29.3.

Noch immer warte ich auf Post von Nikola Duric. Die Beschreibung eines slowenischen Mineralwassers mit ballongroßen Blasen will mir nicht aus dem Sinn. Immerhin kam durch eine Postkarte von Friederike mit einem Portrait Anselm Feuerbachs und der Frage, welche Rolle die Zigarette zwischen Feuerbachs Fingern spielt hinsichtlich der Wirkung dieses Gemäldes auf seine Betrachter. Auf Feuerbach selbst natürlich (darüber gibt es keine Aufzeichnungen), aber auch auf uns heutige. Peter Handke hat geschrieben, er strebe danach, in jeder Situation so edel erscheinen zu wollen wie ein Adeliger des 15. Jahrhunderts, der sich die Fingernägel schneidet. So raucht Feuerbach: mit edler Geste. Im Theater letzte Woche ließ Ersan Mondtag seinen Ödipus im vorvorletzten Schlussbild an einer schwarz gekachelten Bushaltestelle an einer E-Zigarette saugen. Der Text war für diese Figur da schon längst gestrichen, sie hatte lediglich noch dazusitzen, ihre sitzende Position beizubehalten und den Dampf auszustoßen, der mich, auch bei den Freunden der E-Zigarette vor alltäglicher Kulisse, an den Trockeneisnebel in einer Diskothek erinnert (wo es ihn wahrscheinlich gar nicht mehr gibt; ich weiß es nicht, war schon ewig nicht mehr in einer Disko). Und dann, während es wieder intensiv nach heiß gemachter Kirschmarmelade duftete, fuhr diese Bushaltestelle mit dem dampfenden Ödipus um die entscheidenden vier Meter auf den Bühnenrand zu, das Publikum sah jetzt zwangsläufig genauer hin, man erkannte die Details der Masken, die den Schauspielern schichtweise aufgeschminkt worden waren. Auch das Innere der Bushaltestelle, und der Türe, die aus der Kabine ins imaginäre Reich der Toten, das sich direkt dort dahinter befand, ließ sich en detail studieren. Die E-Zigarette in Ödipus‘ Hand, auf einer Straße in der Wirklichkeit käme sie mir bloß hässlich vor, wurde zu einem wichtigen Element dieses Bildes geadelt.

Bei dem Frühstück in der Bibliothek des Café Einstein neulich, als ich nach den Austern am Vorabend sehr viele Minisachertorten und kleine Clubsandwiches aß, erzählte Anna Viebrock, dass sie darauf achtet, dass auch die Bauten, die ganz hinten in einem Bühnenbild bleiben, von allen Seiten, also auch an den vom Publikum abgewandten, noch sorgfältig angefertigt und also zum Beispiel auch dort noch lackiert werden, wo man es aus dem Zuschauerraum heraus gar nicht mehr erkennen kann (nicht nur soweit das Auge reicht). Weil sie das für die Schauspieler wichtig findet. Weil die den Bühnenraum im Ganzen bevölkern und ihn als abgeschlossen wahrnehmen müssen. Selbst wenn es keine Drehbühne geben sollte, wird also ein Wasserhäuschen, von dem nur die Fassade mit der Verkaufsluke sichtbar bleibt, auch auf seiner Rückseite, an den Flanken, und in seinem Inneren ausgestattet und bemalt.