2.9.2020

Niemals seit den Tagen von Kleopatra (der Alchemistin) hatte ich das Gefühl, mit dem linken Fuß aufgestanden zu sein. Ich wußte nicht einmal, wovon die Rede war. Gestern allerdings, ich kam also auf die schlechtest denkbarste Weise in den September, wurde ich kurz vor dem Sonnenaufgang geweckt von einem grässlichen Geräusch; das allein hätte mich noch nicht derart verstört, aber dies Geräusch schnitt mitten durch meinen Frühtraum (wie bei Heißenbüttel, ich hatte also davon schon gelesen), in dem ich gerade dabei gewesen war, einer mir nicht bekannten Gruppe den Inhalt eines von mir aufgefundenen Oktavbändchens eines englischsprachigen Schriftstellers zu erklären — Friederike übrigens ist der Meinung, es war dieses mich inmitten meines Erklärens unterbrechenden, das — «The birds are the smallest animals in the sky» rief ich gerade noch aus, und danach war Pause.

Das hat mich dann über die Tage beschäftigt, ich war zu kaum etwas noch fähig, ich schleppte mich selbst durch meine Tage, es war grausam, aber es war vielleicht auch gerecht. In dem Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten von Lutz Röhrich stand jedenfalls, dass diese Redewendung mit dem linken Fuß aus einer Zeit stammte, in der das Linke noch stellvertretend gesagt wurde für das Falsche, das Nicht-Rechte.

Ich hatte es nie für möglich gehalten, dass die Sehnsucht, in den Traum zurückkehren zu dürfen, ihn zu vollenden, träumenderweise, beim, Menschen derart wirkmächtig sein könnte. Heute früh habe ich mir von Friederike die Kritik am jüngsten Buch von Kapielski vorlesen lassen. Das klang derart dümmlich, dünn auch, aber auch, dass es bei Suhrkamp herausgebracht wird, hatte mir die bestmögliche Laune gemacht.

Am Nachmittag dann im Zollamt gewesen, um mir die Ausstellung mit den Pflanzen der Sklaverei anzuschauen. Der Boden dort ist mittlerweile mit Torf  bedeckt, es ist alles ein rechter Quark. Und außerdem dachte ich, da kommt wahrscheinlich gleich die Versteckte Kamera, denn der Eintrittskartenabreißer war natürlich so dunkelbraun von seiner Hautfarbe her wie der Torf.

Der Veranstalter aus Hamburg (Felix Jud) meldet für die Lesung am Samstag: 40 zahlende Zuhörer. Vierzig ist nichts im Reich des Geldes, da sind wir durch die Verkündung von Milliardensummen abgehärtet worden. Aber in Menschen — so sind die neuen Zeiten— sind 40 eine mich beeindruckende Zahl.