiner letzten Redaktion, aus München. Als über die Lautsprecher ein Bossa-Nova-Lied abgespielt wurde, schluchzte links hinter mir Bernd Begemann laut. Und weil niemand es verhindern wollte, hielt Otmar Jenner dann eine Rede; eine von vielen. Deren Inhalt war dyadisch konzipiert, es ging um einen von ihm, Otmar Jenner, als möglich gedachtes Wiedersehen mit dem Toten (Marc Fischer), der in einem Sarg, bekränzt mit dem aus Blumen geformten Logo der Zeitschrift Gentleman’s Quarterly dort zu seinen sogenannten Füßen vor ihm stand oder lag.

Die Übertragung aus dem Dom zu Speyer hat mich gestern so erfasst: also innerlich, so als ob sich da eine Faust um meine Innereien geklammert hätte – die blauen Lichtfinger, die sich entlang der Kathedralbögen empor und so weiter, besonders aber die sogenannten Handlungen der Leute, der Masters of Celebration, jenen mit den roten Käppchen auf: Ich hatte so etwas noch nie gesehen, es nie bezeugt als Protestant, der ich ja nun bin, diese Power of Love by the Church of the Catholics: einmal vor dem Straßburger Münster zur Osterzeit, als sie dort allesamt Grün trugen. Aber bei Kohl waren es dann die Gesänge, die funkelnden Geräte dann. Ich muss unbedingt Jan fragen, der bei seiner Inszenierung der Arabella in Leipzig ja dieses Funkeln der Geräte mir erstmals vorgeführt hatte, ob er, als Katholik, seine Inszenierungsidee eventuell von dieser Aufführung des sogenannten Hochamtes von päpstlichen Gnaden her und so weiter und so fort.

Jedenfalls musste ich weinen. Die Tränen kamen bei mir einfach so. Und als die Kaiserglocke schlug und es, wie es heute ja in der Berichterstattung noch einmal betont worden war, »still blieb«, strömten sie noch minutenlang und nur noch weiterlängs nach.

Ich musste mich, als ich erwachte – nachdem ich wider Erwarten traumlos geschlafen hatte –, zurückziehen in die Obhut der Mutter Fourage. Wo die Hochbeete blühten, die Greise in hellblauen Hemden und kurzgeschnittenem Haar ihr Lachen inwärts lachten; wo sie es verschluckten. Lavendel blühte dort neben der persischstämmigen Rose. Umrahmt von rotfarbigem Sandstein. Weiter vorne stand Kirschlorbeer, Cotoneaster, dazwischen wohl auch Oleander. An den Tannen hingen frisch und grün die Zapfen. Um das Stadion herum, das war der Grund meines Herkommens: die herrlichsten, krummsten, wettergeformtesten Kiefern. Das Europa, von dem Helmut Kohl geträumt haben mag: In den deutschen Vorgärten gab es das schon.