27.3.2020

Gestern vor dem Einschlafen über unser herrliches erstes Jahr gesprochen, das Jahr 2015, in dem wir uns noch nicht gesehen hatten, ich noch nicht einmal wusste, wie Friederike ausschaut (Jan hielt es bei ihrer anhaltenden Weigerung ein Foto zu offenbaren zwischendurch für möglich, dass sie im Rollstuhl sitzt, ich irgendwie nicht), wir aber ohne trotzdem sondern halt vor allem sehr viele Stunden pro Nacht telefonierten. Pro so ziemlich jeder, an die ich mich erinnern kann in diesem Jahr und auch in dem darauffolgenden (zu einem ersten Treffen war es dann tatsächlich erst im Oktober 2016 gekommen). Eine diese von uns damals eingehaltene Spielart des social distancing überbrückende Erfindung von Friederike war die Übertragung sogenannter Wohngeräusche: Das fand vor allem am Wochenende statt, wenn sie — aus heutiger Sicht: in häuslicher Quarantäne lebte. Dann stellte man den heimischen Computer an und übertrug die Hintergrundgeräusche des gesamten Alltags via Skype von Frankfurt nach Berlin und umgekehrt. Die Kamera blieb freilich ausgeschaltet.  Man konnte auch einfach mal während dieser laufenden Übertragung in seinen Computer hineinsprechen und wenn man Glück hatte, befand sich der andere gerade in der Nähe und sagte auch etwas. Oder es rauschte atmosphärisch und der andere schlief, oder hatte sogar die Wohnung verlassen. Einmal, die Übertragung lief, aber ich war ausgegangen und saß vor einem Café, um ein paar Menschen an ihrem Sonntag zu beobachten, bekam ich eine SMS von Friederike «Ich komme jetzt nach Hause». Da habe ich auch rasch gezahlt und bin heim gestrebt, um diesen Moment ihres Türenaufschließens und hereinkommens live mit zu erleben. Lauschenderweise.

Las heute früh ein wenig in den Tagebuchaufzeichnungen aus diesem Jahr. Sandte einen Text auch an Friederike, per Air drop, die im Nebenraum an unserem Erstschreibtisch in der Heimredaktion sitzt (mit Blick auf das Verlagsgebäude; das hat nicht jeder zur Zeit).