27.5.

Komisch, dass ich den Geflügelzüchter von Schnellroda automatisch für einen brutalen Typ hielt. Dementsprechend hatten wir uns mit gedämpften Stimmen an seinen Hof herangeschlichen, um die neben seinem Eingangstor angezweckte Liste der zum Verkauf angebotenen Arten von Enten und Hühnern abzufotografieren. Da hielt hinter uns ein silberner Geländewagen und das war der Bauer selbst, der dann ausstieg und uns freundlich »Guten Abend« sagte (es war ja schon weit nach 18 Uhr und im Gasthof, dem einzigen des Dorfes, saßen die Männer und säbelten in Spiegeleier mit Pommes frites). Ein untersetzter Mann mit breitem Lächeln, der mir gerne noch die paar Enten verkaufen wollte, nach denen ich ihn gefragt hatte, um unser Herumlungern und Plakatabfotografieren zu rechtfertigen. Fand er auch nur ein bisschen kurios, wie es schien, dass wir um diese Zeit noch nach lebenden Entenküken fragten.

»Ich glaube, die kosten drei Euro das Stück«, sagte er. Ganz hinten, am Ende des weiten Innenhofs in einer Nische saß seine Familie um einen Tisch, und er rief nach seiner Tochter, die für den Stall mit den Küken verantwortlich war. Das Mädchen kam, brachte den Schlüssel, sie begrüßte uns knapp und sperrte auf, blieb aber gleich bei der Tür stehen, während wir von einem Gehege zum anderen gingen, wo unter Wärmelampen hunderte fluffiger Küken umherwuselten. Die gedrungenen Sachsenenten, Wildenten, kleine Hühner ganz hinten, aber uns gefiel vor allen anderen die sogenannte Laufente, die ich bislang nur aus einem Buch von Wolf Erlbruch kannte – Ente, Tod und Tulpe –, und die ich, ohne jemals nachzuschlagen, für eine zeichnerische Erfindung Erlbruchs gehalten hatte. Die sind langgezogen und sehen schon im Kükenalter aus wie Flaschen für Riesling auf zwei Watschelbeine montiert. Ich würde ein Paar dieser Enten, so stellte ich es mir vor, in die Steggemeinschaft aus Blässhuhn, Schwan und Wildente eingemeinden, und könnte ihnen dann jeden Morgen und noch einmal am Nachmittag beim Aufwachsen zuschauen: »Ginge das«, fragte ich den Geflügelzüchter, »dass wir die jetzt in einen Karton mit Luftlöchern in den Kofferaum bei uns stellen und dann über Nacht drin lassen, weil wir haben hier noch ein paar Stunden was zu tun, fahren aber heute Nacht noch zurück nach Berlin – so um Mitternacht könnten wir sie dann freilassen. So eine Lampe haben wir aber dort nicht.«

Die Tochter schüttelte den Kopf. Eine Geste, die er sich mit einem Blick von ihr abholte. »Nein, das geht nicht«, sagte der Geflügelzüchter, ein unerwartet sanftmütiger Mann. »Das würden sie nicht überleben.« Aber er gibt uns eins von den Plakaten mit, das wir vorhin noch abzufotografieren versucht hatten. Unter den Laufenten steht »Gute Schneckenvernichter«. Ich kann es mir bildlich vorstellen, jetzt, wo ich sie in natura erlebt habe.