28.10.

Gelockt von Sein und Greis, einer apokryphen Schrift aus einer obskuren Heidegger-Ausgabe, betritt der namenlose Ich-Erzähler das Antiquariat einer Ortschaft in Cornwall. Es handelt sich offenbar um ein auf deutschsprachige Bücher spezialisiertes Geschäft. Vom Buchhändler selbst ist nichts zu sehen. Am hinteren Teil des zu beiden Seiten von Regalen flankierten Raumes ist ein Durchgang zu einem Hinterzimmer mit einem Samtvorhang im typischen Dunkelrot abgeteilt. Von dort, aus dem nicht einsehbaren Teil, sind Schlürfgeräusche zu hören. Jemand trinkt Tee.

Bei näherem Hinsehen stellen sich sämtliche der Bücher in den Regalen als ihm unbekannt heraus. Waren sie beim flüchtigen Scannen der Buchrücken noch vertraut erschienen, so stehen dort in Wahrheit nebeneinander sortiert Greis und Frieden, Der Greis ohne Eigenschaften, Greis und Vorurteil, Fasergreis und Der Greis im Roggen, sowie Die Greisenharfe, Der Greis erscheint im Holozän, Der englische Greis, Ein Greis wird älter, Auf der Suche nach dem verlorenen Greis in drei sehr schönen, lilafarbenen Bänden sowie ein Folioformat im Kartonschuber Greis mit Goldrand, für die Kleinen Puh der Greis und Unter Greisen, dann natürlich Die unerträgliche Leichtigkeit des Greises und Die Liebe in den Zeiten des Greises, Greisendämmerung, Mein Jahr in der Greisenbucht und viele, viele Paraklassiker mehr.

»Und«, fragte er den Buchhändler, der sich nun nicht mehr schlürfend, dafür halt schlurfend an seinen Platz hinter dem Verkaufstischchen verfügt hatte, um dort und unter Mithilfe seiner abschließbaren Blechschatulle die zu erwartenden Käufe abzuwickeln: »Haben Sie auch den Kaukasischen Kreidegreis von Bertolt Brecht?«

»Nein«, erwiderte der Antiquar. »Kenne ich auch gar nicht. Hier, das lesen die Leute gern: Der Zaubergreis

»Und das hier: Unterm Greis – von Malcolm Lowry, nehme ich an?«

Mit auf die Nasenspitze heruntergezogener Brille schaute ihn der Höker kopfschüttelnd an: »Von Hesse. Malcolm Lowry hat Unter dem Greis geschrieben. Kennen Sie das etwa nicht?«